Gesundheitspolitik

Revision im Zyto-Prozess: „Zu viele Fehler“

Mit dem Prozess gegen Peter S. vor dem Landgericht Essen haben alle Seiten Probleme

BERLIN (hfd/az) | Es ist schon länger klar: Der Strafprozess gegen den Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. wird ein Fall für den Bundesgerichtshof (BGH). Gegen das Urteil des Landgerichts Essen haben nicht nur S. selbst, sondern auch Staatsanwaltschaft und Nebenkläger Revision eingelegt. Mittlerweile haben sie diese auch begründet.

Im Juli 2018 wurde Peter S. vom Landgericht Essen zu zwölf Jahren Haft verurteilt – und zu einem lebenslangen Berufsverbot. Zudem soll er Wertersatz in Höhe von 17 Mio. Euro zahlen. Doch das Urteil schmeckte den verschiedenen Prozessbeteiligten nicht. Die Vertei­diger von Peter S. hatten ohnehin auf Freispruch plädiert, die ehemaligen Patienten von S. wollen eine Verurteilung wegen Mordes und die Staatsanwaltschaft moniert, dass der vom Landgericht geschätzte Schaden von 17 Mio. Euro viel höher war und nimmt zwar keinen Mord, aber weitere von S. erfüllte Straftatbestände an.

Verteidigung fordert neue Verhandlung

So erklärt die Verteidigung von S. in der Revisionsschrift, das Urteil sei schon aus verfahrenstechnischen Gründen „aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Strafkammer eines anderen Landgerichts zurückzuverweisen“. Unter anderem meint sie, das Gericht habe einen Schöffen nicht richtig besetzt. Zudem sei das Verfahren zu schnell verlaufen. Dadurch seien nicht alle entlastenden Punkte auf den Tisch gekommen. Ursprünglich waren für den Prozess 14 Verhandlungstage angesetzt, doch rasch wurden weitere eingeplant. Am 1. Februar 2018 erklärte der Vorsitzende Richter, die Kammer wolle bald ein Urteil sprechen, und bat um Vorbereitung der Schlussplädoyers. Doch dann gab es wei­tere Anträge und letztlich kam es nach mehr als 40 Verhandlungs­tagen im Juli zu einem Urteil. Die Verteidigung meint, es wurden zwischenzeitlich zu knappe Fristen für Beweisanträge gesetzt. Auch der psychologische Gutachter, der S. trotz einer früheren Hirnverletzung als schuldfähig angesehen hatte und dessen Einschätzung das Gericht folgte, war aus Sicht der Verteidigung „ungeeignet“ – nicht zuletzt weil er kein Arzt sei.

Auch seitens der Nebenklage ist man überzeugt, dass das Urteil aus mehreren Gründen angreifbar ist. Allerdings ist das Ziel hier eine schärfere Strafe. Als Apotheker habe S. sehr gut gewusst, dass gerade die von ihm herzustellenden Krebstherapien geeignet und erforderlich sind, die Lebensdauer eines jeden Patienten zu verlängern, argumentiert etwa Betroffenen-Anwalt Juri Rogner, der jedenfalls einen bedingten Tötungsvorsatz annimmt. Sein Kollege Khubaib Ali Mohammed kritisiert, die Richter hätten keine Tatsachen aufgeklärt, die den Nachweis der Kausalität zwischen Unterdosierung und der Verwirklichung von Tötungsdelikten ermöglicht hätten. Im Urteil hieß es nur: „Die Kammer konnte nicht feststellen, dass ein konkreter Patient, dem eine unterdosierte Zubereitung verabreicht wurde, aufgrund der Unterdosierung verstarb oder sich aufgrund der Unterdosierung sein Leben verkürzte oder er in Lebensgefahr geriet.“

Anwalt Sebastian Bessler will über den BGH zudem erreichen, dass die von dem Skandal Betroffenen vor Gericht gehört werden. Das Landgericht hatte dies abgelehnt, doch der Jurist meint: „Als unmittelbare Opfer der bereits angeklagten Taten ist ihre Vernehmung schon aus Aufklärungsgesichtspunkten unabdingbar.“

Nebenklagevertreter Andreas Schulz glaubt, dass der BGH das erstinstanzliche Urteil schon bald kassieren wird. Die Strafkammer habe zu viele Fehler bei der Verhandlungsführung gemacht und den Apotheker zu schnell verurteilt. „Dies rächt sich und wird zur Urteilsaufhebung führen“, sagte er gegenüber DAZ.online. |

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