Arzneimittel und Therapie

„Supplementation ist keine Therapie“

Ein Gastkommentar zu Missverständnissen bei Osteoporose

Dr. Friederike Thomasius, Koordinatorin der Leitlinienkommission des Dachverbandes deutschsprachiger Osteologen

Die Publikation von Bolland et al. in „Lancet Diabetes Endocrinology“ sorgt für Verunsicherung unter Ärzten und Patienten bezüglich der Not­wendigkeit einer Vitamin-D-Supplementation bei Osteoporose. Dabei ist die Sachlage der Daten vor und nach der Publikation dieselbe: Vitamin D alleine gegeben senkt das Frakturrisiko nicht. Schon gar nicht, wenn keine Vitamin-D-Mangelsituation vorliegt, und auch nicht, wenn nicht für eine adäquate tägliche Calcium-Zufuhr von ca. 1000 mg über die Ernährung (ggf. ergänzt durch Supplemente) gesorgt wird.

Ausreichende Zufuhr ...

In der Leitlinie des Dachverbandes deutschsprachiger Osteologen (DVO) zur Diagnostik und Therapie der Osteoporose bei postmenopausalen Frauen und Männern (Aktualisierung 2017) ist aus diesem Grunde auch festgehalten: „Die Zufuhr einer ausreichenden Menge an Calcium und Vitamin D sollte sichergestellt werden. Hierbei wird eine Zufuhr von 1000 mg/Tag Calcium und 800 IE/Tag Vitamin D mit der Ernährung empfohlen. Supplemente sollten eingenommen werden, wenn diese Menge nicht sicher erreicht werden kann. Die isolierte Zufuhr von Vitamin D wird nicht empfohlen“. Dabei war zum Zeitpunkt der Leitlinienaktualisierung die Studie von Bolland noch gar nicht publiziert.

Warum also diese Verunsicherung? Das Problem liegt nicht in den Daten an sich, sondern in der Perzeption der Daten. Noch immer herrscht in den Köpfen der Gedanke vor, dass eine Calcium- und Vitamin-D-Supplementation einer Osteoporosetherapie entspricht. Das ist aber nicht der Fall, auch wenn Vitamin-D-Mangel und Calcium-Mangel an sich moderate, modifizierbare Frakturrisikofaktoren darstellen. Lediglich in der sehr alten, institutionalisierten Bevölkerungsgruppe der Heimbewohner kann eine Calcium- und Vitamin-D-Supplementation zu einer Senkung des Frakturrisikos für periphere Frakturen, insbesondere proximale Femurfrakturen, führen. Die Studie, die dies belegt, war aber zum Beispiel von der Metaanalyse von Bolland et al. ausgeschlossen worden.

... als Voraussetzung für erfolgreiche medikamentöse Therapie

Was sich aber ebenfalls nicht verändert hat, ist die Datenlage bezüglich der Versorgungssituation von Vitamin D bei Patienten mit und ohne Osteoporose. So liegt bei über 50% der Erwachsenen ein suboptimaler Vitamin-D-Spiegel bzw. ein Vit­amin-D-Mangel vor, bei Patienten mit Osteoporose und hier vor allem den Patienten mit Fraktur in bis zu 95% der Fälle. Hier ist die Supplementation mit Vitamin D obligat zur Gewährleistung einer suffizienten Knochenmineralisierung und Grundvoraussetzung für eine weiterführende, spezifische Osteoporosetherapie. Eine ausgeglichene Knochenmineralisierung stellt die Voraussetzung insbesondere für eine erfolgreiche Bisphosphonat-Therapie dar, hier zeigt die Studien­evidenz, dass 25-OH-Vitamin-D-Spiegel > 33 ng/ml benötigt werden, um die beste Fraktursenkung unter Therapie erzielen zu können. Ein Vit­amin-D-Spiegel < 33 ng/ml führte in den Studien zu einer geringeren Fraktursenkung unter spezi­fischer Therapie, ein einfach zu ändernder Tatbestand durch Supplementation von Vitamin D.

Kombination mit Calcium

Gleichfalls ist die notwendige Versorgung mit > 1000 mg Calcium täglich essenziell für eine erfolg­reiche, das Frakturrisiko senkende spezifische Osteoporosetherapie. Denn nur die Kombination einer guten Calcium-Aufnahme in Ver­bindung mit einer Vitamin-D-Supplementa­tion führt zu dem gewünschten Erfolg der primären und zunehmenden sekundären Knochenmineralisierung unter spezifischer Osteoporosetherapie. Diese wichtigen Aspekte des Kapitels Vit­amin-D-Supplemen­tation werden durch die zitierte Arbeit von Bolland et al. nicht ab­gedeckt. Diese hat nur eines erneut gezeigt: Vitamin D alleine verhindert keine Frakturen. Das aber ist nicht neu.

Quelle

Bolland MJ et al. Effects of vitamin D supplementation on musculoskeletal health: a systematic review, meta-analysis, and trial sequential analysis, Lancet Diabetes Endocrinol 2018;6(11):847-858

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