Gesundheitspolitik

Privatrezept ist nicht gleich Privatrezept

Gericht sieht Aufklärungspflicht beim PKV-Basistarif

BERLIN (ks) | Weiß ein Apotheker, dass ein Kunde im PKV-Basistarif versichert ist, so muss er diesen über das Risiko aufklären, dass seine Krankenversicherung die Kosten für ein Medikament möglicherweise nicht übernimmt. Anderenfalls kann er einem Schadensersatzanspruch des Patienten ausgesetzt sein, wenn die Versicherung nicht den Preis für das abgegebene Arzneimittel erstattet, sondern nur den eines günstigen Generikums. Das jedenfalls hat jüngst das Landgericht Bremen entschieden. (Urteil vom 10. Oktober 2018, Az.: 1 O 1524/17)

In der Apotheke ist für gewöhnlich nicht zu erkennen, ob ein Kunde, der ein Privatrezept einreicht, „normal“ versichert ist oder aber nur im PKV-Basistarif, in dem der Leistungsumfang etwa dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. Ist in der Apotheke jedoch bekannt, dass ein Kunde im Basistarif versichert ist, treffen das Personal und den Inhaber besondere Aufklärungspflichten. Das musste jetzt ein Apotheker vor Gericht erfahren.

Vereinbarung über Abrechnung durch die Apotheke

Was war geschehen? Über Jahre bezog ein Patient in einer Apo­theke das Arzneimittel Glivec. Er hatte mit der Apotheke eine Abrede getroffen, wonach diese die Kosten für das kostspielige Medikament selbst mit der Versicherung abrechnet.

Ende 2016 lief das Patent für Glivec aus und in der Folge kamen preisgünstige Generika auf den Markt. Das war dem Apotheker bekannt. Als besagter Patient im Februar 2017 erneut eine Glivec-Verordnung auf Privatrezept (ohne Aut-idem-Ausschluss) vorlegte, erhielt er von einer Apothekenmitarbeiterin wie gewohnt sein Glivec.

Versicherung zahlt nur das preisgünstigste Generikum

Doch bei der späteren Abrechnung erstattete die private Versicherung der Apotheke fast 6000 Euro weniger, als dieses Arzneimittel kostete, nämlich nur 9606,07 Euro – so viel, wie das preisgünstigste Generikum kostet. Die Kasse verwies dazu auf ihre Leistungsbestimmungen. Danach sind im Fall, dass für das verordnete Arzneimittel mehrere wirkstoffgleiche Präparate verfügbar sind, nur die Aufwendungen für eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel erstattungsfähig, sofern diese zeitgerecht lieferbar sind. Der Apotheker forderte daraufhin seinen Kunden auf, den Differenzbetrag an ihn zu zahlen. Als dies nicht geschah, erhob er Klage.

Das Landgericht Bremen hat die Klage jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Grundsätzlich habe zwar zunächst eine Kaufpreisforderung in Höhe von 15.558,99 Euro gegenüber dem beklagten Patienten bestanden – daran ändere auch die Vereinbarung über die direkte Abrechnung der Apotheke mit der Versicherung nichts. Doch diese Forderung sei zu einem Teil durch die Zahlung der Versicherung erloschen. Den anderen Teil könne der Patient mit einem ihm gegen den Apotheker zustehenden Schadensersatzanspruch aufrechnen.

Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung

Dieser Schadensersatzanspruch in Höhe der restlichen Kaufpreisforderung ergebe sich aus dem bürger­lichen Recht (§ 280 BGB) wegen der Verletzung (vor)vertraglicher Aufklärungspflichten. Der Grund: Der klagende Apotheker sei im Rahmen der mit dem Beklagten bestehenden Vereinbarung zur Kostenabrechnung wegen des regelmäßigen Kaufs des Arzneimittels Glivec verpflichtet gewesen, den Kunden über die fehlende Erstattungsfähigkeit für Glivec im Basistarif auf­zuklären, nachdem günstigere Generika hierfür verfügbar waren. Diese Pflicht zur sogenannten wirtschaftlichen Aufklärung ergebe sich aus der Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Kunden sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB).

Zwar müsse der Apotheker nicht die Details des Versicherungsschutzes eines Patienten erfragen, räumt das Gericht ein. Doch weiß er, dass dieser lediglich im Basistarif versichert ist, so müsse er den Patienten über das Risiko aufklären, dass die Versicherung die Kosten nicht erstattet. Eine solche Pflicht sei dem Apotheker auch nicht unzumutbar. „Da der Basistarif dem Umfang der gesetzlichen Versicherung entspricht, sind für den Kläger als Apotheker diese Abrechnungsfragen tägliches Geschäft und er weiß, welche Kosten erstattungsfähig sind und kann das Risiko beurteilen“, heißt es im Urteil. Der beklagte Kunde könne das Risiko dagegen nicht abschätzen und sei daher schutzbedürftig.

Wissenszurechnung aufgrund von Wissensverantwortung

Vorliegend hatte eine Mitarbeiterin des Apothekers das Arzneimittel abgegeben – doch auch dies muss sich der Kläger dem Urteil zufolge zurechnen lassen. Diese Wissenszurechnung erfolge aufgrund der „Wissensverantwortung“ des Klägers als Apothekeninhaber. „Er hat die Pflicht, das in der Organisation vorhandene Wissen ordnungsgemäß zu organisieren“, so das Gericht. |

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