Arzneimittel und Therapie

Geringeres Krebsrisiko unter Warfarin

Norwegische Kohortenstudie legt protektive Wirkung von Antikoagulans nahe

Der Vitamin-K-Antagonist Warfarin könnte nicht nur hinsichtlich thrombotischer Ereignisse präventiv wirken. Eine große Kohortenstudie untersuchte die Inzidenzen verschiedener Tumore in der norwegischen Bevölkerung. Im Vergleich zur Kontroll-Gruppe war eine Warfarin-Behandlung mit einem geringeren Risiko für Tumorerkrankungen assoziiert.

Die Wirkung von Warfarin (Coumadin®) als Antikoagulans ist hinreichend bekannt. Warfarin wird seit Jahrzehnten in Europa und insbesondere in den USA zur Vorbeugung und Therapie thromboembolischer Erkrankungen eingesetzt. Eine potenzielle Anti-Tumorwirkung von Warfarin wurde bereits mehrfach in experimentellen Modellsystemen gezeigt. Zu einem möglichen Zusammenhang zwischen einer Warfarin-Behandlung und der Entstehung von Krebs existieren jedoch kontroverse Daten.

Eine Forschergruppe um Professor Lorens von der Universität Bergen in Norwegen hat nun die Krebsinzidenz bei älteren Patienten mit und ohne Warfarin-Therapie in einer groß angelegten bevölkerungsbasierten Kohortenstudie untersucht. Im Rahmen der Beobachtungsstudie haben die Forscher verschiedene nationale Datenbanken Norwegens analysiert. Dazu wurden all diejenigen Personen im Alter von 52 bis 82 Jahren in die Studie eingeschlossen, die zwischen 2006 bis 2012 in Norwegen wohnten. Sämtliche Krebsdiagnosen in diesem Zeitraum wurden in Korrelation zu einer Warfarin-Behandlung gesetzt. Von den insgesamt ca. 1,25 Millionen älteren Norwegern wurden ca. 93.000 Personen (7,4%) der Warfarin-Gruppe zugeordnet und mit den restlichen Personen verglichen. In der Warfarin-Gruppe wurden nur Personen berücksichtigt, die Warfarin über einen Zeitraum von mindestens 6 Monaten verschrieben bekommen hatten und bei denen die Erstverordnung mindestens zwei Jahre vor einer Krebsdiagnose lag. Insgesamt traten während der durchschnittlichen Beobachtungs­dauer von rund sechs Jahren bei 10,6% der Personen in der Kontroll-Gruppe und bei 9,4% in der Warfarin-Gruppe Tumorerkrankungen auf. Von allen diagnostizierten Tumorarten waren Prostata-, Lungen-, Darm- und Brustkrebs am häufigsten.

Foto: Gina Sanders – stock.adobe.com
Warfarin könnte die Tumorentstehung verhindern.

Krebsinzidenz geringer

Das insgesamt kalkulierte Risiko, an Krebs zu erkranken, war in der Warfarin-Gruppe mit einem adjustierten Inzidenzratenverhältnis von 0,84 (95%-KI 0,82 bis 0,86) signifikant geringer als in der Kontroll-Gruppe. Es zeigte sich ein signifikant niedrigeres Risiko, an Prostata-, Lungen- oder Brustkrebs zu erkranken. Im Fall von Darmkrebs wurde kein signifikanter Unterschied gefunden. Ein geringeres Darmkrebsrisiko konnte jedoch für eine Untergruppe nachgewiesen werden, die Warfarin aufgrund von Vorhofflimmern bzw. Vorhofflattern verordnet bekommen hatte. In dieser Untergruppe war die insgesamt niedrigere Krebsinzidenz besonders deutlich ausgeprägt.

Kein Kausalzusammenhang

Die Studie hat allerdings mehrere Einschränkungen: Insbesondere wurden in der Studie lediglich Assoziationen und keine Kausalzusammenhänge nachgewiesen. Unterschiede zwischen den Gruppen in nicht näher untersuchten Risikofaktoren wie Alkoholkonsum und Lebererkrankungen könnten zu den beobachteten Assoziationen beigetragen haben. Des Weiteren konnten beispielsweise Verordnungen von Warfarin erst seit 2004 erfasst werden. Warfarin-Verordnungen in Krankenhäusern oder Pflegeheimen waren in den verwendeten Datenbanken gar nicht enthalten. Dadurch könnten einige Individuen fälschlicherweise der Kontroll-Gruppe zugeordnet worden sein. Ebenso wurden keine Angaben zu Begleit­medikationen erfasst, die ebenfalls zur Entstehung von Tumoren hätten beitragen können (z. B. Statine, β-Blocker und ACE-Inhibitoren).

Ergebnisse stützen Hypothese

Die Ergebnisse der Studie unterstützen die Hypothese, dass eine Behandlung mit Warfarin einen protektiven Effekt bei der Entstehung von Krebs haben könnte. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um die potenzielle Anti-Tumorwirkung von Warfarin zu bestätigen und den zugrunde liegenden Mechanismus aufzuklären. Auch ist fraglich, ob Phenprocoumon einen ähnlichen Effekt haben könnte. |

Quelle

Haaland GS et al. Association of warfarin use with lower overall cancer incidence among patients older than 50 years. JAMA Internal Medicine 2017;177(12):1774-1780

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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