Die Seite 3

Perspektivwechsel

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

So richtig angekommen und etabliert ist sie noch nicht. Die Klinische Pharmazie in Deutschland fristet ein Schatten­dasein und das, obwohl man schon vor 20 Jahren begann, erste Professuren einzurichten. Doch vieles läuft nicht reibungslos: An den Hochschulen herrscht ein Kompetenzgerangel zwischen den pharmazeutischen Disziplinen. Die Standespolitik ist meistens zu viel mit sich selbst oder anderen Neben- und Hauptkriegsschauplätzen beschäftigt. Und im Gesundheitswesen bestimmen Kostendruck und ungleiche Machtverhältnisse, dass die Kompetenz der Apotheker oftmals außen vor bleibt. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.

Woran liegt das? Wahrscheinlich gibt es viele Ursachen, aber ein Aspekt könnte dabei entscheidend sein: Die Klinische Pharmazie steht für einen Perspektivwechsel. Im Fokus hat sie nicht das Arzneimittel sondern den Patienten. Diese sehr akademische und viel zitierte Definition trifft vor allem auf den Versorgungsalltag im Krankenhaus zu. Aber kann so auch das Prinzip Apotheke funktionieren?

Als der Bundesverband der Pharmaziestudierenden (BPhD) im Dezember 2018 auf die Reformpläne von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn reagierte, zeigte sich: Hier treffen zwei Welten aufeinander. Einerseits die idealisierte und zum Teil naive Vorstellung unseres Berufsnachwuchses. Andererseits die berechtigte Empörung der Kolleginnen und Kollegen über die harte, kompromisslose Realität deutscher Gesundheitspolitik. „Soll Amazon ruhig die Distribution der Arzneimittel übernehmen, wir erledigen den Rest“, so ähnlich drückte es ein BPhD-Vertreter im Interview mit der DAZ aus und bescherte den Plänen Spahns damit deutlich Rückenwind.

Wollen wir da wirklich hin? Der Apotheker als reiner Dienstleister, als Berater, der die Medikation seiner Klienten im Rahmen von Hausbesuchen oder Videokonferenzen verwaltet, während die Arzneimittel auf vermeintlich günstigeren Wegen verteilt werden?

Ich bin mir sicher, dass die Klinische Pharmazie den Studierenden solch ein Szenario nicht vermittelt. Ohne die physische Anwesenheit von Arzneimitteln könnte beispielsweise die Betreuung ­eines Asthmapatienten nicht gelingen und ein Brown-Bag-Review würde seinem Namen nicht gerecht. Wie es ein Gastkommentar auf S. 16 treffend beschreibt, ist die pharmazeutisch-kognitive Leistung eng verzahnt mit den logistischen und didaktischen Herausforderungen rund um das Arzneimittel. Die heilberufliche Kompetenz der Apotheker aufzuwerten, bedeutet eben nicht, sie gleichzeitig vom Arzneimittel abzuspalten.

Bisher wurde versäumt, dieses Selbstverständnis viel stärker und wissenschaftlich evaluiert in den politischen Kontext zu stellen. Der Vorstoß der EU-Kommission, die Bundesrepublik zu einer stärkeren Deregulierung ihres Arzneimittelmarktes zu zwingen (siehe S. 9), macht deutlich, in welchem Dilemma das Berufsbild steckt – mit Konsequenzen für die Apotheken und die Hochschulpharmazie gleichermaßen!

Fest steht: Mit ihrer Logistik und der abgabebegleitenden Beratung leisten die Apotheken vor Ort schon jetzt viel mehr, als auf dem Versandweg möglich ist. Dies hat seinen Preis und um diesen zu bezahlen, ist eine packungsabhängige Vergütung nötig. Doch die Apotheker können noch viel mehr, erst recht wenn sie dafür künftig gezielter ausgebildet werden. Dies kann aber nur gelingen, wenn die Gesellschaft bereit ist, dafür zu bezahlen – sowohl für die Ausbildung an den Universitäten als auch für die Leistungen in den Apotheken. Es ist also höchste Zeit, auch mal die Perspektive zu wechseln.

Armin Edalat

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