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Bis zu sieben Jahre weniger Lebenszeit

Gehalt und sozioökonomischer Status bestimmen Lebenserwartung

In Deutschland liegt die durchschnittliche Lebenserwartung bei 81 Jahren, Tendenz steigend. Vom Trend profitieren nicht alle Bevöl­kerungsgruppen. Menschen mit geringem Einkommen und niedrigem sozioökonomischem Status sterben früher. Das müsste nicht sein.
Foto: Jürgen Fälchle – stock.adobe.com

Unterschiede in der Entwicklung unserer Lebenserwartung gibt es nicht nur zwischen der Nord- und der Südhalbkugel. Statistiker vom Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung haben errechnet, dass beispielsweise ein im wohlhabenden Starnberg (Bayern) zur Welt gekommener Junge statistisch gesehen acht Jahre älter wird als ein männlicher Neugeborener aus Pirmasens in Rheinland-Pfalz [1]. Alle Zahlen beziehen sich auf den Geburtsjahrgang 2017.

Einflussfaktoren Einkommen und Bildung

Um dies zu erklären, identifizierten Forscher mehrere Einflussfaktoren, etwa die Bildungssituation oder den Sozialstatus. Dazu zählen die Arbeits-, Familien- und Wohnsituation. Menschen mit mittlerem oder höherem Schulabschluss, einem erfüllenden Beruf und Freunden sowie Familie werden seltener krank und leben länger. Geringe Bildung, wenig Geld und letztlich ein niedriger sozioökonomischer Status führen genau zum Gegenteil.

Je weniger finanzielle Mittel einer Person zur Verfügung stehen, desto größer ist laut der Studie auch ihr subjektiv erlebter Stress, der diverse körperliche und psychische Krankheiten auslösen kann. Menschen mit niedrigem Sozialstatus rauchen auch häufiger, bewegen sich weniger und leiden öfter an Übergewicht.

Wohlhabende leben immer länger

Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) versuchten ebenfalls, den Sachverhalt zu quantifizieren [2]. Sie haben Daten der gesetzlichen Rentenversicherung ausgewertet und Probanden anhand ihrer ökonomischen Situation in Gruppen eingeteilt. Bei westdeutschen Männern der Geburtsjahrgänge 1926 bis 1928 im Alter von 65 Jahren unterschied sich die Lebenserwartung zwischen dem obersten und dem untersten Zehntel um vier Jahre. In der Geburtsjahrgangskohorte 1947 bis 1949 betrug der Unterschied sogar sieben Jahre. Die Forscher führen dies vor allem auf eine starke Zunahme der Lebenserwartung im einkommens- und rentenstarken oberen Bereich zurück. Bei Geringverdienern habe sich dagegen wenig getan.

Anschließend erweiterten sie ihre Analyse auf das (vom früheren Einkommen des verstorbenen Partners abhängige) Haushaltseinkommen von Witwen und teilten sie anhand ihres Budgets in fünf Gruppen ein. Darauf verglichen sie auch hier die Lebenserwartung: Frauen im untersten Fünftel lebten 2,5 Jahre weniger als ihre Geschlechtsgenossinnen im obersten Fünftel (Geburtsjahrgänge 1926 bis 1928). Der Unterschied vergrößerte sich bei den Jahrgängen 1947 bis 1949 auf vier Jahre.

Mehr Teilhabe, mehr Geld

Die beiden Forscherteams kamen zu vergleichbaren Ergebnissen – am Phänomen lässt sich also kaum rütteln. Dennoch wird es schwierig sein, Lösungen durchzusetzen. Mindestlöhne und Mindestrenten sind ein erster Ansatz. Darüber hinaus müssten die Arbeitsbedingungen so geändert werden, dass Beschäftigte – meist sind nach wie vor Frauen betroffen – auf lange Elternzeiten verzichten. Zudem wäre es Aufgabe einer neuen Bundesregierung, Minijobs und befristete Arbeitsverhältnisse einzudämmen. Und nicht zuletzt bleibt als Herausforderung, ein soziales Umfeld zu schaffen, das niemanden von Bildung oder Teilhabe am sozialen Leben ausschließt. |

Quellen

[1] Sabine Sütterlin. Hohes Alter, aber nicht für alle – Wie sich die soziale Spaltung auf die Lebenserwartung auswirkt. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2017; http://t1p.de/cc59

[2] Peter Haan et al. The Rising Longevity Gap by Lifetime Earnings – Distributional Implications for the Pension System. Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, 2017; http://t1p.de/1wem

Michael van den Heuvel

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