Gesundheitspolitik

Apotheke muss verantwortlich bleiben

Kritische Apotheken-Großhandel-Kooperation

BERLIN (ks) | Bei einem Pharmahändler Arzneimittel bestellen und großzügige Rabatte erhalten? Das war Heilpraktikern möglich, die bei Hommel Pharma orderten. Der Großhändler und Logistiker kooperierte dafür mit Dr. Grautes Adler-­Apotheke. Nun hat die Aufsicht die Kooperation untersagt. Zu Recht, wie das Verwaltungsgericht (VG) Münster vorläufig in einem Eilverfahren entschieden hat. (VG Münster, Beschluss vom 11. Oktober 2019, Az.: 5 L 724/19)

Hommel Pharma und die Dr. Grautes Adler-Apotheke sind beide in Dülmen (Landkreis Coesfeld) ansässig und kooperieren bereits seit Jahren bei der Belieferung von Heilpraktikern mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln und Medizinprodukten sowie sonstigem Praxis- und Sprechstundenbedarf. Die Therapeuten können diese Ware zu besonderen Konditionen bei Hommel Pharma bestellen – ihre Verbände (FVDH, VDH) haben zu diesem Zweck Koopera­tionsverträge mit dem Pharmahändler geschlossen.

Einen Kooperationsvertrag gibt es auch zwischen Hommel Pharma und der Adler-Apotheke, deren Inhaber, Dr. Wolfgang Graute, übrigens bis vor Kurzem Mitglied des Vorstands der Apotheker­kammer Westfalen-Lippe war.

„Endkontrolle“ der Pakete in der Apotheke

Dieser Vertrag bestimmt folgendes: Der Adler-Apotheke obliegt es, im Rahmen der Abwicklung der vom Kooperationsvertrag erfassten Rechtsgeschäfte (lediglich), die ihr von Hommel Pharma übermittelten Bestellungen „auszuführen“ sowie die „Kontrolle der Richtigkeit der Aufträge und Sendungen“ und das „Verschließen der geprüften Sendungen“ vorzunehmen. Inhalt der Endkontrolle ist dabei allein, zu prüfen, ob die Anschriften auf dem Paket und dem vom Großhändler beigefügten Lieferschein übereinstimmen und der Paket­inhalt der Lieferschein-Auflistung entspricht. Auf der anderen Seite ist es nämlich Hommel Pharma, die sich vertraglich verpflichtet hat, die Bestellungen zu erfassen, alle erforderlichen Liefer- und Rechnungspapiere zu erstellen und die vollständig kommis­sionierten, versandfertigen Bestellungen an die Apotheke zu liefern. Im Auftrag von Hommel Pharma versendet die Apotheke dann die Arzneimittel; die Kosten für den Versand trägt Hommel Pharma.

Spätestens nach einer Inspektion der Apotheke war der zuständigen Aufsichtsbehörde klar: Dieser Kooperationsvertrag verstößt gegen Apotheken- und Arzneimittelrecht. Sie untersagte daher den Arzneimittelversand, so wie er in dem Vertrag geregelt ist. Die Behörde ordnete auch den Sofortvollzug ihrer Verfügung an, sodass die hiergegen gerichtete – bereits eingereichte – Klage des Apothekers keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Daher beantragte der Apotheker beim VG Münster im Eilverfahren die Wiederherstellung dieser aufschiebenden Wirkung – dann könnte der Kooperationsvertrag zumindest so lange weitergeführt werden, bis es eine rechtskräftige Gerichtsentscheidung in der Sache gibt.

Doch das VG Münster hat nun entschieden: Die Behörde hat den Sofortvollzug in diesem Punkt rechtmäßig angeordnet. Der Kooperationsvertrag verstößt nach der im Eilverfahren üblichen „summarischen Prüfung“ – die im vorliegenden Beschluss aber recht ausführlich ausfällt – gegen § 43 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelgesetz (AMG) in Verbindung mit § 7 und § 11a Apothekengesetz (ApoG).

Die Richter haben keine Zweifel: Wenn einer (Versand-)Apotheke bei einer Kooperation mit einem Großhandelsunternehmen nur die Aufgabe verbleibt, die pharma­zeutische Endkontrolle der zu versendenden Arzneimittel vorzunehmen, entspricht dies nicht den Anforderungen an die in § 7 ApoG vorgegebene selbstständige und eigenverantwortliche Leitung einer (Versand-)Apotheke. Der Gesetzgeber habe den Apotheken bewusst die Arzneimittelver­sorgung zur Aufgabe gemacht – er wollte, dass die allseitige Verantwortung für den Betrieb der Apotheke in einer Hand liegt.

Päckchenpacken darf nicht ausgelagert werden

Insbesondere läuft dem Gericht zuwider, dass die Arzneimittelpäckchen bei Hommel gepackt werden. Dabei handele es sich um eine vom Apothekenpersonal vorzunehmende pharmazeutische Tätigkeit, die nicht auf externe Unternehmen ausgelagert werden könne. Die Tätigkeit sei auch nicht von der Apothekenversandhandelserlaubnis (§ 11a ApoG) gedeckt. Zwar dürfe sich eine Versandapotheke für den Transport grundsätzlich der Dienste von Logistikunternehmen bedienen. Hier gehe die Beteiligung von Hommel aber weit darüber hinaus – es liege vielmehr „zumindest ein faktisches Mitbetreiben der Versandapotheke“ vor.

Weiterhin moniert das Gericht, dass die Bestimmungen des Kooperationsvertrags nicht sicherstellen, dass die Entscheidung, was mit retournierten Arzneimitteln geschieht, im Verantwortungsbereich der Apotheke liege. Das sei aber nach § 7 ApoG nötig. Auch hierfür ist nach dem Vertrag der Pharmahändler zuständig, obwohl § 11a ApoG insoweit keine Ausnahme für den Versandhandel vorsehe.

Aus Sicht der Verwaltungsrichter konnte die Behörde nur eine Entscheidung treffen: Die Untersagung der vertraglich vereinbarten Kooperation sei notwendig gewesen, „um die Beendigung des die rechtlichen Grenzen des § 43 Abs. 1 Satz 1 AMG in Verbindung mit §§ 7, 11a ApoG überschreitenden Geschäftsmodells sicherzustellen und gegebenenfalls durchzusetzen“. Ein milderes Mittel habe es nicht gegeben.

Sofortvollzug berechtigt

Dass die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit seiner Verfügung anordnete, ist für das Gericht in diesem Fall ebenfalls in Ordnung. Das in Rede stehende Vertriebs­modell sehe vor, dass sich der Apotheker „seiner alleinigen pharmazeutischen und wirtschaftlichen Verantwortung und damit seiner Kontrollfunktion in erheblichem Maße entledigt und sie einem Großhandelsbetrieb überlässt, dem das Gesetz nicht die Verantwortlichkeit eines Apothekers für die ordnungsgemäße Arzneimittel­versorgung der Bevölkerung zuschreibt“. Mag die hierdurch begründete Gefahr auch abstrakt sein – für das Gericht reicht sie, um ein sofortiges Einschreiten zu rechtfertigen. Zudem: Der Apo­theker verschaffe sich durch die – rechtswidrige – Auslagerung pharmazeutisch relevanter Tätigkeiten auf eine Großhändlerin „einen Wettbewerbsvorteil, der unter dem Aspekt der Vermeidung einer negativen Vorbildwirkung nicht hingenommen werden könne“.

Nun muss sich zeigen, wie die Klage im Hauptsacheverfahren entschieden wird. |

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