DAZ aktuell

Wie „Plan B“ doch noch gelingen kann

Kommentierende Analyse von Thomas Müller-Bohn

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat mittlerweile einige Denkmodelle erläutert, die als Alternativen zum Rx-Versandverbot geprüft und mit dem Bundesgesundheitsministerium besprochen wurden, insbesondere die Regulierung des Versandes und die Kompensation seiner Folgen (siehe AZ 49, S. 1). Hier könnte ein aussichtsreicher „Plan B“ zum Rx-Versandverbot entstehen: Wenn die sozialrechtliche Preisbindung und ein neues Strukturhonorar mit einem für Politik und Krankenkassen anreizwirksamen Anpassungsmechanismus kombiniert werden. Entscheidend dabei ist das Zusammenwirken der Maßnahmen.
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„Diese Kröte werden wir schlucken müssen“, erklärte BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer noch beim Deutschen Apothekertag im Oktober. Entpuppt sich „Plan B“ zum Rx-Versandverbot am Ende doch noch als Froschkönig?

Wenn eine sozialrechtliche Preisbindung ausländische Versender einschließt, würde sie die gewünschte Gleichpreisigkeit für Rx-Arzneimittel schaffen. Um Einbußen bei Selbstzahlern zu verhindern, müsste das Regelwerk auf diese übertragen werden, beispielsweise nach dem Vorbild der Hilfstaxe. Schmidt äußerte allerdings grundsätzliche Bedenken, eine sozialrechtliche Regulierung könnte wiederum vor dem EuGH angegriffen werden. Dies erscheint jedoch zu pessimistisch. Denn die weitere Analyse zeigt, dass dies kein Grund sein muss, auf dieses Konzept zu verzichten, sondern eher ein Anstoß, diese Maßnahme zu ergänzen und abzusichern.

Alle Überlegungen, die Schmidt bei der Kammerversammlung der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 28. November vorstellte, gingen von der fortbestehenden Rx-Preisbindung im Inland aus. Daraufhin sind einige Aspekte der ökonomischen Analyse „Auch eine Frage des Geldes“ in der DAZ 2018, Nr. 47, S. 28, neu zu bewerten. Mit einem neuen Strukturhonorar würden sich die Apotheker dann keine ordnungspolitische Aufweichung „abkaufen“ lassen. Die Aussicht auf eine Rückkehr zum Status quo ante nach einem neuen EuGH-Urteil bliebe erhalten. Bei der Kompensation für den Versand ginge es dann nicht um einen Ausgleich für im Inland zu ­zahlende Boni, sondern für abwandernde Umsätze.

Strukturhonorar mit Anpassungsklausel

Unter dieser veränderten Voraussetzung erscheint eine Kompensation durch ein neues Strukturhonorar nicht mehr aussichtslos, zumindest für den Ausgleich der derzeitigen Einbußen. Die entscheidende Frage ist dann jedoch, ob das Volumen einer solchen neuen Honorarkomponente ausreichen wird, um auch die künftigen Abwanderungen zum Versand zu kompensieren. Wenn es mit der ­sozialrechtlichen Regulierung nicht gelingt, die ausländischen Versender der Preisbindung zu unterwerfen, können die auszugleichenden Beträge auf mittlere Sicht sehr erheblich werden. Vor allem ist ihre Höhe nicht vorhersehbar. Derzeit gehen die Schätzungen über die künftigen Marktanteile der Versender weit auseinander. Das neue Strukturhonorar müsste daher sehr flexibel gestaltet werden. Es ist zu hoffen, dass dies bei der ­ABDA-Mitgliederversammlung am 11. Dezember intensiv mit Minister Spahn diskutiert wird. Eine Formulierung wie beim Festzuschlag mit einer Anpassung am Sankt-Nimmerleins-Tag ist hier definitiv keine Lösung. Vielmehr steht und fällt ein neues Strukturhonorar als Kompensation für den Versand mit einer schnellen und bei Bedarf erheblichen Anpassung. Wenn die Politik sich zu einer „automatischen“ Kopplung nicht durchringen kann, wäre auch eine Verpflichtung zu jährlichen Verhandlungen wie bei den Ärzten denkbar. Dann müsste das Ziel der Kompensation als Verhandlungsmaßstab unmissverständlich festgeschrieben werden.

Eine solche Regelung in Verbindung mit einer sozialrechtlichen Preisbindung für alle Marktbeteiligten würde für die Politik einen finanziellen Anreiz schaffen, etwaige juristische Angriffe auf die Preisbindung mit allem möglichen Engagement abzuwehren. Zugleich hätten die Krankenkassen keinen Anreiz ausländische Versender zu fördern. Denn sie müssten die Einbußen der Apotheken über die Anpassung des Strukturhonorars ersetzen und damit den finanziellen Schaden tragen. Demnach sollte es ein Verhandlungsziel der Apotheker sein, die Kostenträger gewissermaßen in die Haftung zu nehmen. Eine solche anreizverträgliche Kombination von Maßnahmen wird zumeist als geschickt und zeitgemäß empfunden. So könnte die gesuchte Alternative zum Rx-Versandverbot nicht in einer einzelnen Maßnahme liegen, sondern in der geschickten Kombination aus sozialrechtlich fixierter Preisbindung mit Übertragung auf die Selbstzahler, neuem Strukturhonorar und einem geeigneten Anpassungsmechanismus. Dabei verspricht erst die Kombination den Erfolg und der Anpassungsmechanismus dürfte entscheidend sein.

Weitere Voraussetzungen für Strukturhonorar

Die Apotheker sollten zudem drei weitere Eigenschaften eines Strukturhonorars einfordern, die für das Gelingen wichtig erscheinen:

  • Es kann für verschiedene Apotheken unterschiedlich bemessen sein, aber es muss prinzipiell für alle Vor-Ort-Apotheken zu erlangen sein, denn alle erleiden Einbußen durch den Wettbewerb mit dem Versand. Ein Landapothekenfonds allein erfüllt diese Bedingung nicht.
  • Seine Höhe darf nicht am entgangenen Betriebsergebnis, sondern sie muss am entgangenen Rohertrag bemessen werden. Denn es soll die vor Ort stattfindenden strukturellen Aufgaben entgelten und die werden aus dem Rohertrag und nicht aus dem Betriebsergebnis finanziert.
  • Es muss ohne Fehlanreize zur Umsteuerung der Patienten finanziert werden. Dafür drängt sich ein Konzept wie der Nacht- und Notdienstfonds auf.

Langfristige Honoraranpassung

So zeichnet sich eine Idee für eine mögliche angemessene Antwort auf das EuGH-Urteil ab. Doch das ist noch keine Antwort auf die langjährige Forderung der Apotheker nach einer Anpassung ihres Honorars. Schmidt erklärte dazu kürzlich, die ABDA-Arbeitsgruppe zur Honorierung wolle am packungsbezogenen Honorar festhalten und fordere zugleich neue Honorare für Dienstleistungen. Außerdem berichtete Schmidt, in der Politik gebe es derzeit keine Unterstützung für eine Erhöhung des Festzuschlags. Die Politik wolle Leistungen gezielt honorieren, aber nicht nach dem Gießkannenprinzip. Zusätzliches Geld sei daher nur über neue Honorarbestandteile zu erhalten.

Verschiedene Dienstleistungshonorare

Aus ökonomischer Sicht müssen bei neuen Dienstleistungshonoraren zwei Fälle unterschieden werden:

  • Erster Fall: Zusätzliche Honorare für Leistungen, die bereits erbracht und jetzt über die Mischkalkulation finanziert werden, wirken als Honorarerhöhung.
  • Zweiter Fall: Neue Leistungen erfordern zusätzliche Honorare, aber diese verbessern nicht die Rentabilität der bisherigen Leistungen.

Zum ersten Fall würden neue Honorare für den Botendienst, Rückfragen beim Arzt oder die Abgabe von Rabattarzneimitteln gehören (s. „Packungshonorar auf dem Prüfstand – Wie zukunftsfähig ist der Festzuschlag?“ in DAZ 2018, Nr. 39, S. 24). Schmidt berichtete, die ABDA habe Vorschläge für die Begleitung Pflegebedürftiger gemacht und dabei gehe es um Leistungen, die bereits erbracht würden. Dies bietet Ansätze für Honorarer­höhungen ohne Erhöhung des Fest­zuschlags.

Der zweite Fall betrifft neue honorierte Dienstleistungen wie im ARMIN-Modell. Schmidt erklärte, die ABDA habe Optionen für den unbürokratischen Ablauf der AMTS an das Ministerium weitergeleitet, ging aber nicht auf die Inhalte ein. Weitere Anregungen bietet der Leistungskatalog LeiKa des Deutschen Apothekerverbandes.

Aus ökonomischer Sicht ist dabei wichtig, dass die neuen Honorare die Vollkosten decken und einen Gewinnzuschlag enthalten.

Denn ein Festzuschlag, der nicht erhöht werden soll, kann nicht zur Mischkalkulation für neue Leistungen dienen. Wenn die Gesellschaft diese Leistungen wünscht und sie für die Apotheken langfristig zu einer zweiten Säule für ihre Existenz werden sollen, müssen sie angemessen honoriert werden.

Vorweihnachtliches Wunschdenken

Im günstigsten Fall ist dabei folgendes Zukunftsszenario vorstellbar: Neue Honorare für bereits etablierte Leistungen der Apotheken sorgen für steigende Roherträge. Wenn der Versand von Rx-Arzneimitteln eine Randerscheinung bleibt, kann auch das neue Strukturhonorar als Kompensation für steigende Kosten dienen. Die Bedeutung des Festzuschlags nimmt durch die Inflation langsam ab. Dies senkt die Anreize für die Versender zusätzlich. Zugleich können die Apotheken mit neuen honorierten Dienstleistungen neue Aufgabenfelder erschließen und werden weniger abhängig von der Honorierung der Distributionsleistung.

Doch dies setzt so viele günstige Entwicklungen voraus, dass dieses Szenario als vorweihnachtliches Wunschdenken erscheinen mag. Außerdem muss zuvor das Problem aufgrund des EuGH-Urteils gelöst werden – und das könnte mit dem oben ausgeführten „Plan B“ durchaus gelingen. |

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