Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Dicke Bretter – Impfungen in Apotheken

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Minister Spahn ist politisch mit allen Wassern gewaschen. Seit einem Jahr steht nun in den einschlägigen Diskussionen die Idee im Raum, dass sich ausgewählte Menschen in Apotheken impfen lassen können. Jüngst sind die Beratungen über die Masernschutzimpfungen in den Bundestag gelangt und in diesem Zusammenhang hat auch die Frage der Impfungen in Apotheken neuerlich Fahrt aufgenommen. Hierbei geht es aber zunächst um Grippe-Impfungen, die pilotiert auch in Apotheken angeboten werden sollen.

Was gut an der Idee gefällt, ist die Offenheit, mit der der Minister an das Thema rangeht, denn er unterstellt damit im positiven Sinne, dass derlei Dienste in Apotheken von Apothekern vollzogen werden können. Würde einem solchen Unterfangen gesetzlich der Unterbau verschafft werden, wäre dies ggf. der Anfang von einer noch viel umfassender zu führenden Diskussion über weitere zu er­bringende Services und Dienst­leistungen in Apotheken.

Nun aber zu den Schattenseiten: Der Vorschlag kam auf, weil der Minister kein Versandhandelsverbot exekutieren wollte, vielleicht nicht ganz in dieser eindimensional anmutenden Kausalität, aber durchaus als Mogelpackung konfiguriert. Das eine will und kann ich nicht tun, also schlage ich euch etwas anderes vor. Gib dem Affen Zucker! Sollte dies am Widerstand der Ärzte scheitern müssen, dann soll es an mir nicht gelegen haben. So sehen Mogelpackungen aus.

Und die Öffnung in eine Richtung löst auch Begehrlichkeiten in die andere Richtung aus. Allzu schnell wäre man dann ggf. bei österreichischen Verhältnissen und ein gewisses Maß an Dispensierrecht an Ärzte vergeben. Dann würde aus der Mogelpackung nicht nur ein Nullsummenspiel, sondern eine Milchmädchenrechnung zulasten der Apotheker.

Nun heißt es also Vor- und Nachteile solch ministerieller Überlegungen abzuwägen. Sind Impfungen das Einfallstor für das Aufbohren des starren Leistungsverständnisses, das man im BMG gegenüber Apothekern hatte? Oder ist der politisch schlaue Fuchs Spahn schon einen Schritt weiter und macht das System insgesamt dadurch durchlässiger und dann lässt man mal etwas in die eine mal in die andere Richtung zu.

Und auch nicht vergessen darf man, ob dies alle Apothekerinnen und Apotheker leisten können und wollen. Würde sich die Apothekerschaft damit auch noch übernehmen, weil am Ende des Tages nur einige wenige tatsächlich impfen würden, wäre über die Dienstleistung Impfung das Thema Dienstleistung in Gänze verbrannt. Dass für die Umsetzung Schulungen vonnöten sind, Berufsordnungen angepasst werden müssen und räumliche Voraussetzungen geschaffen werden müssten, steht auch noch aus. Alles deutet darauf hin, dass eben keine Bagatelle ansteht, sondern ein signifikanter Eingriff in ein bestehendes System. In der „FAZ“ vom Dienstag war dementsprechend als eines der größten Probleme nachzulesen, was denn in Apotheken passiere, wenn bei einem Patienten eine Komplikation im Rahmen der Impfung eintreten würde.

Nun gilt es rasch ein Stimmungsbild einzuholen und seriöse Berechnungen anzustellen, was dies denn ökonomisch bringen dürfte. Zwar lohnt es sich, manchen Glaubenskrieg jenseits der Ökonomie zu führen, aber ohne deren Einbezug macht es auch keinen oder kaum Sinn.

Die Frage kommt zu einem Zeitpunkt, in dem der Glauben der Basis in die Standesvertretung schwächer wird, und zu einem Zeitpunkt, in dem die Standesvertretung gezwungen ist, viele weitreichende Entscheidungen richtig und zukunftstauglich zu treffen. Als außenstehender Beobachter gewinnt man den Eindruck, dass es nicht mehr darum geht, dass es dicke Bretter zu bohren gilt, sondern dass generell Unklarheit darüber besteht, welches Brett sich überhaupt zu bohren lohnt. In beiden Fällen bleiben es dicke Bretter. Die Gespräche mit Minister und Ministerium sollten demnach vor allem das Motiv für den Vorschlag sauber herausarbeiten. Denn kennt man das Motiv der anderen Seite, ist leichter zu verstehen und ein­zuordnen, welchen Nutzen man zurecht aus dem Vorschlag erwarten kann. Die Diskussion um Impfungen kann dazu genutzt werden eigene Ideen zu kreieren, was noch alles barrierefrei und kompetent in Apotheken zu manifestieren ist und welche Honorierung dafür angemessen wäre. Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die verfasste Apothekerschaft am Verbot des Versandhandels festhalten muss. Denn dies ist eine grundsätzliche, eine Strukturfrage. Bei der Frage der Impfungen geht es zunächst um eine budgetäre Ausgleichsfunktion. Es käme einem Kuhhandel gleich, wenn dies als Äquivalent seitens der Apotheker anerkannt würde. Denn ob die Kuh auf Dauer hinreichend Milch gibt, bleibt Spekulation, und ob dies flächendeckend angeboten werden kann auch. Wer dicke Bretter zu bohren hat, braucht gute Instrumente, wer aber als Lösung nur einen Hammer kennt, sieht in jedem Problem einen Nagel. |

 

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. 
E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

 

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