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Recht

Krank im Ausland – und nun?

Welche Kosten erstattet die gesetzliche Krankenversicherung?

Passieren kann es jedem und überall. Niemand ist davor gefeit, während einer Geschäftsreise oder während des lang ersehnten Urlaubs krank zu werden. Wenig erfreulich ist es auch, wenn im Urlaub ein wichtiges Medikament verloren geht, die mitgenommene Menge nicht ausreicht oder die verschreibungspflichtigen Tabletten gleich ganz zu Hause vergessen wurden. So unschön diese Situation ist, innerhalb von Deutschland sind die nächsten Schritte klar. Aber was ist bei Erkrankungen während eines vorübergehenden Auslandsaufenthalts zu beachten? | Von Juliane Seidel

Eine Kundin fragt in der Apotheke, ob ihre gesetzliche Krankenkasse die Kosten für medizinische Behandlungen auch übernimmt, wenn sie während des geplanten vierwöchigen Urlaubs in Frankreich überraschend erkrankt. Außerdem möchte sie wissen, wie es bei dauerhaft notwendiger Medikamenteneinnahme aussieht, da ihr Mann seine Medikamente regelmäßig einnehmen müsse.

Grundsätzlich regelt jedes Land selbst, welche Leistungen im Rahmen des öffentlichen Gesundheitssystems in Anspruch genommen werden können. So haben Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Deutschland gegenüber ihrer Krankenkasse einen Anspruch auf einen definierten Leistungskatalog. Dieser Anspruch ruht während eines Auslandsaufenthalts – auch dann, wenn der Versicherte während eines vorübergehenden Aufenthalts erkrankt. Unter bestimmten Voraussetzungen übernimmt die GKV gewisse Gesundheitsleistungen aber auch im Ausland.

EU, EWR und Schweiz

In den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU), den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR: EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen) und der Schweiz haben Versicherte bei einem vorübergehenden Aufenthalt in einem anderen Staat Anspruch auf Leistungen, die unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer medizinisch notwendig sind. Grundlage für diese Regelung bilden insbesondere die EU-Verordnung zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Nr. 883/2004) und die EU-Richtlinie zur Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (Nr. 2011/24), die von den einzelnen Ländern in nationale Regelungen überführt wurden – in Deutschland in das Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V , insbes. §§ 13 ff).

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Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) besteht aus den (noch) 28 Staaten der Europäischen Union (EU) sowie Island, Liechtenstein und Norwegen. Zum Schengen-Raum gehören 26 Staaten, davon nur 22 EU-Mitgliedstaaten, dafür Schweiz, Azoren, Madeira und die Kanarischen Inseln.

Gesetzlich Versicherte haben danach dieselben Rechte auf Gesundheitsversorgung wie Personen, die in dem bereisten Land gesetzlich versichert sind. Das bedeutet, dass Mehrkosten, die durch die jeweiligen ländertypischen Regelungen entstehen, von der Krankenkasse im Herkunftsland nicht abgedeckt sind. Die Krankenkasse muss maximal die Kosten, die bei einer Behandlung im Inland erstattet würden, übernehmen. Ist allerdings eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Krankheit nur in einem anderen EU-Mitgliedstaat, einem anderen Vertragsstaat des EWR oder der Schweiz möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

Wichtig zu beachten ist, dass auch im jeweiligen Land nur Ärzte und Krankenhäuser in Anspruch genommen werden dürfen, die im System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Und wer für eine Krankenhausbehandlung extra ins EU-/EWR-Ausland oder die Schweiz reist, muss vor der Abreise eine Genehmigung seiner Krankenkasse einholen. Ihre Zustimmung darf die Krankenkasse allerdings nur verweigern, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende geplante Behandlung auch rechtzeitig im Inland erlangt werden kann.

Informationen rund um die medizinische Behandlung im Gebiet der EU, dem EWR und der Schweiz bietet die Nationale Kontaktstelle für grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung (www.eu-patienten.de). Die einzelnen gesetzlichen Krankenkassen informieren ebenfalls – insbesondere zu Erstattungen, Vorabgenehmigungen und etwaigen Beschränkungen.

Geschäftsreisen

Bei dienstlichen Aufenthalten in einem anderen EU-/EWR-Land oder der Schweiz ist zunächst der Arbeitgeber in der Pflicht, für notwendige Behandlungskosten aufzukommen. Die Krankenkasse im Heimatland erstattet dem Arbeitgeber anschließend Kosten bis zu der Höhe, die eine vergleichbare Behandlung im Inland gekostet hätte. Für eine möglicherweise bestehende Differenz zwischen Auslands- und Inlandskrankheitskosten muss der Arbeitgeber wegen der von ihm veranlassten Entsendung seines Arbeitnehmers ins Ausland aufkommen.

Europäische Krankenversicherungskarte

Die Gesundheitsversorgung und die Sozialversicherungssysteme in der EU, dem EWR und der Schweiz unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich des Leistungsanspruchs von­einander. In einigen Ländern müssen Arzt- oder Krankenhausbehandlungen vor Ort bezahlt werden, in anderen nicht. Die Europäische Krankenversicherungskarte (EKVK bzw. European Health Insurance Card, EHIC) soll daher dabei helfen, die bestehenden Ansprüche nachzuweisen.

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Auf der Rückseite der elektronischen Gesundheitskarte ist automatisch die Europäische Krankenversicherungskarte aufgedruckt.

Sofern die Behandlungskosten sofort beglichen werden müssen, erstattet die Krankenkasse bei Vorlage entsprechender Rechnungsbelege die Kosten. Bei Verlust der EKVK übersendet die Krankenkasse per Fax oder E-Mail eine provisorische Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Sozialversicherung im Herkunftsland.

Drittstaaten

Bei Reisen außerhalb der EU, dem EWR und der Schweiz kann die Krankenkasse Kosten für erforderliche medizinische Behandlungen ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung der Krankheit nur in dem entsprechenden Land möglich ist.

Sofern eine ungeplante Behandlung, die auch im Inland möglich wäre, unverzüglich erforderlich ist, hat die Krankenkasse Kosten, die auch im Inland entstanden wären, für längstens sechs Wochen im Kalenderjahr zu übernehmen. Allerdings nur dann, wenn der oder die Versicherte sich hierfür wegen einer Vorerkrankung oder des Lebensalters nicht gesondert versichern kann und er bzw. sie die Ablehnung der privaten Auslandskrankenversicherung vor Reisebeginn gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nachgewiesen hat.

Außerhalb der EU, dem EWR und der Schweiz kann die EKVK nicht als Nachweis einer Sozialversicherung eingesetzt werden. In manchen Ländern (Bosnien-Herzegowina, Tunesien und Türkei) ist daher die Vorlage eines Auslandskrankenscheins erforderlich, den die Krankenkasse im Herkunftsland ausstellt und der im Fall einer erforderlichen ärztlichen Behandlung beim Sozialversicherungsträger des jeweiligen Landes in einen Behandlungsschein umzutauschen ist. Dieser ermöglicht eine Notfallversorgung für notwendige medizinische Leistungen, die nicht bis zur Rückkehr nach Deutschland warten können.

Private Auslandskrankenversicherung

In Fällen, in denen die GKV anfallende Kosten übernimmt, tut sie dies in der Regel nur bis zu der Höhe, in der sie im Inland übernommen werden. Gewisse Leistungen wie der Rücktransport ins Heimatland sowie eine Behandlung durch private Leistungserbringer werden nicht erstattet. Für derlei Kosten muss der Versicherte selbst aufkommen. Zur Ab­sicherung dieser Differenz existieren private Auslandskrankenversicherungen. Für Arbeitgeber, die ihre Mitarbeiter auf Geschäftsreisen entsenden, bieten sich Dienstreisever­sicherungen an. Handelt es sich um mehrere Mitarbeiter, kommen auch Gruppenversicherungen infrage.

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Private Auslandskrankenversicherungen übernehmen z. B. die Kosten für den Rücktransport ins Heimatland oder die Behandlung durch private Leistungserbringer.

Grenzüberschreitende Rezepte

Eine Erkrankung während eines vorübergehenden Aufenthalts in einem Land der EU, des EWR oder der Schweiz kann die Einnahme eines verschreibungspflichtigen Arzneimittels erforderlich machen. Ein solches Rezept wird regel­mäßig wie ein Privatrezept behandelt, sodass Versicherte die Kosten zunächst selbst bezahlen müssen und sie nach Einreichung des Belegs von der Krankenkasse zurückerhalten. Entscheidend ist, ob das vom Arzt ausgestellte Rezept alle relevanten Informationen enthält. Nach den Vorgaben der EU-Durchführungsrichtlinie über Maßnahmen zur Erleichterung der Anerkennung von in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten ärztlichen Verschreibungen (Nr. 2012/52) muss es jedenfalls folgende Angaben aufweisen:

  • Patientenangaben: Nach- und Vorname (ausgeschrieben) und Geburtsdatum,
  • Ausstellungsdatum,
  • Angaben zum ausstellenden Arzt: Nach- und Vorname (ausgeschrieben), Berufsqualifikation, Kontaktdaten (E-Mail und Telefon- oder Fax-Nummer, jeweils mit internationaler Vorwahl), Dienstanschrift (einschließlich Name des betreffenden Mitgliedstaats), Unterschrift (handschriftlich oder digital),
  • Arzneimittelangabe: gebräuchliche Bezeichnung (inter­nationaler Freiname, Markennamen nur bei biologischen Arzneimitteln oder wenn es medizinisch notwendig ist, in letzterem Fall mit kurzer Begründung), Darreichungsform, Menge, Stärke, Dosierungsschema.

Grundsätzlich können in Deutschland ausgestellte Verschreibungen damit regelmäßig in einem anderen Mitgliedstaat eingelöst werden, da die in der Arzneimittelverschreibungsverordnung vorgeschriebenen Pflichtangaben darüber hinausgehen. Trotzdem empfiehlt es sich in einem solchen Fall, den die Verordnung ausstellenden Arzt darüber zu informieren, dass das Rezept im EU-Ausland eingelöst werden soll. Der Grund: Die in Deutschland als Normgröße angegebene Packungsgrößenkennzeichnung (N1, N2 oder N3) ist nicht in allen Mitgliedstaaten bekannt – der Arzt wird dann auf die Angabe der Normgröße verzichten und die genaue Menge angeben.

Umgekehrt sollte auf Rezepten aus einem anderen Land der EU, des EWR oder der Schweiz, die in Deutschland eingelöst werden sollen, eindeutig identifizierbar sein, um welches Präparat oder welchen Wirkstoff in welcher Dosierung es sich handelt – da eine Rücksprache mit dem Verschreibenden bei Zweifeln häufig nicht möglich ist. Versicherte, die eine elektronische Verordnung erhalten, sollten zudem eine Druckversion verlangen, da die elektronische Version noch nicht in allen Ländern anerkannt wird, zum Beispiel in Deutschland.

Apotheken in Deutschland müssen in diesem Zusammenhang darauf achten, dass Betäubungsmittel sowie Lenalidomid-, Pomalidomid- und Thalidomid-haltige Arzneimittel laut der Betäubungsmittelverschreibungsverordnung nur abgegeben werden dürfen, wenn sie auf den dafür vorgesehenen amtlichen Vordrucken verordnet wurden – bei einer ausländischen Verordnung, die diesen Vorgaben nicht entspricht, ist insoweit die Abgabe zu verweigern. Gleiches gilt, wenn es sich um Verordnungen aus einem Land außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz handelt – diese dürfen Apotheken in der EU, dem EWR und der Schweiz grundsätzlich nicht beliefern.

Mitnahme von Arzneimitteln

Wer auf eine dauerhafte Medikation angewiesen ist, kann Arzneimittel für den persönlichen Gebrauch auch mit ins Ausland nehmen. Es empfiehlt sich, eine Bescheinigung des Arztes mitzuführen, die Angaben zur Erkrankung und den mitgeführten Medikamenten (Einzel- und Tagesdosierungen, Wirkstoffbezeichnung und Dauer der Reise) enthält. Eine solche ärztliche Bescheinigung, die bei Reisen ins fremdsprachige Ausland sinnvollerweise in englischer Sprache verfasst sein sollte, kann bei einer Zollkontrolle Missverständnisse vermeiden.

Das deutsche Arzneimittelgesetz sieht für die Ausreise aus Deutschland keine Beschränkungen vor. Allerdings sollten sich Reisende über die Bestimmungen, die bei der Einreise ins Reiseland gelten, vor Reisebeginn bei der entsprechenden diplomatischen Auslandsvertretung (Botschaft oder Konsulat) des Reiselandes informieren, da eine allgemeingültige Vorschrift nicht existiert. Auch die unterschied­lichen Vorgaben der Airlines sollten abgeklärt werden, um keine bösen Überraschungen zu erleben und schlimmstenfalls ohne die notwendigen Arzneimittel dazustehen.

Bei der (Wieder-)Einreise nach Deutschland dürfen Arzneimittel nach den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes in einer dem üblichen persönlichen Bedarf des Reisenden ent­sprechenden Menge eingeführt werden. Als solcher wird grundsätzlich ein Vorrat an Arzneimitteln für maximal drei Monate angesehen.

Allerdings sollte in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden, dass in Deutschland unter Umständen Produkte als Arzneimittel eingestuft werden, die in anderen Ländern nicht als Arzneimittel gelten, sondern z. B. als Nahrungsergänzungsmittel frei verkauft werden. Für sie gelten die Regelungen für Arzneimittel.

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Besondere Bestimmungen sind bei Betäubungsmitteln zu beachten (BtMG, BtMAHV). Sie dürfen ebenfalls in einer für die Dauer der Reise angemessenen Menge nach Deutschland ein- oder aus Deutschland ausgeführt werden. Je nach Reiseziel gilt es darüber hinaus Folgendes zu beachten: Bei Reisen bis zu 30 Tagen in Staaten des Schengener Abkommens ist die Mitnahme möglich, sofern eine vom behandelnden Arzt ausgefüllte Bescheinigung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (Artikel 75), die vor Antritt der Reise durch die zuständige Stelle (siehe Kasten gegenüberliegende Seite) zu beglaubigen ist, mitgeführt wird. Außerhalb des Schengen-Raums bestehen keine einheitlichen Bestimmungen für die Mitnahme von Betäubungsmitteln – so ist teil­weise eine Importgenehmigung erforderlich, teilweise nur eine bestimmte Menge des Wirkstoffs erlaubt und teilweise das Mitbringen völlig verboten. Reisende sollten sich daher vor Reiseantritt über die jeweiligen Bestimmungen der Ziel- und Transitländer bei den entsprechenden Auslandsvertretungen informieren und in jedem Fall zur Sicherheit eine mehrsprachige ärztliche Bescheinigung des verschreibenden Arztes bei sich führen.

Informationen, Bescheinigungen zum Download sowie die für die Beglaubigung der Bescheinigung zuständigen deutschen Behörden sind auf der Internetseite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) zu finden. Das International Narcotics Control Board hat Richtlinien für Reisende verfasst und bietet ebenfalls Bescheinigungs-Vorlagen zum Download an (www.incb.org).

Der Ratschlag für die Kundin

Die Kundin sollte sich für den Fall einer Erkrankung bereits vor Antritt ihrer Reise ein Krankenhaus und/oder einen Arzt am Reiseort heraussuchen, das bzw. der im System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung von gesetzlich Versicherten berechtigt ist. Vor der Behandlung sollte sie ihre EKVK vorlegen und in einer Apotheke das gegebenenfalls vom Arzt verordnete Medikament holen. Sofern sie vor Ort in Vorleistung gehen muss, sollte sie sich stets Rechnungsbelege geben lassen, die sie nach ihrer Rückkehr bei ihrer Krankenkasse einreichen kann. Diese prüft dann, ob und gegebenenfalls welcher Betrag erstattet werden kann.

Ihr Mann kann seine Dauermedikation grundsätzlich mit in den Urlaub nehmen. Er sollte sich vorher jedoch zur Sicherheit von seinem behandelnden Arzt eine Bescheinigung ausstellen lassen, die seine Situation erklärt und nähere Angaben zu den mitgeführten Arzneimitteln macht. Handelt es sich um Betäubungsmittel, sollte er die ärztliche Bescheinigung zudem von der jeweils zuständigen Stelle beglaubigen lassen. In diesem Fall sollte er sich vor der Reise auch über die jeweiligen Bestimmungen der Ziel- und Transitländer bei den jeweiligen Auslandsvertretungen informieren. |

Autorin

Juliane Seidel ist Juristin und schreibt als freie Journalistin unter anderem Beiträge für die DAZ.

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