Apothekertage

Deutscher Apothekertag

Der herausragende Programmpunkt des Deutschen Apothekertages vom 10. bis 12. Oktober in München war die Rede von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bei der Eröffnung. Im Gegensatz zu den Erwartungen bot er keine Antwort auf das EuGH-Urteil, sondern kündigte Gespräche mit den Apothekern und eine gesetzliche Regelung in etwa einem halben Jahr an. Zum Credo des Apothekertages wurde die Gleichpreisigkeit von Rx-Arzneimitteln. Doch blieb unklar, ob und inwieweit andere Instrumente als das Rx-Versandverbot die Gleichpreisigkeit gewährleisten könnten.

Foto: DAZ/Alex Schelbert

Lagebericht der ABDA. Mit einer rhetorisch brillanten Rede brachte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt die Delegierten hinter sich und verdeutlichte zugleich dem Gesundheitsminister die gesellschaftlichen Grundlagen für die berufspolitischen Anliegen der Apotheker. Schmidt erklärte, die Arzneimittelversorgung müsse auf den „primären Werten“ Ordnung, Verantwortung, Vertrauen und Recht aufbauen, aber der unbeschränkte Waren- und Kapitalverkehr führe zu Problemen. Die Apotheker seien für Veränderungen aufgeschlossen, bräuchten aber die Gewissheit, dass diese nicht zu einem Totalverlust führen. Die Daseinsvorsorge sollte umfassend gelten. Übergeordnete Strukturen sollten nicht ausgedünnt werden. Außerdem forderte Schmidt einheitliche Sicherheitsanforderungen in der Arznei­mittelversorgung und erklärte, die Apotheker seien „genervt“ von unsachgemäßen Reformvorschlägen: „Wir brauchen keine ökonomistische Klugscheißerei, sondern klare und verlässliche Rahmenbedingungen.“

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Rede von Gesundheitsminister Spahn. Der Minister stellte keine Reaktion auf das EuGH-Urteil vor, sondern kündigte an, sechs Monate lang über ein neues Gesetz zu diskutieren. Ausgehend von den Problemen um Valsartan und Lunapharm wolle er neue Regeln zur Arzneimittelsicherheit. Dazu gehöre auch Liefersicherheit. Spahn wolle die Digitalisierung mit dem E-Rezept und dem elektronischen Medikationsplan schnell voranbringen. Er bekannte sich zum Apotheker als Freiberufler und versicherte: „Kein Fremd- und Mehrbesitz, solange ich Gesundheitsminister bin!“ Spahn beschrieb das Apotheken-A als „ein Stück Heimat“ und kritisierte die ungleichen Bedingungen im Wettbewerb mit ausländischen Versendern. Das Rx-Versandverbot werde er sich ansehen, aber er versprach nichts, sondern deutete nur mögliche Neuerungen an, beispielsweise Vergütungen für AMTS- und Präventionsangebote und das Impfen in Apotheken. Außerdem müsse über das 2HM-Gutachten gesprochen werden und der PTA-Beruf solle überarbeitet werden. Spahn nahm sich Zeit für eine ausführliche Diskussion, zeigte sich aufgeschlossen, machte aber auch dabei keine Zusagen für gesetz­geberische Maßnahmen.

Geschäftsbericht der ABDA. ABDA-Hauptgeschäftsführer Dr. Sebastian Schmitz berichtete über das Securpharm-Projekt, die Öffentlichkeitsarbeit der ABDA, ihr Engagement auf europäischer Ebene und den Lernzielkatalog für das Pharmaziestudium. Die Beziehungen zu den Krankenkassen erschienen auf den ersten Blick „miserabel“, doch auf den klassischen Verhandlungsfeldern gehe es langsam, aber stetig voran. Schmitz verteidigte das Schweigen der ABDA zum 2HM-Gutachten. Die ABDA habe das Gutachten analysiert und die Fehler kommuniziert, aber nicht öffentlich. Als Agenda der ABDA für das nächste Jahr nannte Schmitz die Gleichpreisigkeit bei Rx-Arzneimitteln und eine sinnvolle Digitalisierung, die persönliche Beratung unterstützt. Die auf Individuen ausgerichtete Arbeit der Apotheken könne nur über ein Pauschalhonorar finanziert werden. Anschließend wurde diskutiert, ob ein „Plan B“ zum Rx-Versandverbot nötig sei. Das Schweigen der ABDA dazu und zum 2HM-Gutachten wurden kritisiert.

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Themenforum zur Gesundheitskompetenz. Ausgehend von Erkenntnissen der Versorgungsforschung und Erfahrungen aus der Patientenberatung wurden die Herausforderungen für Patienten durch die zunehmende Informationsflut, neue digitale Angebote und immer komplexere Therapien deutlich. Ob neue digitale Angebote nützlich sind, hängt von der digitalen Kompetenz des Patienten ab. In der Diskussion zeigte sich, dass Apotheken für die individuell angemessene Wissensvermittlung sorgen und dabei jeweils geeignete digitale Instrumente auswählen können.

Eröffnung der Expopharm. Angesichts der Skandale um Valsartan und Lunapharm forderte Fritz Becker, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes: „Arzneimittel dürfen nicht länger zur reinen Handelsware deklariert werden!“ Die Handelswege seien oft verschlungen. Darum müsse die Importquote abgeschafft werden. Qualitätskontrollen müssten die globale Produktion berücksichtigen. Die Arzneimittelskandale standen auch bei den Grußwortrednern im Mittelpunkt. Alle Redner betonten die gute Zusammenarbeit mit den Apotheken.

Resolution. In einer einstimmig verabschiedeten Resolution wurde die Bundesregierung aufgefordert, mit allen erforderlichen Maßnahmen sicherzustellen, dass die Versorgung mit qualitativ gesicherten Arzneimitteln gewährleistet ist.

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Anträge. Die folgenden (hier stark verkürzt dargestellten) Anträge wurden von der Hauptversammlung angenommen:

  • Zur Sicherstellung der Arznei­mittelversorgung sollen Produk­tionsstandorte in Europa gestärkt werden.
  • Die Reinheit der Wirkstoffe und die Qualität bei der Herstellung von Fertigarzneimitteln sollen sichergestellt werden.
  • Die Synthesen der Wirk- und Hilfsstoffe von Fertigarzneimitteln sowie die Syntheseorte sollen transparent gemacht werden.
  • Die Zuständigkeiten und Informationswege bei Arzneimittelrisiken sollen überprüft und weiterentwickelt werden.
  • Die Verpflichtung zur Abgabe von Importarzneimitteln nach § 129 Abs. 1 Ziff. 2 SGB V soll gestrichen werden.
  • Der EU-weite Binnenhandel mit Arzneimitteln soll eingeschränkt werden, um ein Einfallstor für Fälschungen zu schließen und Lieferengpässe zu vermeiden.
  • Es sollen geeignete und wirksame Maßnahmen ergriffen werden, um Lieferengpässe zu bekämpfen und Versorgungsengpässe zu verhindern.
  • Bei der Umsetzung von Rabatt­verträgen sollen Lieferengpässe vermieden werden.
  • Bei Lieferengpässen für Notfall­depots sollen Chargen ausländischer Arzneimittel für den Import frei­gegeben werden.
  • Die flächendeckende Versorgung über den vollversorgenden Großhandel soll ohne selektive Versorgungswege sichergestellt werden.
  • Hersteller von Trockensäften sollen verpflichtet werden, den Packungen geeignete Dosierspritzen und unmissverständliche Zubereitungs­hilfen beizulegen.
  • Der einheitliche Apothekenabgabepreis soll durch Reduzierung des Versandhandels auf das europarechtlich gebotene Maß gewähr­leistet werden (Rx-Versandverbot). Damit soll der Koalitionsvertrag um­gesetzt werden.
  • Es soll schnellstmöglich eine Arbeitsgruppe mit externen Fachleuten eingesetzt werden, die den Geschäftsführenden ABDA-Vorstand zu weiteren Maßnahmen zum Erhalt der Gleichpreisigkeit berät.
  • Zuweisungen an ausländische Versandapotheken sollen verboten werden.
  • Patienten sollen ärztlich verordnete Hilfsmittel auch künftig unmittelbar persönlich von wohnortnahen Leistungserbringern erhalten können.
  • Die Zuzahlung für Hilfsmittel soll abgeschafft oder so gestaltet werden, dass alle Leistungserbringer eine wettbewerbsrechtlich durchsetzbare Einzugsverpflichtung haben.
  • Die Kostenvoranschläge für Hilfsmittel sollen kostenfrei über eine einheitliche Schnittstelle an die Krankenkassen übermittelt werden können.
  • Die „Länderliste“ für den Arznei­mittelversand aus dem Ausland soll aktualisiert werden. Dabei soll überprüft werden, ob die Versender tatsächlich den Standards der Herkunftsländer genügen.
  • Die positiven Effekte der Apothekenpflicht sollen in der EU berücksichtigt werden. Bestrebungen zur Einschränkung oder Abschaffung der Apothekenpflicht soll eine Absage erteilt werden.
  • Auch bei Privatverordnungen sollen wirkstoffgleiche Arzneimittel substituiert werden dürfen, sofern der Arzt dies nicht ausdrücklich aus­geschlossen hat.
  • Apotheken sollen in allen EU-Mitgliedstaaten lückenlos überwacht werden, sodass keine rechtsfreien Räume für Sonderformen von Apotheken entstehen.
  • Patienten mit Polymedikation sollen einen Rechtsanspruch auf AMTS-Maßnahmen erhalten, die in der Apotheke unabhängig von der Arzneimittelabgabe stattfinden können. Dazu sollen auch eine sektorübergreifende Versorgung und die dauerhafte Therapiebegleitung gehören.
  • Die Apotheker sollen in die Einführung des elektronischen Medikationsplans eingebunden und für die Leistungen zum Medikationsplan angemessen honoriert werden.
  • Für abrechnungsfähige Dienst­leistungen in Apotheken soll eine sichere Rechtsgrundlage geschaffen werden.
  • Die Erfahrungen aus Modellprojekten zu kognitiven pharmazeutischen Leistungen sollen in den honorierten sozialrechtlichen Leistungskatalog implementiert werden.
  • Das Rezeptur- und Defekturprivileg soll gestärkt werden. Dazu soll in § 21 Abs. 2 Ziff. 1 AMG klargestellt werden, dass jede in § 4 Abs. 14 AMG aufgeführte Verarbeitung einen „wesentlichen Herstellungsschritt“ darstellt.
  • Für definierte Patientengruppen soll ein Entlassmanagement durch Apotheker im Krankenhaus vorgeschrieben werden. Für die Bearbeitung von Entlassrezepten in öffentlichen Apotheken soll eine Gebühr fest­gelegt werden.
  • Die Apotheken sollen als dritte Säule der Notfallversorgung gestärkt werden.
  • Die Forschung zur Verbesserung der Gesundheitskompetenz soll gefördert werden.
  • Die Apotheken sollen für die Prävention genutzt und für diese Leistungen honoriert werden.
  • Die Einführung der Telematikinfrastruktur in Apotheken soll beschleunigt werden.
  • Für das E-Rezept und für elektronische Prüfungen zur AMTS soll ein verbindlicher Zeitplan festgelegt werden.
  • Das E-Rezept soll stufenweise eingeführt werden. Dafür soll zunächst ein Modell mit Ärzten, Rechenzentren und Softwarehäusern entwickelt und dies in einem weiteren Schritt in die Telematikinfrastruktur in­tegriert werden.
  • E-Rezepte sollen kein handelbares Gut werden. Für ihre Vermittlung dürfen keine Vergütungen gezahlt werden.
  • E-Rezept, AMTS und Arzneimitteldokumentation sollen miteinander verknüpft werden. Das E-Rezept soll nicht allein als Transportprozess betrachtet werden.
  • Das E-Rezept und elektronische Prüfungen zur AMTS sollen so definiert werden, dass alle Bürger und nicht nur GKV-Versicherte diese nutzen können.
  • Bei der Konzeption des E-Rezepts soll ein obligatorischer Kommunikationskanal zum Austausch heilberuflicher Informationen zwischen Arzt und Apotheker vorgesehen werden.
  • Die ABDA-Datenbank soll so ausgebaut werden, dass sie stets den fachlichen Standard setzt. Die Entwicklung digitaler Tools zur patientenorientierten Beratung soll unterstützt werden.
  • Das Potenzial moderner Technologien wie Künstlicher Intelligenz soll hinsichtlich der Nutzung in Apotheken geprüft werden.
  • Nutzanwendungen für die Telematikinfrastruktur sollen gemeinsam mit anderen Heilberufen geschaffen werden.
  • Die freien Heilberufe sollen gestärkt werden, um der Ökonomisierung des Gesundheitswesens entgegenzutreten.
  • Der soziale Frieden soll durch die Sicherstellung einer unabhängigen Gesundheitsversorgung mit freien Heilberuflern gewährleistet werden.
  • Der GKV-Spitzenverband soll seine Positionen zur „Neuordnung der Apothekenstrukturen und -vergütung“ revidieren.
  • Für die Dokumentation zu Arzneimitteln gemäß dem Transfusions­gesetz soll auch die Gebühr wie für BtM- und T-Rezepte erhoben werden können.
  • Krankenkassen sollen Taxprüfungen nur mit eigenem weisungs­gebundenem Personal durchführen dürfen.
  • Der Aufwand für die Umsetzung der Datenschutz-Grundverordnung soll auf ein sinnvolles und notwendiges Maß begrenzt werden.
  • Das Berufsbild der PTA soll reformiert werden. Das Ziel soll ein zukunftsweisender, fachlich qualifizierter Ausbildungsgang sein. Die Ausbildung soll kostenfrei sein.
  • Die Apotheker sollen sich für die Umsetzung eines zukunftsorientierten Berufsbildes der PKA einsetzen.
  • Der Apothekernachwuchs – auch der berufspolitische Nachwuchs – soll stärker gefördert werden. Anregungen dazu sollen zwischen den Kammern und Verbänden ausgetauscht werden.
  • Jedes pharmazeutische Prüfungsfach soll an jedem pharmazeutischen Hochschulstandort mindestens mit einer W3-Professur und einem ausreichenden akademischen Mittelbau vertreten sein.
  • Es soll ein Datenpanel mit betriebswirtschaftlichen Daten der Apotheken generiert werden, um in der Politik mit validen Daten argumentieren zu können.
  • Die folgenden Anträge wurden in Ausschüsse verwiesen:
  • Die EG-GDP-Leitlinie soll beim Vertrieb konsequent eingehalten werden, auch hinsichtlich der Temperaturkontrolle.
  • Die ABDA soll das Ausmaß von Lieferengpässen und den daraus resultierenden Aufwand in einem Projekt evaluieren.
  • Ärzte sollen die Auslieferung von Arzneimitteln durch einen pharmazeutischen Botendienst verordnen können.
  • Das Stellen und Verblistern von Arzneimitteln sollen patientenindividuell verordnet und abgerechnet werden können.
  • Unter der Leitung der Bundesapothekerkammer soll ein Zentralregister aller Apotheker geführt werden, um die Ausgabe der elektronischen Heilberufeausweise zu unterstützen.
  • Die Chancen und Risiken der Telepharmazie sollen in einem Projekt evaluiert werden.
  • Weitere Maßnahmen, die zu zusätzlichem Einfluss externer Kapital­geber im Gesundheitswesen führen, sollen unterbunden werden.

Weitere Anträge wurden übergangen, zurückgezogen oder abgelehnt. (AZ 42 und DAZ 42, S. 56) |

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