Gesundheitspolitik

Zu Unrecht retaxiert: DAK muss an Apothekerin zahlen

Langer Rechtsstreit um die Abrechnung von Fertigspritzen findet ein Ende vor dem Bundessozialgericht

BERLIN (ks) | Es ist das Ende eines langen Rechtsstreits, in dem sich der lange Atem einer Apothekerin aus Küstriner Vorland (Brandenburg) ausgezahlt hat: Die DAK muss ihr wegen einer zu Unrecht erfolgten Retaxation mehr als 9000 Euro zuzüglich Zinsen seit 2012 zurückzahlen. Das hatte das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg bereits im Februar 2018 entschieden. Nun hat das Bundessozialgericht die Nichtzulassungsbeschwerde der DAK gegen dieses Urteil zurückgewiesen. (Beschluss des BSG vom 26. März 2019, Az.: B 3 KR 23/18 B)

Bis zum Schluss hatte die Krankenkasse ihre Rechnungskürzungen verteidigt. Es ging um die Vergütung von zehn Fertigspritzen­instillationssets, die die klagende Apothekerin in den Jahren 2009 und 2010 abgegeben hatte – ein Kinderarzt hatte Oxybutynin® 0,1% à 10 ml zur Injektion verordnet. Diese Sets hatte eine andere Apotheke hergestellt; sie waren nach damaligem Arzneimittelrecht als Rezepturarzneimittel bereits am 5. September 2005 in Verkehr gewesen. Am 26. August 2008 war für sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte ein Zulassungsantrag gestellt worden, der allerdings erst 2013 abschlägig beschieden wurde – die vorgelegten Unterlagen waren aus konzeptionellen Gründen als nicht geeignet eingestuft worden.

Lauertaxe listet Präparat als Rx-Arzneimittel mit PZN

Die Apothekerin vertrat die Auffassung, bei dem Präparat handele es sich um ein gelistetes verschreibungspflichtiges Fertigarzneimittel einer bestimmten Apotheke, die über die Herstellerlaubnis nach § 13 Arzneimittelgesetz (AMG) verfüge. Das Präparat könne ausschließlich über diesen Hersteller bezogen werden. Seit März 2007 sei das Fertigarzneimittel in der Lauer-Taxe als ordentliches Arzneimittel mit der offiziellen PZN 01915747 und dem Status verschreibungspflichtig gelistet. Die Kasse entgegnete, das Arzneimittel sei nicht zugelassen – damit sei es auch nicht vom GKV-Leistungskatalog erfasst und werde nicht bezahlt. Sie verwies dazu auf den Arzneilieferungsvertrag (ALV) zwischen dem Deutschen Apothekerverband (DAV) und dem Verband der Angestelltenkranken­kassen sowie dem Rahmenvertrag nach § 129 SGB V.

Doch gerade mit Verweis auf den ALV entschied das Landessozialgericht – wie schon die Vorinstanz –, dass die Retaxierung nicht hätte erfolgen dürfen. In allen Fällen hätten ordnungsgemäße ärztliche Verordnungen entsprechend dem ALV vorgelegen.

Vorinstanzen: Verordnungsausschluss nicht erkennbar

Zum Zeitpunkt der Belieferung seien die Fertigspritzen in der großen deutschen Spezialitätentaxe (Lauer-Taxe) unstreitig nicht als „nichtabgabefähiges“ Produkt gekennzeichnet gewesen. Für die Apothekerin sei der von der DAK angenommene Verordnungsausschluss daher nicht zu erkennen gewesen. Im Übrigen sei auch ansonsten kein Pflichtenverstoß gegen das Arzneimittelgesetz oder gegen weitere Vorschriften des Apothekenbetriebsrechtes ersichtlich gewesen.

Bundessozialgericht: Kein Grund zur Revision

Da das Landessozialgericht die Revision nicht zugelassen hatte, legte die Krankenkasse Nichtzulassungsbeschwerde ein. Doch diese hat das Bundessozialgericht Ende März zurückgewiesen. Die Beschwerde sei unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht ordnungsgemäß dargetan wurden. Eine Revision ist nämlich nur aus ganz bestimmten gesetzlich vorgegebenen Gründen möglich: Die Rechtssache muss grundsätzliche Bedeutung haben oder es muss eine Abweichung von der Rechtsprechung oder ein Verfahrensmangel vorliegen.

Nichts davon sah das Bundes­sozial­gericht genügend dargetan. Zwar hatte die Kasse, die aus ihrer Sicht relevante Rechtsfrage formuliert – nämlich: Ist die Krankenkasse berechtigt, die Abrechnung der Vergütung einer Apotheke für die Abgabe eines Arzneimittels, dessen Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nicht in einem Zulassungsverfahren festgestellt worden sind und das sich lediglich aufgrund einer arzneimittelrechtlichen Übergangsregelung im Verkehr befindet, in voller Höhe zu retaxieren?

Aber dann? Formfehler! Die Kasse habe den Sachverhalt nur unzureichend dargestellt, sodass es der Revisionsinstanz nicht möglich gewesen sei, die Entscheidungs­erheblichkeit der Frage abschließend zu beurteilen. Auch eine Rechtsprechungsabweichung habe die Kasse nicht aufgezeigt.

Es kann vollstreckt werden

Nun muss die Kasse 9254,30 Euro zuzüglich der mittlerweile erklecklichen Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. März 2012 zahlen – und überdies die Kosten des gesamten Rechtsstreits. Die Apothekerin hat mit dem rechtskräftig gewordenen Urteil einen Vollstreckungstitel in der Hand, gegen den sich die Kasse nicht mehr wird wehren können. |

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