Gesundheitspolitik

Smarter Versender

Europa Apotheek darf HIV-Patienten umwerben

BERLIN (ks) | Die niederländische Europa Apotheek umwirbt gezielt HIV-Patienten. Vor einem knappen Jahr warb sie in einem Berliner Schwulen-Magazin für ihr „Smart HIV“-Programm. Der Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) sieht darin einen Verstoß gegen das Heilmittelwerberecht und beantragte beim Landgericht Berlin erfolgreich eine Einstweilige Verfügung. Nun hat das Kammergericht diese wieder aufgehoben. (Urteil vom 29.01.2019, Az.: 5 U 108/18)

Die Europa Apotheek bietet für verschiedene chronische Erkrankungen ihre sogenannte Smart+Thera­piebegleitung an – auch für HIV. In einer im April 2018 geschalteten Anzeige für dieses Programm hieß es: „Wir begleiten Sie in Ihrer Therapie: Immer ein persönlicher Ansprechpartner, immer Ihre Medikation im Überblick, immer eine Antwort auf Ihre Fragen.“ Auch der Hinweis auf den Sofort-Bonus der Europa Apotheek – bis zu 30 Euro pro Rezept – fehlte nicht.

Der VSW mahnte den Versender ab, weil er meinte, es handele sich um eine unzulässige Werbung für ein Verfahren, das zur Linderung der HIV-Infektion führt. Das angebotene Beratungsprogramm sei nämlich als Verfahren im Sinne des § 12 Abs. 2 Heilmittelwerbegesetz (HWG) anzusehen. Demnach ist es verboten, außerhalb der Fachkreise für Verfahren oder Behandlungen zu werben, wenn sich diese Werbung auf die Erkennung, Verhütung, Beseitigung oder Linderung bestimmter in einer Anlage aufgeführter Krankheiten oder Leiden bezieht. Das sind unter anderem nach dem Infektionsschutzgesetz meldepflichtige Krankheiten oder durch meldepflichtige Krankheitserreger verursachte Infektionen.

Da der Versender der Abmahnung nicht folgte, beantragte der VSW beim Landgericht Berlin eine Einstweilige Verfügung – und bekam sie. Der Versender legte daraufhin Widerspruch ein. Doch das Land­gericht bestätigte seine erste Entscheidung: Die Werbung verstoße gegen § 12 Abs. 2 HWG, denn nach § 7 Infektionsschutzgesetz sei bei HIV der direkte oder indirekte Nachweis zu melden. Daraus er­gebe sich, dass § 12 Abs. 2 HWG auch für HIV-Infektionen gelte.

Die Europa Apotheek legte erneut Rechtsmittel ein – und hatte damit vor dem Kammergericht Berlin Erfolg. Dieses entschied, dass die beanstandete Werbung gar nicht unter das Heilmittelwerbegesetz falle. Zudem werbe der Versender nicht für ein Verfahren im Sinne des § 12 Abs. 2 HWG, das sich auf die Linderung einer Krankheit beziehe. Es hob daher die Einst­weilige Verfügung auf.

Im Urteil legt das Gericht zunächst dar, dass das HWG allein für produktbezogene Werbung, nicht aber für allgemeine Firmenwerbung gelte. Da hier Leistungen versprochen würden, die ohnehin zu den Auf­gaben eines Apothekers gehörten (z. B. Beratung) – wenn auch in einer besonderen Qualität – sei kein Produktbezug anzunehmen.

Zudem gehe es in der Werbung um kein konkretes Produkt, das man als „Verfahren oder Behandlung“ i. S. d. HWG bezeichnen könnte. Es gehe vielmehr um einen „Service“. Und darunter sei im vorliegenden Zusammenhang der Dienst am Kunden bzw. ein besonderes Be­mühen um Kundenzufriedenheit zu verstehen. |

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