Gesundheitspolitik

SPD und CDU kämpfen gegen Lieferengpässe

Positionspapiere der Bundestagsfraktionen fordern Bündel an Maßnahmen

TRAUNSTEIN (cha) | Die Arzneimittel-Lieferengpässe sind mittlerweile zum Topthema geworden. Nachdem schon seit Jahren in Fachkreisen darüber geklagt wird, dass die Arzneimittelversorgung durch öffentliche und Krankenhausapotheken immer schwieriger und zeitaufwendiger wird, hat das Thema nun seit einigen Wochen die Publikumsmedien bis hin zur Tagesschau erreicht. Die Politik, die hier lange nur zögerlich agiert hat, ist mittlerweile offenbar aufgewacht. Bereits im September wurde ein erster Entwurf für ein Positionspapier der CDU-Bundestagsfraktion bekannt, das mittlerweile aktualisiert wurde. Nun hat auch die SPD-Bundestagsfraktion mit einem Diskussionspapier nachgelegt. Beide Papiere enthalten vielfältige Lösungsvorschläge, u. a. auch Änderungen bei den Rabattverträgen. Doch die Kassenseite ist sich hier keiner Schuld bewusst: In einer aktuellen Pressemeldung negiert das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) jeglichen Zusammenhang zwischen Rabattverträgen und Lieferengpässen.

© Kai Felmy

Die SPD will das Problem mit einem zweigeteilten Ansatz lösen. Zum einen müssten Regulierungen und Anreize geschaffen werden, die die Entstehung von Lieferengpässen verhindern. Als mögliche Maßnahmen im Bereich der Rabattverträge wird vorgeschlagen

  • die Verschärfung von Vertragsstrafen bei Nicht-Einhaltung der Lieferfähigkeit, eventuell auch abhängig vom Umsatz;
  • Abschaffung der Exklusiv­verträge in Kombination mit quotierten Abgabemengen;
  • Qualitätszuschlag für die Einhaltung von erhöhten Sicherheits- und Produktionsstandards, was auch die Produktion von Arzneimitteln in Europa stärken könnte;
  • Verpflichtung von Herstellern, bei Vertragsabschluss Produktionsprobleme und Risiken in der Lieferkette offenzulegen.

Zum anderen will die SPD das Management von Lieferengpässen verbessern. Dazu werden als mögliche Maßnahmen u. a. vorgeschlagen

  • die verpflichtende Meldung erkannter und erwarteter Lieferengpässe vom Hersteller und Großhändler an das BfArM;
  • ein Verbot von Arzneimittelexporten im Fall eines Lieferengpasses, um ein Abfließen von Medikamenten im Rahmen des Parallelhandels zu verhindern;
  • schärfere Transparenzvorgaben zu Vertriebsstrukturen und Produktionsabläufen bei versorgungsrelevanten Arzneimitteln.

Auch die Unionsfraktion will in ihrem Papier die Meldepflichten deutlich verstärken und ggf. Exportverbote verhängen. Darüber hinaus soll eine Ausweitung der Vorhaltepflichten für bestimmte Arzneimittel geprüft werden, z. B. für Krankenhausapotheken von zwei auf vier Wochen. Auch die Hersteller könnten hierbei einbezogen werden, wobei die Frage der Finanzierung zu klären sei. Bei den Rabattverträgen hat die Union weitreichendere Vorschläge als die SPD: Denkbar sei, die Krankenkassen zu gemeinsamen regionalen Ausschreibungen zu verpflichten.

Was im SPD-Papier eher ein Rand­aspekt ist, nimmt im Unions-Papier rund ein Drittel der fünf Seiten ein: Vorschläge dazu, wie die Arzneimittelproduktion in der Europäischen Union gestärkt werden kann.

AOK und WidO verteidigen Rabattverträge

Auf wenig Gegenliebe schlagen die Vorschläge zu Veränderungen an den Rabattverträgen auf der Kassenseite. Dr. Christopher Hermann, Chef der AOK Baden-Württemberg, bezeichnete es bereits vor einigen Wochen als „Unfug“, dass die von ihm maßgeblich mitentwickelten Rabattverträge die Ursache von Lieferengpässen seien. Unterstützung bekam er nun vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO). In einer Pressemitteilung vom vergangenen Donnerstag wird darauf verwiesen, dass Anfang September 2019 99,3 Prozent der Arzneimittel, die zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet wurden, lieferbar gewesen seien. Unter den 9000 Arzneimitteln, für die es einen AOK-Rabattvertrag gibt, habe der Anteil der lieferbaren Präparate sogar bei 99,7 Prozent gelegen. Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des WIdO, sagt dazu: „Dennoch scheint das Gerücht von umfangreichen Lieferengpässen bei Arzneimitteln in Deutschland und von den dafür verantwortlichen Rabattverträgen durch ständiges Wiederholen die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die Fakten erzählen jedoch eine andere Geschichte.“ |

Das könnte Sie auch interessieren

AOK-Bundesverband wirft Apothekern und Pharmaindustrie „Desinformation“ vor

AOK: „Aufgebauschte Kampagne“ gegen Rabattverträge

Sind Rabattverträge für Lieferengpässe doch nicht verantwortlich?

WIdO-Vizechef verteidigt AOK-Studie

1 Kommentar

Apothekenalltag schreibt die Fakten - nicht ein Gutachten

von Dirk Krüger am 09.11.2019 um 12:11 Uhr

„Dennoch scheint das Gerücht von umfangreichen Lieferengpässen bei Arzneimitteln in Deutschland und von den dafür verantwortlichen Rabattverträgen durch ständiges Wiederholen die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die Fakten erzählen jedoch eine andere Geschichte.“

Die Fakten erzählen genau die Geschichte! Fakten erlebt man in der Realität in der Apotheke und nicht durch interessengeleitete Gutachten aus dem eigenen Haus. Herr Dr. Hermann, begeben Sie sich mal für einen Tag in die Niederungen des Apothekenalltags, da spielt die Musik ( die Fakten ! ) .

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.