Feuilleton

Vom Apotheker zum Schriftsteller

Ausblick auf das Fontane-Jahr 2019

Von Inken Rutz | Am 30. Dezember 2019 jährt sich der Geburtstag Theodor Fontanes zum 200. Mal. Ein Grund, den großen Schrift­steller genauso wie den Journalisten, Theaterkritiker und Apotheker angemessen zu würdigen.

Theodor Fontane (1819 – 1898) wurde das Apothekerdasein praktisch in die Wiege gelegt. Fontane selbst beschreibt in seinem autobiografischen Roman „Meine Kinderjahre“ in anekdotischen Episoden seine Kindheit im elterlichen Apothekerhaushalt. Der Leser wird in die Welt der jungen Familie Fontane entführt: „An einem der letzten Märztage des Jahres 1819 hielt eine Halbchaise vor der Löwen-Apotheke in Neu-Ruppin und ein junges Paar, von dessen gemeinschaftlichem Vermögen die Apotheke kurz vorher gekauft worden war, entstieg dem Wagen und wurde von dem Hauspersonal empfangen.“

Fontanes GeburtsstadtNeuruppin

Im Brandenburgischen Neuruppin kann noch heute das Geburtshaus Fontanes bewundert – allerdings nicht besichtigt – werden. Auch die Löwen-Apotheke gibt es noch. Fontanes Eltern, der „Apotheker Zweiter Klasse“ (s. Kasten) Louis Henri Fontane und Emilie Fontane (geb. Labry), Nach­fahren von im 17. Jahrhundert nach Preußen geflohenen Hugenotten, waren vor ihrer Ankunft in Neuruppin erst kurze Zeit verheiratet. Mit der Familiengründung ließ sich das junge Paar dennoch nicht allzu viel Zeit: „Am 27. März 1819 waren meine Eltern in Ruppin eingetroffen, am 30. Dezember selbigen Jahres wurde ich daselbst geboren“, merkt Fontane in „Meine Kinderjahre“ an.

Foto: Inken Rutz
Das Fontanehaus mit Löwen-Apotheke in Neuruppin

Ruppiner Kindheit – immer in der „Bredouille“

„In ihrer Ruppiner Apotheke verlebten meine Eltern die ersten sieben Jahre ihrer Ehe, vorwiegend glückliche Jahre, trotzdem sich schon damals das zeigte, was dieses Glück früher oder später gefährden musste.“ Dieses „das“ stellte die in Wirklichkeit nicht so glückliche Verbindung seiner Eltern dar, die letztlich in der Trennung der Eheleute mündete. Ein Grund war die Spielsucht des Vaters, gepaart mit fehlender Geschäftstüchtigkeit. Fontane vermerkt hierzu: „Er war überhaupt eine ganz ungeschäftliche Natur, nahm ihm vorschwebende Glücksfälle für Tatsachen und überließ sich, ohne seiner auch in besten Zeiten doch immer nur bescheidenen Mittel zu bedenken, der Pflege ‚nobler Passionen‘.“ Diese „noblen Passionen“ benennt Fontane dann auch unverblümt als Spielpassion. Ein „kleines Vermögen“ sei so verspielt worden – ­während der Vater selbst von der „Bredouille“ sprach, in der er sich beständig be­funden habe.

Von Neuruppin nach Swinemünde und zurück

„Ostern 1819 hatte mein Vater die Neu-Ruppiner Löwenapotheke in seinen Besitz gebracht, Ostern 1826, nachdem noch drei von meinen vier Geschwistern an eben dieser Stelle geboren waren, gab er diesen Besitz wieder auf.“ Die Neuruppiner Apotheke musste aufgrund der Spielschulden verkauft werden. Es blieb nicht der letzte Verkauf und nicht der letzte Umzug. Die Familie verließ schließlich im Juni 1827 Neuruppin und zog nach Swinemünde, wo der Vater eine kleinere Apotheke gekauft hatte. Die Mutter war derweil in Berlin und musste sich dort „einer Nervenkur“ unterziehen. Es blieb nicht das einzige Mal. Fontanes Mutter litt fortan unter ­Depressionen.

Im Alter von zwölf Jahren schickten seine Eltern Theodor Fontane nach Neuruppin zurück, damit er im dortigen Gymnasium einen gymnasialen Abschluss erhalte. Ein großer Schritt für einen Zwölfjährigen – alleine, ohne Eltern. Freunde der Familie sollten sich um ihn kümmern. Im Predigerhaus, gegenüber der Löwen-Apotheke, war Fontane untergebracht. Bisher überwiegend von seinem Vater und von Hauslehrern unterrichtet, war seine Schulkarriere im Ruppiner Gymnasium von wenig Erfolg gekrönt: „Einige Lücken wurden wohl zugestopft, aber alles blieb zufällig und ungeordnet, und das berühmte Wort vom ‚Stückwerk‘ traf, auf Lebenszeit, buchstäblich und in besonderer Hochgradigkeit bei mir zu.“

Im 18. Jahrhunderts wurde in Preußen erstmals ein Gesetz zur Apotheker-Ausbildung erlassen. Die Folge war eine Zweiteilung in „Apotheker Zweiter Klasse“, die nur über eine handwerk­liche Ausbildung verfügten, und in „Apotheker Erster Klasse“, deren Ausbildung Vorlesungen am „Collegium Medico-Chirur­gicum“ und laborpraktische Übungen in der Berliner Hofapotheke beinhaltete. Mit Beginn des 19. Jahrhunderts durften nur noch die wissenschaftlich ausgebildeten „Apotheker Erster Klasse“ in größeren Städten tätig sein. In Preußen wurde erst 1875 ein dreisemestriges obligatorisches Hochschulstudium für alle Apotheker eingeführt.

Apotheker Fontane – im Widerstreit mit schrift­stellerischen Ambitionen

Die schulische Laufbahn Fontanes endete schließlich ohne Abitur auf der Gewerbeschule Klöden in Berlin. 1836 begann er anschließend eine Apothekergesellenausbildung in der Berliner Apotheke „Zum Weißen Schwan“. Bei Wilhelm Rose, seinem Lehrprinzipal, verbrachte er vier Jahre. Der notwendigen Abschlussprüfung beim zuständigen Kreisphysikus sah Fontane mit einem mulmigen Gefühl entgegen, da dieser „wegen seiner Grobheit ebenso berühmt wie gefürchtet“ gewesen sei. Wider Erwarten habe sich der Physikus aber als „sehr nett, ja geradezu gemütlich“ erwiesen: „Kurzum, nach kaum zwanzig Minuten war ich in Gnaden entlassen und erhielt nur noch kurz die Weisung, mir am andern Tage mein Zeugnis abzuholen.“

Nach mehreren Jahren auf Gesellenwanderschaft und Arbeit in verschiedenen Apotheken erhielt Fontane 1847 die Approbation als „Apotheker Erster Klasse“.

Seine Motivation, Apotheker zu werden, ist nicht klar zu beantworten. Wahrscheinlich ist der familiäre Einfluss jedoch nicht von der Hand zu weisen. Allerdings stand dies immer im Widerstreit zu seinen schriftstellerischen Ambitionen. Schon während seiner Ausbildung zum Apothekergehilfen wandte er sich voller Begeisterung dem Schreiben zu und verfasste Gedichte und Erzählungen. Erste Veröffentlichungen erschienen ab 1839 in der Tageszeitung „Berliner Figaro“.

Leben auf den „Vers“ gestellt – nie mehr Apotheker sein

Seine letzte Anstellung als Apotheker hatte Fontane in der Krankenhausapotheke im Diakonissenkrankenhaus Bethanien in Berlin. Auch heutzutage kann dort die sogenannte „Fontane-Apotheke“ noch besichtigt werden. Fontane beschreibt seine Anstellung erfreut als „ein Idyll“, in dem er genügend Zeit gehabt habe, „literarisch tätig“ zu sein. Zwei Jahre nach Erhalt seiner Approbation zog er schließlich einen Schlussstrich unter das Apo­thekenkapitel und widmete sich von da an ganz dem Schreiben. So sei er „nach ernstlichstem Erwägen“ zu der Erkenntnis gelangt, dass es das Beste für ihn sei, „den ganzen Kram an den Nagel zu hängen“. Auch habe er nicht anders gekonnt, als sein „literarisches Leben auf den ‚Vers‘ zu stellen.“

Foto: Inken Rutz
Im Museum Neuruppin, aber auch in der ganzen Stadt wird die Geschichte ­Fontanes an verschiedenen Stationen erzählt.

Fontane – nicht nur Wanderer und Schriftsteller

Fontane arbeitete nach Beendigung seiner Apothekerlaufbahn als freier Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker. Er lebte in Berlin, London, Kopenhagen und Paris. Als Wanderer mit großer Beobachtungsgabe setzte er mit seinem fünfbändigen Werk „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ seiner Heimat ein bleibendes Denkmal. Seine größten schriftstellerischen Erfolge feierte Fontane allerdings erst in späten Jahren. Mit „Vor dem Sturm“ (1878), „Irrungen, Wirrungen“ (1887), „Effi Briest“ (1894/1895) und „Der Stechlin“ (1897/1898) erlangte Fontane Weltruhm. Als genauer Beobachter zeichnete er in seinen Werken ein Bild seiner Zeit.

Foto: Inken Rutz
Fontane zum Anfassen in Neuruppin. 400 Skulpturen hat Künstler Ottmar Hörl erschaffen und stehen vor der Kulturkirche der brandenburgischen Geburtsstadt Fontanes.

Auch einen großen Apothekerroman hatte er begonnen. Doch einen Verleger fand er für seinen Gesellschaftsroman „Allerlei Glück“ nicht. So flossen schließlich die Beschreibungen in andere Romane ein, so unter anderem in „Effi Briest“. In dem zum poetischen Realismus zählenden Roman würdigt Fontane den Apothekerberuf durch die literarische Figur des Provinzapothekers Alonzo Gieshübler – sympathisch und lebensnah. Am 20. September 1898 starb Theodor Fontane in Berlin.

„fontane.200“ – Brandenburg feiert seinen großen Sohn

Unter dem Titel „fontane.200“ kann vom 30. März bis 30. Dezember Fontane neu entdeckt und die Vielfalt seines Schaffens erlebt werden. Die Leit­ausstellung „fontane.200/Autor“ beschäftigt sich mit dem „Wortsampler, Schreibdenker und Textprogrammierer Fontane“. Der Besucher der im Museum Neuruppin und in der gesamten Stadt verteilten Stationen soll mit dem Leitmotiv, den „Wort(er)findungen“ Fontanes, vertraut gemacht werden. Im Mittelpunkt der zahlreichen Veranstaltungen steht der Schriftsteller, Journalist und Theaterkritiker.

Veranstaltungen und Informationen zum Fontane-Jahr 2019:

Aber auch der Apotheker Fontane wird gewürdigt. So zum Beispiel im Brandenburgischen Apothekenmuseum Cottbus. Die nur im Rahmen einer Führung zu besichtigende Sonderausstellung „Der Apotheker im Wandel der Zeit“ steht bereits seit 16. Januar einem interessierten Publikum offen. Zudem finden in der „Fontane-Apotheke“ im ehemaligen Diakonissenkrankenhaus Bethanien in Berlin verschiedene Führungen (inklusive Vortrag) zu Fontane und seinem letzten Jahr als „schreibender Apotheker“ statt. |

Literatur

Regina Dieterle: „Theodor Fontane“. Carl Hanser Verlag GmbH und Co KG.

Theodor Fontane: „Meine Kinderjahre“ (Autobiografischer Roman). Fischer Taschenbuch.

Theodor Fontane: „Von Zwanzig bis Dreißig“ (Autobiografisches). Dearbooks Verlag in Europäischer Literaturverlag GmbH.

Hans-Dieter Rutsch: „Der Wanderer. Das Leben des Theodor Fontane“. Rowohlt Berlin Verlag GmbH.

Fontane Gesellschaft, Chronik (https://fontane-gesellschaft.de/chronik/)

Lebendiges Museum Online, Biografie (https://www.dhm.de/lemo/biografie/theodor-fontane)

Christoph Friedrich: „Wie wir Apotheker wurden: Erinnerungen aus drei Jahrhunderten“. Govi-Verlag

Autorin

Inken Rutz ist Apothekerin und Autorin u. a. bei DAZ und DAZ.online

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.