Interpharm 2019 – ApothekenRechtTag

Arzneimittelabgabe ohne persönlichen Kontakt

Boten, Pick up, Automaten: Was ist erlaubt, was ist verboten?

hb | Versand, Botendienst, Pick-up-Stellen, Automaten und Rezeptsammelstellen haben eins gemein: Bei ihnen findet die Arzneimittelabgabe an Patienten ohne persönlichen Kontakt zur Apothekerin oder zum Apotheker statt. Mit der Einführung des elektronischen Rezepts dürfte sich diese Entwicklung verstärken. Allerdings zieht das geltende Apothekenrecht bei der Arzneimittelabgabe ohne persönlichen Kundenkontakt Grenzen, die es zu beachten gilt. Zur Frage, was in diesem Zusammenhang erlaubt und was verboten ist, gab Rechtsanwalt Dr. Markus Rohner einen kompakten Überblick.
Foto: DAZ/Alex Schelbert
Die Grenzen zum Versandhandel, für die eingeschränkte Beratungspflichten gelten, können fließend sein. – Dr. Markus Rohner, Rechtsanwalt aus Essen, erläuterte Knackpunkte und Schnittmengen.

Ein Hauptknackpunkt bei allen Ab­gabeformen außerhalb der Präsenzapotheke ist die geforderte Beratung durch einen Apotheker oder durch das pharmazeutische Personal. Wie steht es damit, wenn das Arzneimittel per Boten zugestellt wird? Und liegt im jeweiligen Fall wirklich eine Boten­zustellung vor? Die Grenzen zum Versandhandel, für die nach der Rechtsprechung trotz § 20 Apotheken­betriebsordnung (ApBetrO) eingeschränkte Beratungspflichten gelten sollen, können fließend sein. Und was gilt, wenn der Kunde sich sein Arzneimittel im Wege des Pick-ups selbst abholt?

Botenzustellung: heute kein Einzelfall mehr

Rohner benutzte zu Beginn seiner Ausführungen das Beispiel „Hüffenhardt“, das ihn an George Orwells „1984“ erinnert habe. Davon ist die „schlichte“ Abgabe eines Arzneimittels über einen Boten noch weit entfernt. Diese ist ein Teil der Präsenz­versorgung, auch wenn es sich dabei um keine Form der Regelversorgung handelt, sondern nach der Apotheken­betriebsordnung auf den Einzelfall beschränkt sein muss. Eine solche normative Einordnung entspreche allerdings nicht mehr der Realität, so Rohner. Vielmehr sei die Botenzustellung heute gelebte Praxis. Werde die Beratung bei diesem „Modell“ bereits bei der Bestellung in der Apotheke erbracht, so könne das Arzneimittel auch durch nicht pharmazeutisches Personal ausgeliefert werden. Wie sieht es jedoch bei einer telefonischen Bestellung aus? Rohner verwies in diesem Zusammenhang auf einen Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden vom 27. Februar 2014, wonach eine telefonische Beratung nur in Ausnahmefällen gültig sein soll. Es sei deshalb Vorsicht geboten.

Zum Weiterlesen

Dr. Markus Rohner. Abgabe ohne persönlichen Kontakt – geht das? Arzneimittel per ­Bote und aus Abholfächern, DAZ 2018, Nr. 21, S. 54

Botendienst – Versandhandel – Rezeptsammelstellen

Bei der Abgrenzung der Botenzustellung zum Versand ist nach der Rechtsprechung die Häufigkeit der Auslieferung kein Kriterium. Maßgeblich sind vielmehr die Entfernung zum Kundenkreis und dessen Umfang, der persönliche Kontakt zum Kunden sowie die Lieferung durch weisungsabhängige Mitarbeiter. Hierfür kann, so Rohner, ggf. sogar ein eigenes Transportunternehmen unterhalten werden.

Beim Betrieb von Rezeptsammelstellen, der zulässig, aber erlaubnispflichtig ist, darf die Zustellung nicht im Versandwege, sondern nur per Bote erfolgen. Sofern nicht pharmazeutisches Personal die Arzneimittel ausliefert, kann die Beratungspflicht bei dieser Form der Abgabe nach Rohners Einschätzung nur erfüllt werden, wenn man auch eine telefonische Beratung für zulässig ansieht.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Die Spielarten des Pick ups

Pick-up-Stellen sind produktneutrale Abholstellen, an die bestellte Waren als Alternative zur Wohnanschrift geliefert werden können. Nach einer grundlegenden Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008 dürfen solche Einrichtungen mit und ohne Rezeptsammlung betrieben werden. Hierzu stellte der Referent eine Reihe von Abgabevarianten vor:

  • Pick-up in einem anderen Gewerbebetrieb, z. B. einem Drogeriemarkt (BVerwG, Urteil vom 13.03.2008),
  • Aufstellen einer abgeschlossenen Box (Co-Box) mit Bildschirmberatung in einer Drogerie (Hess. VGH Urteil vom 15.03.2012),
  • Abgabe ausländischer Versandware in inländischer Apotheke für Rechnung der ausländischen Apotheke (BVerwG, Urteil vom 26.02.2015, BGH vom 26.02.2014),
  • Abgabe in Gewerberäumen (mit oder ohne Videoberatung) und Lager („Hüffenhardt“, LG Mosbach, Urteile vom 21.12.2017 und 05.02.2018),
  • Abgabe im Automaten, der unmittelbar außen an der Apotheke angebracht ist (BVerwG, Urteil vom 24.06.2010)

Um alle Modelle ranken sich zahlreiche Rechtsfragen, deren Beantwortung von Einzelaspekten abhängt. Die Abgabe über einen Automaten, der unmittelbar außen an der Apotheke angebracht ist, erachtet Rohner für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel als zulässig, für rezeptpflichtige jedoch nicht, weil die Anforderungen an die Rezeptprüfung usw. dabei nicht eingehalten werden können (§ 17 Abs. 5 und 6 ApBetrO). Dass die Abgabe wegen der erforderlichen Beratung laut Bundesverwaltungsgericht nur innerhalb der Öffnungszeiten zulässig sein solle, kritisierte Rohner. Wenn die Beratung (auch telefonisch) erfolgt sei und der Apotheker die Automaten durch eigene Mitarbeiter bediene, müsse eine Abgabe auch außerhalb der Öffnungszeiten zulässig sein. |

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