Gesundheitspolitik

Das E-Rezept muss kein Turbo für die Versender sein

IQVIA: Lieferschnelligkeit der Versender und Apothekendichte beeinflussen Entwicklung

BERLIN (bro) | Die Arzneimittel-Versender erhoffen sich vom E-Rezept zweistellige Wachstumsquoten für den Rx-Versand. Aber was ist dran an diesen Hoffnungen? Ein Experte des Marktforschungsinstitutes IQVIA erklärte auf dem BVDVA-Kongress am vergangenen Donnerstag, dass die Einführung des E-Rezepts keineswegs automatisch zu höheren Versandhandels­anteilen führt – das zeigen Beispiele aus anderen Ländern.

Aktuell stagniert der Marktanteil der Versender im Rx-Bereich bei etwa einem Prozent. Doch die ausländischen Konzerne erhoffen sich ein großes Wachstum durch die digitale Verordnung. Gerade für die Zur-Rose-Tochter DocMorris sei daher eine „schnelle und flächendeckende“ Einführung des E-Rezeptes wichtig, sagte Zur-Rose-Chef Walter Oberhänsli auf dem Kongress des Bundesverbandes Deutscher Versandapotheken in Berlin.

Aber sind die Hoffnungen der Versender auch berechtigt? Frank Weißenfeldt vom Marktforschungsunternehmen IQVIA präsentierte auf dem BVDVA-Kongress dazu spannende Fakten. Man habe sich die Entwicklungen in anderen ­Ländern angeschaut, und auf den ersten Blick zeige sich, dass das ­E-Rezept keineswegs mit einem Umsatzsprung der Versender einhergehe. Denn: In Dänemark und den Niederlanden gibt es das E-Rezept bereits, der Versender-Anteil im Rx-Markt liegt dort laut IQVIA aber bei 1 Prozent.

Aber so einfach ist die Sache nicht. Denn auch in Schweden und der Schweiz gibt es digitale Verordnungen – und dort haben die Versender einen weitaus größeren Rx-Marktanteil (laut IQVIA 7 Prozent in Schweden und 12 Prozent in der Schweiz). Weißenfeldt und seine Kollegen haben sich dann die Frage gestellt: Welche Faktoren begünstigen den Rx-Versand außer dem E-Rezept? Dazu verglichen sie die Länder, in denen der Versandanteil trotz E-Rezept eher gering ist, mit den Ländern, in denen die Versender mehr Marktmacht haben.

Und insbesondere mit Blick auf Schweden und Dänemark haben sie Interessantes zu Papier gebracht. Denn auch die Apothekendichte scheint eine Rolle zu spielen: In Dänemark liegt die maximale Entfernung zur nächsten Apotheke bei 15 Kilometern, im Schnitt sind es sogar nur knapp vier Kilometer. In Schweden hingegen ist der Norden des Landes – auch nach der Aufgabe des Fremdbesitzverbotes vor einigen Jahren – weiterhin schlecht versorgt.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist laut IQVIA die Lieferzeit. In Dänemark beträgt die Lieferzeit von Arzneimitteln im Schnitt 24 Stunden. In Schweden gibt es insbesondere im Stockholmer Stadtgebiet und den umliegenden Städten die Möglichkeit, sich die Medikamente innerhalb von zwei Stunden kommen zu lassen. Gerade dort sei der Marktanteil der Versender hoch, so Weißenfeldt. Dass es innerhalb Schwedens große Unterschiede in der Marktmacht der Versender gibt, zeige der Vergleich zwischen Stockholm und der an der Westküste gelegenen Stadt Göteborg. In Stockholm gebe es große Lager der Versandhändler, zudem Flughäfen und einen großen Hafen. Hier könnten die Medikamente „sehr schnell an den Kunden“ ausgeliefert werden. In Göteborg hingegen gebe es keine größeren Lager der Versender – hier betrage die Lieferzeit im Schnitt 24 Stunden.

Zu der These, dass das E-Rezept den Rx-Versand begünstigen werde, zog der IQVIA-Experte schließlich ein gemischtes Fazit. Es gebe Faktoren, die dies begünstigen könnten, und Faktoren, die dagegen sprächen. Zu den begünstigenden Faktoren gehöre unter anderem, dass die Versender eine hohe Liefer- und Servicequalität anbieten müssten. Außerdem zeige sich, dass die Lager in der Nähe von Großstädten angesiedelt werden müssten. Auch „Versorgungslücken“ und sich daraus ergebende große Entfernungen der Kunden zur nächsten Apotheke könnten den Versand begünstigen.

Im Umkehrschluss kann laut IQVIA eine hohe Liefer- und Servicequalität der Vor-Ort-Apotheken diese Entwicklung ausbremsen. Und: je besser die Versorgungs­situation, desto unattraktiver der Versandhandel und das E-Rezept. Eine Rolle spielen auch eventuelle Lieferkosten bei den Versendern sowie die geografische Verteilung der Arzneimittel-Lager und das Kaufverhalten der Kunden.

IQVIA: OTC-Versand stagnierte zuletzt

Zeitgleich zur Präsentation auf dem BVDVA-Kongress veröffentlichte IQVIA neue Zahlen zur Entwicklung des Versandhandelsmarktes im Jahr 2018. Demnach wuchs der OTC-Umsatz „nur noch“ um 8 Prozent und der Absatz um 6 Prozent. In den Vorjahren waren jeweils zweistellige Wertzuwächse festzustellen. Die Vor-Ort-Apo­theken verbuchten allerdings nur einen Umsatzzuwachs von gut 3 Prozent, während die Menge sich um gerade einmal 1 Prozent erhöhte. Im ersten Quartal dieses Jahres verlief das Geschäft der Versender noch gedämpfter: Der OTC-Umsatz erhöhte sich laut IQVIA „nur noch“ um knapp 3 Prozent auf 503 Millionen Euro, versendet wurden knapp 45 Millionen Packungen“ (- 0,6 Prozent). |

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