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Was für ein Jahr ...

Ein Jahr des Wartens

Der Rückblick in 12 Momentaufnahmen

eda |  Wer glaubte, 2018 würden sich die dringenden Fragen der Apotheker im Hinblick auf den Versandhandelskonflikt oder das Honorar sehr bald ­klären, wurde enttäuscht. Die Große Koalition setzte das Rx-Versandverbot zwar auf ihre politische Agenda, doch der neue Gesundheitsminister hatte andere Prioritäten und kam ohne konkrete Pläne zum Apothekertag nach München. In der Folge wurde fieberhaft nach Alternativkonzepten gesucht. Waren die letzten Wochen des Jahres etwa die entscheidenden? Wurden auf der Mitglieder­versammlung der ABDA am 11. Dezember die Weichen für die Zukunft des Berufsstandes gestellt? Fest steht, die Apotheker mussten 2018 die meiste Zeit warten und fühlten sich von der Politik oftmals sitzengelassen.

Blickt man darauf, was kurz vor Ende des Jahres 2017 geschah, konnte man erahnen, womit sich die Apotheker im neuen Jahr 2018 zu beschäftigen hatten. Am 21. Dezember 2017 stellte das ­Bundeswirtschaftsministerium das lange erwartete Gutachten zur Apothekenhonorierung ohne Ankündigung ins Internet. Wochen zuvor kursierten bereits einige Vorabversionen und es bewahrheitete sich: Die Gutachter empfehlen massive Änderungen der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), die eine durchschnittliche Apotheke mit 40.000 Euro pro Jahr belasten würden. Mit dem neuen Jahr kamen dann auch die ersten Reaktionen auf die Veröffentlichung auf.

Doch auch abgesehen von der Honorardebatte waren die Apotheker ein Gesprächsthema in den Bundesländern und im politischen Berlin. Das Rx-Versandverbot im Koalitionsvertrag sorgte für viel Wirbel und wurde aus allen Himmelsrichtungen torperdiert. Jens Spahn, der neue Bundesgesundheitsminister, sieht sich als „Macher“ und stellte zwei Referentenentwürfe vor. Endgültig klären will er Fragen nach Rabatten und Skonti (TSGV) und Arzneimittelskandale wie „Valsartan“, „Bottrop“ und „Lunapharm“ in Zukunft verhindern. Gegen weiße Flecken auf der Landkarte beginnen immer mehr Apothekerverbände und -kammern digitale Rezeptsammelstellen einzurichten. Für mehr Bürokratie und so manchen Ärger sorgte ab Jahresmitte die DSGVO.

Januar

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Auf eine detaillierte Kommentierung des Honorargutachtens verzichtete die ABDA, nicht nur unmittelbar nach der Veröffentlichung, sondern das ganze Jahr über. Beim Pharmacon-Kongress in Schladming versuchten einige Apotheker die oberste Standesvertretung zur Rede zu stellen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt und ­BAK-Präsident Andreas Kiefer wurden heftig kritisiert. Schmidt wehrte sich: „Dieser Text, der jetzt vorliegt, darf keine Grundlage für eine echte politische Auseinandersetzung werden, weil er dafür ungeeignet ist.“ Seiner Ansicht nach enthält das Gutachten viele falsche Prämissen, die unweigerlich zu falschen Schlussfolgerungen führen. Aus diesem Grund weigere sich die ABDA auch, inhaltliche Details dieses Textes öffentlich zu diskutieren: „Das Gutachten gehört in die Schublade und nicht in die konkrete Politik.“ Kassen und Politik ließen sich davon nicht beeindrucken, selbst der Wirtschaftsausschuss des Bundestags beschäftigte sich mit dem Papier.

Februar

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Die Bewohner von Heusweiler-Kutzhof und Neidlingen sollten bundesweit die ersten sein, die von digitalen Rezeptsammelstellen profitieren. Fast zeitgleich fielen in den beiden Gemeinden, die eine im Saarland und die andere in Baden-Württemberg, die Startschüsse für zwei aufsehenerregende Pilotprojekte. Mit den digitalen Rezeptsammlern kann die Verordnung vom Arzt in Papierform nun über ein Terminal eingescannt und an die Apotheke geschickt werden. Ein Bote liefert die benötigten Arzneimittel dann aus. Doch einige Wochen nach der Inbetriebnahme zeigte sich: Im Saarland hatte es technische Probleme mit dem neuen Gerät gegeben – wegen kalter Temperaturen. In Baden-Württemberg lagen die Nutzungszahlen leicht unter den Zahlen der zuvor installierten analogen Sammelstelle. Doch die Apothekerverbände und Abrechnungsdienstleister ließen sich davon nicht beeindrucken: Bis Dezember gingen deutschlandweit fünf Geräte ans Netz – zuletzt in Rheinland-Pfalz.

März

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Während die einen bereits die Hoffnung aufgegeben hatten, dass sich nach der Bundestagswahl im September 2017 noch eine regierungswillige Koalition findet, waren die anderen positiv überrascht, dass sich Union und SPD im letzten Moment noch auf ein Rx-Versandverbot einigen konnten und es in den Koalitionsvertrag schrieben. Doch dann sorgte eine Personalie im Bundeskabinett für reichlich Wirbel unter den Apothekern: Kanzlerin Merkel ernennt ihren Widersacher und größten Kritiker Jens Spahn zum neuen Bundesgesundheitsminister. Der 38-jährige Nordrhein-Westfale war zwischen 2009 und 2015 gesundheitspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Bundestag. 2015 wurde er Staatssekretär im Finanzministerium und widmete sich anderen Themen. 2006 soll er gemeinsam mit dem heutigen DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller die Beratungsagentur Politas gegründet haben. Für eine Deregulierung des Apothekenmarktes setzte er sich jedoch nie ein.

April

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Anfang Januar startete in Berlin ein Gerichtsprozess, auf den die gesamte Apothekenbranche seit Jahren gewartet hatte: Dem ehemaligen ABDA-Pressesprecher Thomas Bellartz wird vorgeworfen, im Zeitraum von 2009 bis 2012 mit vertraulichen Daten aus dem Bundesgesundheitsministerium gehandelt zu haben. Es soll um Gesetzentwürfe und interne E-Mails gegangen sein. Bellartz soll die Informationen dafür genutzt haben, der ABDA im politischen Meinungsbildungsprozess einen Informationsvorsprung zu verschaffen. Aber auch das Branchenportal Apotheke Adhoc, dessen Heraus­geber er ist, soll von den Informationen profitiert haben. Die Verteidigung ist überzeugt, dass sich ihr Mandant nicht strafbar gemacht hat. Im April tritt mit Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz der erste hauptamtliche ABDA-Vertreter in den Zeugenstand. Zuvor sagte schon Ex-Präsident Heinz-Günther Wolf aus. 2018 wurde an 32 Tagen verhandelt. Ein Ende des Verfahrens ist noch ungewiss.

Mai

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Stichtag 25. Mai: Die EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und das neue Bundes­datenschutzgesetz treten in Kraft. Mit der neuen DSGVO, die unmittelbar in allen EU-Mitgliedstaaten gilt, ersetzt der europäische Gesetzgeber seine aus dem Jahr 1995 stammende EU-Datenschutzrichtlinie. Ziel der Verordnung ist eine angemessene Balance zwischen Wirtschafts- und Verbraucherinteressen in Zeiten fortschreitender Digitalisierung. Die EU will nun mit der DSGVO dafür sorgen, dass Personen, deren Daten verarbeitet werden, in allen Mitgliedstaaten einen gleichwertigen Schutz genießen. Und so sorgte das neue Datenschutzrecht im Vorfeld auch in vielen Apotheken für Verunsicherung. Deutschland hatte zwar schon ein recht scharfes Datenschutzgesetz, dennoch gab es einige Neuerungen zu beachten. Unter anderem informierten die Landesapothekerkammern, was Neues auf die Betriebe zukommt. So stellten sie und die ABDA Muster für verschiedene Erklärungen bereit.

Juni

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Gegen das im Koalitionsvertrag vereinbarte Rx-Versandverbot wird immer wieder protestiert. Selbst der Koalitionspartner SPD ist nicht wirklich überzeugt davon. Kritik kommt auch erwartungs­gemäß vom GKV-Spitzenverband, der Monopolkommission oder dem Verbraucherzentrale Bundesverband. Und dann geht es auch um die bilateralen Beziehungen zu den EU-Mitgliedstaaten. Die Niederlande beschwerten sich auf mehreren Ebenen bei der Bundesregierung über das im Koalitionsvertrag vorgesehene Verbot. Sowohl Außenminister Heiko Maas als auch der deutsche Botschafter in Den Haag mussten sich für das Rx-Versandverbot rechtfertigen. Worum es ging, lässt sich aus der Begründung des im niederländischen Parlament beschlossenen Antrags erkennen. So heißt es, dass das Verbot niederländische Unternehmen betreffen würde. Ohne konkrete Firmen zu nennen, ist die Rede von 1100 Arbeitsplätzen und einem Branchenumsatz von 350 Millionen Euro (2016).

Juli

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Dieser Rückruf geht in die Geschichte ein. Durch einen Wechsel im Herstellungsprozess gelang das als wahrscheinlich krebserregend geltende N-Nitrosodimethylamin in unzählige generische Valsartan-Präparate. Schnell war klar, dass der Verursacher ein chinesischer Wirkstoffhersteller sein muss. Doch auch weitere Fabriken in Fernost stehen unter Verdacht. Nach Schätzungen sollen bis zu 900.000 Patienten bundesweit betroffen sein und Lieferengpässe sind bis tief ins nächste Jahr möglich. Eine Diskussion in der Fachwelt und Politik entbrennt über die Zulassungsregeln in der EU und den Kostendruck im Generikamarkt. Eine politische Konsequenz aus dem Skandal: Jens Spahns Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV) sieht vor, dass die Bundesoberbehörde verpflichtet wird, auch Namen und Anschrift des Wirkstoffherstellers zu veröffentlichen. Zudem soll es einen Anspruch der Krankenkassen gegen den pharmazeutischen Unternehmer geben.

August

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Ein weiterer Arzneimittelskandal erschütterte 2018 die Republik und führte bereits zu empfindlichen Konsequenzen. Zum Teil hochpreisige Arzneimittel sollen in Griechenland gestohlen und illegal nach Deutschland importiert worden sein. Im Zentrum des sehr undurchsichtigen Zwischenhändler-Netzwerkes steht die Firma Lunapharm. Das zuständige Gesundheitsministerium in Brandenburg setzt eine Taskforce zur Aufklärung ein. Das erschütternde Ergebnis: Im Ministerium selbst und unterstellten Aufsichtsbehörden existierten große Mängel in kommunikativen Abläufen und der Organisation. So hätte Lunapharm nach Auffassung der Experten spätestens im März 2017 die Herstellungserlaubnis entzogen werden müssen. Brandenburgs Gesundheitsministerin Diana Golze (Linke) sah sich zahlreichen Vorwürfen ausgesetzt. Die Opposition forderte den Rücktritt Golzes. Ende August gab die Ministerin bekannt, aufgrund der Lunapharm-Affäre ihr Amt niederzulegen.

September

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Mehr als zehn Jahre ist es her, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach einem Risikobewertungsverfahren für schöllkrauthaltige Arzneimittel zur innerlichen Anwendung eine Anordnung getroffen hat: Demnach sollten die Fach- und Gebrauchsinformationen für Iberogast® im Hinblick auf mögliche ­leberschädigende Wirkungen geändert werden. Doch der damalige Hersteller Steigerwald ging gegen den Bescheid vor, so dass dieser nicht wirksam wurde und der Bayer-Konzern verteidigte sein 2013 übernommenes Produkt. Im April schloss das BfArM ein entsprechendes Stufenplanverfahren ab. Neue Nebenwirkungsmeldungen von Leberschädigungen wurden der Behörde bekannt. Im Juli wurde ein zweiter Fall von Leberversagen mit Todesfall bekannt. Der öffentliche und politische Druck gegen Bayer wurde immer größer. Am 12. September gab das BfArM bekannt, dass Bayer die Änderungen der Produktinformationen für Iberogast umsetzt.

Oktober

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Er ist wohl Deutschlands bekanntester Whistleblower: Der Kaufmann Martin Porwoll erstattete Anzeige gegen seinen früheren Chef Peter S. – und wurde nach der Verhaftung des Apothekers gekündigt. Rund zwei Jahre später hat er nun eine neue Arbeit bei einer Krankenkasse gefunden. „Wir freuen uns sehr, Herrn Porwoll seit dem 15. Oktober als Projektleiter Versorgungssteuerung an Bord zu haben“, bestätigte ein Sprecher der BKK VBU. In mehr als 14.000 Fällen hatte der Bottroper Zyto-Apotheker Peter S. Krebsmittel erheblich unterdosiert – und die Versichertengemeinschaft um geschätzt gut 17 Millionen Euro betrogen, urteilte das Landgericht Essen im Juli. Peter S. wurde zu zwölf Jahren Haft und lebenslangem Berufsverbot verurteilt. Die Richter machten sein „einwandfreies Vorleben“, mangelnde Aufsicht sowie mediale Vorverurteilung strafmildernd geltend. Welche Patienten genau geschädigt wurden, lässt sich im Nachhinein jedoch nicht mehr feststellen.

November

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332 eingeleitete Ermittlungs­verfahren wegen Mordverdacht und schließlich Mord in rund 100 Fällen, so lautete die Anklage der Staats­anwaltschaft Oldenburg gegen Pfleger Niels H. im Januar 2018. Die sogenannten Pflegemorde haben unter anderem die politische Folge, dass der Landtag beschließt, in allen niedersächsischen Krankenhäusern ab 2022 Stationsapotheker zu beschäftigen, die die Arzneimittelausgabe regeln und Auffälligkeiten frühzeitig bemerken sollen. Die Krankenhausgesellschaft protestiert dagegen. Als sich der Bundesrat im November mit dem Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) aus dem Gesundheitsministerium beschäftigt, spricht er sich unter anderem dafür aus, die gesetzliche Verankerung von Stationsapothekern zu prüfen. Die Bundesregierung hält dagegen, dass der Einsatz von Stationsapothekern bereits nach geltendem Recht möglich sei und daher kein weiterer Bedarf an bundesgesetzlichen Regelungen bestehe.

Dezember

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War es Ende 2017 das Honorargutachten aus dem Wirtschafts­ministerium, sind es 2018 die Apotheken-Pläne des Gesundheitsministers: Bei der ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember wurde das wohl gehütete Geheimnis kurz vor Jahresende endlich gelüftet. Ein Rx-Versandverbot will Jens Spahn nicht, dafür soll es einen Boni-Deckel von 2,50 Euro geben, der nur für ausländische Versender gilt. Außerdem sollen die Apotheker über eine Verdoppelung der Notdienstpauschale und neue Dienstleistungs­honorare mehr Geld bekommen. Der Coup: Spahn will den Marktanteil der EU-Versender auf 5 Prozent beschränken. Das sorgt für Irritationen und Kritik aus der Fraktion und Apothekerschaft. Zustimmung kommt von der SPD und den Grünen. ABDA-Präsident Friedemann Schmidt meint, darin einen Ausweg aus der Honorar-Sackgasse zu erkennen. Nun sollen sich die Kammern und Verbände ihre Meinung bilden. Im Sommer will Spahn die Gesetzgebung abschließen.

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