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„Flexibles Rx-Versandverbot ist der einzig sichere Weg“

Symposium zum Einfluss Europas auf die nationalen Gesundheitssysteme

BERLIN (ks) | Die Gesundheitsversorgung zu harmonisieren, ist in den EU-Verträgen nicht vorgesehen. Die Mitgliedstaaten regeln diesen Politikbereich grundsätzlich selbst. Dennoch nimmt der Einfluss aus Europa zu. Die Apotheker bekommen dies etwa durch das Urteil des Europä­ischen Gerichtshofs zur Rx-Preisbindung zu spüren. Der Jurist Dr. Heinz-Uwe Dettling bleibt überzeugt: Diese Entscheidung fiel aufgrund einer „völlig falschen Vorstellungsbasis“.

Wie viel Europa verträgt unser Gesundheitswesen? Mit dieser Frage befasste sich ein Symposion der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen (GRPG) am 23. Februar in Berlin. Die Einflüsse Europas kommen aus verschiedenen Ebenen: Beispielsweise hat die EU-Kommission kürzlich eine Verordnung für eine gemeinsame Nutzenbewertung von Arzneimitteln vorgeschlagen. Prof. Dr. Volker Ulrich, Gesundheitsökonom von der Universität Bayreuth, sieht darin einen möglicherweise zukunftsträch­tigen Weg. Während die Arzneimittelzulassung in der EU schon weitgehend einheitlich erfolge, fielen die Nutzen­bewertungen in einzelnen Mitgliedstaaten oft sehr unterschiedlich aus. „Da ist Harmonisierung gewünscht“. Aber: „Deutschland muss aufpassen, dass es kein Rückschritt wird“.

Doch auch die Rechtsprechung wirkt auf die nationalen Gesundheitssysteme. Vor allem das Urteil des EuGH aus dem Oktober 2016 sorgt bis heute für Unverständnis bei Apothekern. Rechtsanwalt Dettling hat sich als Co-Autor eines wettbewerbsökonomischen Gutachtens im Auftrag der Noweda und des Deutschen Apotheker Verlags bereits umfassend mit seinen Folgen befasst. Er ist überzeugt: Der EuGH hat seiner Entscheidung falsche Annahmen zugrunde gelegt und zu weit in die Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen. Er glaubte, so Dettling, die Versorgung in der Fläche werde für die Apotheken interessant, wenn sie dort höhere Preise verlangen könnten. Dies sei jedoch unzutreffend. Stichworte sind etwa der Kontrahierungszwang und das Sachleistungsprinzip. Dettling ist nach wie vor überzeugt, dass Preiswettbewerb und Versandhandel die Apotheken vor Ort, gerade in ländlichen Regionen, verdrängen werden. Für ihn ist daher das Rx-Versandverbot der einzig sichere Weg, um die flächendeckende Versorgung zu erhalten. Es müsse jedoch flexibel sein, nicht so fix, wie es der zuletzt gescheiterte Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministers vorsah. Ausnahmen für besondere Fälle müsse es geben – etwa für den Impfstoffversand an Ärzte. Ein „flexibles Verbot“, so Dettling, werde auch verfassungs- und europarechtlich Bestand haben. |

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