Gesundheitspolitik

Lunapharm-Chefin: Nichts falsch gemacht

POTSDAM (ks) | Ein Jahr nachdem ein Beitrag des ARD-Magazins Kontraste die „Lunapharm-Affäre“ auslöste, ist die Firmenchefin erstmals vor die Presse getreten.

Ein Jahr ist es her, dass das ARD-Magazin Kontraste erstmals über einen Arzneimittelskandal berichtete, der zur „Lunapharm-Affäre“ auswuchs: Eine griechische Apotheke soll in griechischen Kliniken gestohlene hochpreisige Arzneimittel, die überdies auf abenteuerliche Weise transportiert und gelagert wurden, weiterverkauft haben – unter anderem an den Brandenburger Pharmahändler Lunapharm. Dieser wiederum veräußerte die Arzneimittel an deutsche Apotheken und Großhändler. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen und hatte auch politische Konsequenzen.

Am vergangenen Donnerstag stellte sich Lunapharm-Geschäftsführerin Susanne Krautz-Zeitel erstmals bei einem Pressegespräch den Fragen von Journalisten. Warum erst jetzt? Das habe an der damaligen Beratungssituation gelegen, erklärte Klaus Kocks, der die Pressearbeit für Krautz-Zeitel übernommen hat. Man habe ihr in ihrer damaligen Beschuldigten-Stellung von ­solchen Gesprächen abgeraten. Nun sehe es aber anders aus.

Foto: AZ/ks
Lunapharm-Chefin Susanne Krautz-Zeitel ist sich keiner Schuld bewusst.

„Kein Patient wurde gefährdet“

Doch was hat die Geschäftsführerin des behördlich lahmgelegten Unternehmens nun zu sagen? Zunächst zitierte sie sich selbst, und zwar ihre Stellungnahme, die sie 2018 einen Tag nach der Ausstrahlung des Kontraste-Beitrags ab­gegeben hatte. Schon hier hatte sie sich von den Vorwürfen distanziert. Zwar habe es die Geschäftsbeziehung nach Griechenland gegeben – aber alles sei ganz regulär zugegangen. Im Februar 2017 habe das zuständige Landesamt Lunapharm informiert, dass die vor­gelegte Großhandelserlaubnis der griechischen Apotheke ungültig sei. „Seitdem haben wir von diesem Lieferanten keine Ware mehr bezogen“, so Krautz-Zeitel. Vom Vorwurf gestohlener Arzneimittel habe sie nichts gewusst – dafür habe sie den Behörden Kooperation bei der Aufklärung angeboten. Genauso sieht die Geschäftsfrau die Lage auch heute noch.

Sie sei gutgläubig gewesen, was die Handelsbefugnis ihres Geschäftspartners in Griechenland anging, räumt sie ein. Denn der formale Haken war aus ihrer Sicht das einzige Problem: Grie­chische Apotheken dürfen keinen Großhandel betreiben. Für die Geschäftsfrau ist das bis heute nicht verständlich: Jeder dürfe in Griechenland Arzneimittel in der Apotheke beziehen – warum nicht auch ein Pharmahändler wie Lunapharm? Krautz-Zeitel betonte immer wieder: Zu keinem Zeitpunkt seien Patienten gefährdet gewesen, alle von Lunapharm vertriebenen Arzneimittel seien von einwandfreier Qualität gewesen. Sie habe auch stets alle Regeln eingehalten und alle nötigen Papiere vorgelegt. Die Lawine, die vor einem Jahr über sie losgebrochen ist, sei ihr unerklärlich.

Ein „Behörden- und Medienskandal“

Für Kocks handelt es sich nicht um einen Arzneimittelskandal, sondern um einen „Behörden- und Medienskandal“ – im Fokus: ein kleines ostdeutsches Familienunternehmen mit einer Frau an der Spitze. Für ihn ist die ganze Geschichte eine „Räuberpistole“.

Beim Sender RBB, der „Kontraste“ produziert, hat man weiterhin eine andere Sicht auf die Dinge. Hier verweist man unter anderem auf Telefonprotokolle der griechischen Polizei, die zeigten, dass es auch nach März 2017 noch Geschäfts­beziehungen zwischen Lunapharm und der griechischen Apotheke gegeben habe. Doch Kocks hält diese Dokumente für nicht authentisch, sogar für Fälschungen. Bestätigt sieht er sich durch das kürzlich ergangene erstinstanzliche Urteil in einem presserechtlichen Streit mit Lunapharm: Der RBB wurde verurteilt, eine ganz Reihe seiner Aussagen nicht mehr zu tätigen, da es sich um unzulässige Verdachtsberichterstattung handele. Schadenersatz wurde Lunapharm allerdings nicht zugesprochen. Beide Seiten haben inzwischen gegen das Urteil Berufung eingelegt.

Doch Lunapharm hat noch mehr Gerichtsverfahren am Laufen: Vor dem Landgericht Köln klagt das Unternehmen gegen den Bundesgesundheitsminister. Das Ministerium hat bereits seine Webseite bereinigt und Äußerungen zu Lunapharm gelöscht. Seine Schadenersatzforderungen richtet Lunapharm aber vor allem an das Land Brandenburg. Eine Summe von 70 Millionen Euro steht im Raum. Für Krautz-Zeitel ist es schlicht unverantwortlich, dass man ein ganzes Unternehmen „an die Wand gefahren“ habe. Und so bleibt man überzeugt, stets ordnungsgemäß und ohne jeden Hauch von Kriminalität gehandelt zu haben. Allerdings in einem lukrativen Markt. Kocks nutzte diese Gelegenheit auch, um ein eigenes Projekt anzukündigen: Über die Causa Lunapharm werde nun ein Sachbuch geschrieben, aus dem sodann auch ein Drehbuch und ein TV-Feature werden soll. Man darf gespannt sein. |

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