Arzneimittel und Therapie

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Welche Arzneimittel eine interstitielle Lungenerkrankung begünstigen können

Mehr als 350 Arzneistoffe sind als mögliche Auslöser einer interstitiellen Lungenerkrankung unter Verdacht. Dennoch ist erstaunlich wenig über die arzneimittelinduzierte Form der Erkrankung bekannt. In einer systematischen Übersichtsarbeit wurde nun die Evidenz zusammengetragen.
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Interstitielle Lungenerkrankungen treten in vielfältigen Erscheinungs­formen auf, sind von fibrotischen Veränderungen begleitet und führen innerhalb weniger Jahre zu einer hohen Morbidität oder sogar zum Tod [1]. Die Erkrankung kann laut Pneumotox-Website durch eine Vielzahl von Substanzen hervorgerufen werden – darunter auch eine Reihe von Arzneistoffen der täglichen Praxis [2].

Skeoch und Kollegen haben nun mit einer groß angelegten Untersuchung versucht, die Inzidenz und Prävalenz von arzneimittelinduzierten interstitiellen Lungenerkrankungen (DILD, drug-induced interstitial lung disease) umfassend zu bestimmen [2]. Zudem wurden Fragen zu den verursachenden Arzneimitteln sowie zu Diagnosemethodik und Therapie erörtert. Da die Qualität der aus 1694 selektierten 156 Studien für eine Metaanalyse nicht ausreichte, entstand eine systematische Übersichtsarbeit. Eingeschlossen wurden nur englischsprachige Veröffentlichungen, in denen mehr als zehn Patienten berücksichtigt wurden. Da ein Drittel der Studien aus Japan stammte und dort in der Vergangenheit höhere Prävalenzen für interstitielle Lungenerkrankungen berichtet wurden, ist von einem gewissen geografischen Bias auszugehen.

Nach Auswertung der Daten konnten die Studienautoren Inzidenzraten für arzneimittelinduzierte interstitielle Lungenerkrankungen von 4,1 bis 12,4 Fällen pro eine Million Einwohner pro Jahr ermitteln. Drei bis fünf Prozent aller interstitiellen Lungenerkrankungen könnten im Zusammenhang mit Arzneimitteln stehen.

Interstitielle Lungenerkrankung

Zum Krankheitsbild der diffusen parenchymalen oder interstitiellen Lungenkrankheit zählen über 100 Einzelerkrankungen (z. B. Sarkoidose, idiopathische Lungenfibrose, hypersensitive Pneumonitis). In der westlichen Welt sind rund 750.000 Menschen von einer interstitiellen Lungenkrankheit betroffen. Den Erkrankungen liegt ein entzündliches Geschehen im Lungeninterstitium, dem Raum zwischen den Lungenbläschen, zugrunde. Durch vermehrte Bildung von Bindegewebe (Fibrose) versteift sich die Lungenarchitektur im Krankheitsverlauf, das Atmen fällt zunehmend schwerer. Nach Diagnosestellung beträgt die durchschnittliche Überlebenszeit lediglich drei bis fünf Jahre.

Höchstes Risiko bei Onkologika

Betrachtet man einzelne Wirkstoffklassen so scheinen Tumortherapien mit dem höchsten Risiko verbunden zu sein. Für Bleomycin beträgt das Risiko eine DILD zu entwickeln 6,8 bis 21%, bei einer Mortalität von bis zu 48%. Für Gemcitabin ist die Mortalität geringer. Insbesondere in Kombination mit anderen Tumortherapeutika wie Bleomycin, Erlotinib oder Taxanen beträgt die Inzidenz jedoch wiederum bis zu 20%. Auch neuere zielgerichtete Onkologika wie Gefitinib und Erlotinib, Panitumumab und Cetuximab und schließlich die Checkpoint-Inhibitoren Nivolumab und Pembrolizumab fielen durch ihre Lungentoxizität auf. Neben den onkologischen Substanzen bergen auch Immunsuppressiva ein Risiko: die mTOR-Inhibitoren Sirolimus, Temsirolimus und Everolimus ebenso wie Leflunomid und Methotrexat. Bei dem Antibiotikum Nitrofurantoin machen interstitielle Lungenerkrankungen 16 bis 48% der Nebenwirkungen aus. Für das Antiarrhythmikum Amiodaron konnte eine Dosisabhängigkeit gezeigt werden. Die Einnahme hoher Dosen über einen längeren Zeitraum erhöht das Risiko für eine DILD deutlich.

Die Behandlung von arzneimittelinduzierten interstitiellen Lungenerkrankungen ist bisher symptomatisch orientiert. Oft werden Glucocorticoide eingesetzt – in verschiedensten Dosierungen und Darreichungsformen. Dementsprechend sind auch die Angaben zum Behandlungserfolg variabel, sodass keine hinreichende Evidenz für eine Therapieempfehlung besteht. |

Quelle

Diffuse, parenchymale Lungenerkrankung. Biomedical Research in Endstage and Obstructive Lung Disease Hannover (BREATH). www.breath-hannover.de; Abruf am 7. Dezember 2018

Pneumotox online. The Drug-Induced Respiratory Disease Website. Department of Pulmonary and Intensive Care University Hospital Dijon France. www.pneumotox.com; Abruf am 7. Dezember 2018

Skeoch S et al. Drug-Induced Interstitial Lung Disease: A Systematic Review. J Clin Med 201815;7(10):pii:E356

Apothekerin Dr. Maren Flügel

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