Gesundheitspolitik

Der Apotheken-Ökonom: Ehre, wem Ehre gebührt

Prof. Dr. Andreas Kaapke

Ein Ehrenamt zu übernehmen, ist eine wahrhaft ehrenwerte Sache. Gleichwohl findet es zunehmend seltener statt. Dabei wird oft missverstanden, dass ehrenamtliche Tätigkeiten nicht per se mit der Übernahme eines bedeutsamen Amtes gleichzusetzen sind. Ehrenamt hat viele Facetten. Es beginnt damit sich einzubringen, bei Versammlungen oder Aktionen dabei zu sein, seine Meinung kundzutun oder die Meinungen anderer zu kommentieren. Allein diese Art von ehrenamtlicher Tätigkeit ist schon eine große Hilfe für alle ­Organisationen, im Übrigen auch eine Wertschätzung den Mandatsträgern, aber auch dem Hauptamt gegenüber. Bei Apothekern beginnt dies bei Verbands- oder Kammerversammlungen, dort also, wo der Einzelne seinem Mitgliedsstatus Ausdruck verleihen kann.

Es ist beklemmend, wenn man den Anwesenheitsgrad gegenüber dem Organisationsgrad in vielen Verbänden und Kammern, Vereinen usw. inner- und außerhalb der Apothekerschaft anschaut und feststellt, wie wenig Resonanz ganz offensichtlich die jeweilige Versammlung hervorrufen kann.

Nicht ganz unschuldig sind dabei die vorgelegten Tagesordnungen und Verfahrensweisen, die mehr einem Abfackeln der üblichen Rituale entsprechen, als innovative Formate und Inhalte miteinander zu verknüpfen. Zweifelsfrei müssen Regularien beachtet und ein­gehalten werden. Wie diese bis­weilen aber zelebriert werden, hat mehr von Industrie- und Handelskammern der späten 50er-Jahre als von einem Thinktank. Auch nicht selten werden Nichtmandatsträger und „einfache Mitglieder“ zunächst zum Mitmachen und ­Mitdiskutieren eingeladen, dann aber – wenn dies geschehen ist – mit minutenlangen Monologen ­zugeschüttet. Vielfach wird beschworen, dass derjenige nicht alle Zusammenhänge kenne oder das ganze Ausmaß der bislang vorgenommenen Bemühungen nicht übersehen könne – wobei gerade das ja seinen Wortbeitrag wertvoll macht. Denn eine andere, weitere Sicht außerhalb des Regelkanons zu erhalten, kann zumindest er­frischend, mitunter erhellend sein. Die Meinungshoheit alleine dem Mandatsträger zu überlassen, ist falsch, zehn Personen wissen in der Regel mehr als eine.

Viel intensiver wird es, wenn man sich entscheiden sollte, selbst ein Amt zu übernehmen, denn dann lassen regelmäßige Sitzungen den Zeitaufwand exorbitant ansteigen. Bemerkenswerterweise kommt es nun nicht selten zu Ämterhäufungen, denn „wenn man das schon macht, kann man doch auch noch das machen …“. Bisweilen sind Ämter an die Wahrnehmung anderer Ämter gekoppelt, was dazu führt, dass sich immer wieder dieselben Personen in anderen Funktionen und Konstellationen treffen. Durch die sich daraus ergebende Mainstream-Meinung ist man sich der gemeinsamen Sache sehr sicher und sieht sich im Lichte der Mehrheit. Dabei würden die strukturellen Umstände eine kritischere Reflexion geboten erscheinen lassen. In manchen Branchen ist die Zahl der zu übernehmenden Ehrenämter auch überdurchschnittlich hoch. Das föderale Prinzip erfordert Bundes-, Landes- und ggf. noch Bezirksgremien. Der Verschleiß der Multi-Mandatsträger ist die logische Konsequenz. Sinnvolle Aufteilungen und kontrollierbare Begrenzungen von Ämtern könnten Lösungswege sein, aber auch die konsequente Streichung von Posten.

Wenn sich permanent wiederholende Rituale zum Schluss nur noch im Mandatsträgerkreis besprochen werden, hat sich das Ehrenamts­system von der Basis entkoppelt, schlimmstenfalls entfremdet. Besonders tragisch wäre dies in regulierten Märkten, in denen das Ehrenamt gemeinsam mit dem Hauptamt eine besonders bedeutsame Rolle spielt. Apotheken gehören ­explizit dazu. Neben sachlichen und zeitlichen Ämterlimitierungen in struktureller Hinsicht kann man nur jedem anraten, nicht zu resignieren, sondern im Gegenteil von seinem ehrenamtlichen Recht als Mitglied regen Gebrauch zu machen. Teilhabe ist in jedem Fall ­besser als Vogel-Strauß-Gebaren, das Schimpfen außerhalb des Systems reicht alleine nicht aus.

Das lenkt den Blick auf das „außersystemische Ehrenamt“. Dies gibt es und dies ist nicht immer wohlgelitten, es bleibt aber Engagement. Zu prüfen ist, was der Treiber von derlei Bemühungen ist. Geht es dabei um die Sache, ist ein derartiges Engagement zu begrüßen, geht es um Krawall und einfach nur um Gegenposition um der Gegenposition willen, ist dies zu bekämpfen. Aber nicht jede Kritik am Establishment ist Krawall. Die Empfindlichkeiten im Ehrenamt sind hoch, denn man macht dies doch für alle anderen mit.

Und das Hauptamt? Das sollte die Rolle spielen und zugebilligt bekommen, die ihm zusteht: eine prägende, vordergründige Rolle. Ehrenamt ist immer eine Neben- und nicht die Hauptsache. Wenn dies alle Beteiligten berücksichtigen würden, wäre schon viel erreicht. Gewählte Vertreter sind dies immer auf Zeit. Denn oft sind die anderen Ehrenamtsträger ohne bedeutsames Mandat den Mandatsträgern gegenüber hin- und hergerissen zwischen Verärgerung auf der einen Seite und Dankbarkeit auf der anderen Seite. Der kritische Diskurs in offener Atmosphäre würde die Dankbarkeit stützen, die Kritik aber mildern helfen. Dann wären womöglich auch die Versammlungen voller – eine betörende Vision! |
 

Andreas Kaapke ist Professor für Handelsmanagement und Handelsmarketing an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg, Standort Stuttgart, und Inhaber des Beratungsunternehmens Prof. Kaapke Projekte. E-Mail: a.kaapke@kaapke-projekte.de

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