Prisma

Hoffnung für ALS-Patienten

Niedrig dosiertes Pimozid stabilisiert Funktion von Motoneuronen

cae | Das 50 Jahre alte hochpotente Antipsychotikum Pimozid (Orap®) ist zwar noch zur Behandlung der Schizophrenie zugelassen, gilt aber aufgrund seines hohen kardiovaskulären Risikos als obsolet. In Zukunft könnte es mit einer neuen Indikation eine zweite Arzneimittelkarriere machen: zur Therapie der amyotrophen Lateralsklerose (ALS).

Patienten mit ALS leiden unter Lähmun­gen infolge der gestörten Reizweiterleitung von motorischen Nervenzellen (Motoneuronen), die durch Ablagerungen von Proteinen in den Zellen verursacht werden. Dabei nimmt die Krankheit individuell einen sehr unterschiedlichen, nicht vorhersehbaren Verlauf. Derzeit können ALS-Patienten nur symptomatisch ­behandelt werden. Um Gelder für die Forschung einzuwerben, fand im Jahr 2014 während acht Wochen eine me­dienwirksame „Eiskübel-Kampagne“ statt, bei der sich Personen Eiswasser über den Kopf gossen und zu Spenden aufriefen, was 115 Millionen Dollar einbrachte und nun erste Früchte trägt.

Foto: picture alliance / dpa
Die Eiskübel-Kampagne bescherte der ALS-Forschung viel Geld. Nun zeigt sich der erste Nutzen.

Vor fünf Jahren hatten Neurowissenschaftler der Universität Montreal über erste, erfolgversprechende ALS-Versuche an dem primitiven Fadenwurm Caenorhabditis elegans berichtet. Sie verwendeten einen gentechnisch veränderten (gv) Modellorganismus mit eingebauten Varianten der Gene TARDBP und FUS, die in den ­Motoneuronen von ALS-Patienten das TAR-DNA-bindende Protein 43 (TDP-43) und das RNA-bindende Protein FUS (fused in sarcoma) synthetisieren. Während gesunde Würmer sich ständig im Wasser bewegen, werden diese gv-Würmer nach etwa fünf Stunden starr. An Tausenden dieser gv-Würmer haben die Kanadier in kurzer Zeit 3850 bekannte Wirkstoffe getestet; 24 Substanzen – darunter zahlreiche Antipsychotika – bewirkten, dass sich die gv-Würmer länger bewegen konnten. Darauf testeten die Kanadier diese Substanzen in gv-Zebrafischen mit ALS-typischen Varianten der Gene SOD1 (codiert die Superoxiddismutase 1) und FUS. Hierbei schnitt Pimozid eindeutig am besten ab.

Während Pimozid seine antipsychotische Wirkung über die Blockade des D2 -Rezeptors in Neuronen entfaltet, beruht seine Anti-ALS-Wirkung auf der Blockade von spannungsabhängigen Calciumkanälen des T-Typs.

Eine kanadische Pilotstudie mit 25 Probanden ergab u. a., dass die therapeutische Dosis für ALS-Patienten viel niedriger anzusetzen ist als bei Schizophrenen (hier bis 12 mg/d), sodass auch weniger Nebenwirkungen zu erwarten sind. Darauf begann im Oktober 2017 ebenfalls in Kanada eine Placebo-kontrollierte Phase-II-Studie, in der die 50 Patienten der Verum-Gruppe sechs Monate lang zweimal täglich 2 mg Pimozid erhalten. |

Quellen

Patten SA. Neuroleptics as therapeutic compounds stabilizing neuromuscular transmission in amyotrophic lateral sclerosis. JCI Insight 2017;2(22):e97152

Kuehn BM. Simple Models and Ice Bucket Challenge Fuel Progress in ALS Treatment. J Am Med Assoc; Epub 24.1.2018

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