Gesundheitspolitik

Kuschelsocken landen in Leipzig

Bundesverwaltungsgericht will über Verfassungsmäßigkeit der Rx-Preisbindung entscheiden

BERLIN (ks) | Ist die Inländerdiskriminierung, zu der das Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung vom 19. Oktober 2016 geführt hat, hinzunehmen, oder führt sie dazu, dass die Rx-Preisbindung für deutsche Apotheken nun verfassungswidrig ist? Mit dieser Frage will sich jetzt das Bundesverwaltungsgericht auseinandersetzen. (Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2018, BVerwG 3 B 40.17 und BVerwG 3 B 41.17)

Es geht um den sogenannten „Kuschelsocken“-Streit, der eigentlich schon beendet schien. Begonnen hatte es in den Jahren 2013 und 2014. Damals hatten zwei Apothekerinnen aus dem Kreis Coesfeld Gutscheine für eine Rolle Geschenkpapier bzw. ein Paar Kuschelsocken ausgegeben. Diese Gutscheine konnten Kunden „bei Abgabe eines Rezeptes“ einlösen.

Die zuständige Apothekerkammer Westfalen-Lippe sah darin einen Verstoß gegen die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel und untersagte den Apothekerinnen, solche Gutscheine abzugeben. Die Apothekerinnen wehrten sich und zogen vor Gericht. Dort blieben sie allerdings bislang in allen Instanzen erfolglos. Im September 2017 entschied das Oberverwaltungsgericht NRW – bereits unter dem Eindruck des Rx-Preisbindungs-Urteil des Europäischen Gerichtshofs –, dass es deutschen Apotheken auch nach dem EuGH-Urteil verboten ist, Kunden beim Erwerb preisgebundener Arzneimittel geldwerte Vorteile zu gewähren. Und darunter fielen auch Kuschelsocken und Geschenkpapier. Die Richter stellten fest, dass die deutschen Preisbindungsvorschriften sowohl verfassungsgemäß als auch europarechtskonform seien. Sie verstießen weder gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit noch gegen den Gleichheitssatz. Daran ändere auch die nach dem EuGH-Urteil bestehende Inländerdiskriminierung nichts. Dieser Wett­bewerbsvorteil für ausländische Versandapotheken habe sich nämlich „noch nicht gravierend zulasten inländischer Apotheken ausgewirkt“.

Erfolgreiche Nichtzulassungsbeschwerden

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ließ das Oberverwaltungsgericht nicht zu. Doch die Apothekerinnen legten Nichtzulassungsbeschwerden ein. Und diesen gab das Gericht in Leipzig nun statt. Zur Begründung heißt es, der Rechtssache komme die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung zu. „Das Revisionsverfahren wird dem Bundesverwaltungsgericht voraussichtlich Gelegenheit zur Klärung der Frage geben, ob die für inländische Apotheken geltende Preisbindung für Arzneimittel (§ 78 Abs. 1 und 2 AMG, § 3 AMPreisV) infolge des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Oktober 2016 – C-148/15 wegen ‚Inländerdiskriminierung‘ mit Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.“

BGH sieht noch kein verfassungsrechtliches Problem

Erst kürzlich hatte der Bundesgerichtshof in einem Fall der Prämien-Werbung einer Versandapotheke entschieden, dass die Entscheidung des EuGH keine direkte Bedeutung für rein innerstaatliche Sachverhalte habe. Die Ungleichbehandlung inländischer und ausländischer Versandapotheken beruhe auf sachlichen Gründen und den Vorwurf der Inländerdiskriminierung ließ man nicht gelten.

Man darf nun also gespannt sein, wie dies die Bundesverwaltungsrichter sehen. Werden die EU-Versandapotheken bis dahin den Wettbewerb so sehr zu ihren Gunsten verschoben haben, dass eine Verletzung der Berufsfreiheit und des Gleichbehandlungsgrundsatzes für inländische Apotheker anzunehmen ist? |

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