Arzneimittel und Therapie

Autismus-Hypothese nicht haltbar

Kein erhöhtes Risiko im Zusammenhang mit Masern-Mumps-Röteln-Impfung

cst | Die Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln (MMR) zählt zu den von der Ständigen Impf­kommission (STIKO) empfohlenen Standard­impfungen im Kindesalter. In Deutschland wird in der Regel im Alter von elf bis 14 Monaten mit der Immunisierung begonnen, die zweite Impfung erfolgt im Abstand von mindestens vier Wochen – spätestens jedoch bis zum Ende des zweiten Lebensjahres. Trotz zahlreicher Studien, die keinerlei Belege für ein erhöhtes Autismus-Risiko bei geimpften Kindern finden konnten, halten sich diesbezügliche Bedenken hartnäckig. Nun wurde anhand einer großen nationalen dänischen Kohortenstudie erneut untersucht, ob die MMR-Impfung mit autistischen Entwicklungsstörungen in Zusammenhang stehen könnte.

Dazu wurden die Daten von 657.461 Kindern ausgewertet, die zwischen 1999 und Ende 2010 in Dänemark geboren wurden. Die erste Impfung mit der MMR-Vakzine wird in Dänemark im Alter von 15 Monaten empfohlen, die zweite im Alter von vier Jahren (vor 2008 im Alter von zwölf Jahren). Aufgrund der Besonderheiten des dänischen Gesundheitssystems war es möglich, Informationen zur MMR-Impfung, zu Diagnosen einer Autismus-Spektrum-Störung und zu Risiko­faktoren miteinander zu verknüpfen. Zudem konnten zahlreiche Faktoren berücksichtigt werden, die einen Einfluss auf die Ergebnisse haben könnten. Erfasst wurden Daten ab einem Lebensalter von einem Jahr bis zum 31. August 2013, so dass die Kinder im Schnitt bis zu einem Alter von 8,64 Jahren beobachtet wurden. Ins­gesamt wurden 6517 Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung diagnostiziert. Bei einer Beobachtungsdauer von 5.025.754 Personenjahren entspricht dies einer Inzidenzrate von 129,7 Fällen pro 100.000 Personen­jahren. Das Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung war bei Kindern, die die MMR-Impfung erhalten hatten, im Vergleich zu ungeimpften Kindern nicht erhöht (adjustierte Hazard Ratio 0,93; 95%-Konfidenzintervall 0,85 bis 1,02). Auch bei Betrachtung verschiedener Risikogruppen konnte kein erhöhtes Risiko im Zusammenhang mit der MMR-Impfung festgestellt werden – weder im Hinblick auf Umweltfak­toren (z. B. bei bestimmten Geburtenjahrgängen) noch bei familiärer Prädisposition (z. B. Autismus bei Geschwisterkind). |

Quelle

Hviid A et al. Measles, Mumps, Rubella Vaccination and Autism: A Nationwide Cohort Study. Ann Intern Med 2019; doi: 10.7326/M18-2101



Risiko in den Köpfen

Ein Kommentar von Carolin Straub

Dr. Carolin Straub, DAZ-Redakteurin und Fachapothekerin für Arzneimittelinformation

Rund 20 Jahre ist es her, dass eine im Lancet veröffentlichte Publikation für Aufsehen sorgte und die MMR-Impfung in Verruf brachte [1]. So schien eine Fallserie von zwölf (!) Kindern einen Zusammenhang zwischen der Vakzine und Autismus nahezulegen. Dass Andrew J. Wakefield, dem Erstautor der Publikation, „unethisches Verhalten“ vorgeworfen wurde, dieser ein Berufsverbot erhielt, und die Arbeit mittlerweile zurückgezogen wurde (s. DAZ 2010, Nr. 6, S. 49), stört Impfkritiker indes wenig. „Impfen macht Autismus“ – diese Meinung ist in vielen Köpfen vorherrschend. Daran konnte auch eine ganze Reihe an Beobachtungsstudien und Metaanalysen, die Daten von vielen Tausend Kindern berücksichtigten und solch einen Zusammenhang nicht bestätigten, nichts ändern [2 – 5]. So ist zu befürchten, dass auch die nun veröffentlichte Untersuchung wenig bewirken wird. Umso wichtiger, dass wir Apotheker uns klar zur Impfung bekennen und sachlich über deren Nutzen und Risiken informieren. Denn die Gefahr, aufgrund einer unterlassenen Impfung an Masern zu erkranken, ist äußerst real. So rangiert unser Nachbarland Frankreich in der UNICEF-Rang­liste der Länder mit der höchsten Zunahme an Masernerkrankungen zwischen 2017 und 2018 mit 2269 Fällen weltweit auf Platz zehn [6]. Wie die Publikation von Hviid et al. erneut verdeutlicht [7], existiert das Risiko einer Autismus-Störung aufgrund einer MMR-Impfung hingegen wohl nur in den Köpfen.

Quelle

[1] Wakefield A et al. RETRACTED: Ileal-lymphoid-nodular hyperplasia, nonspecific colitis, and pervasive developmental disorder in children. Lancet 1998;351:637-41

[2] Taylor LE et al. Vaccines are not associated with autism: An evidence-based meta-analysis of case-control and cohort studies. Vaccine 2014;32:3623-9

[3] Jain A et al. Autism occurrence by MMR vaccine status among US children with older siblings with and without autism. JAMA 2015;313:1534-40

[4] Uno Y et al. Early exposure to the combined measles-mumps-rubella vaccine and thimerosalcontaining vaccines and risk for autism spectrum disorder. Vaccine 2015;33:2511-6

[5] Madsen KM et al. A population-based study of measles, mumps, and rubella vaccination and autism. N Engl J Med 2002;347:1477-82

[6] Alarming global surge of measles cases a growing threat to children – UNICEF. Pressemitteilung vom 01. März 2019. www.unicef.org; Abruf am 06. März 2013

[7] Hviid A et al. Measles, Mumps, Rubella Vaccination and Autism: A Nationwide Cohort Study. Ann Intern Med 2019; doi:10.7326/M18-2101t

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