Die Seite 3

Valsartan-Lehren

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Die Sartan-Krise ist wohl immer noch nicht ausgestanden. Und alles, was jetzt so nach und nach ans Licht kommt, ist wenig geeignet, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Im Gegenteil!

Ein kurzer Blick zurück: Als im Sommer zahlreiche Generikahersteller ihre Val­sartan-haltigen Präparate wegen einer Kontamination mit N-Nitrosodimethyl­amin (NDMA) zurückrufen mussten, weil sie allesamt ihren Wirkstoff von ein und demselben chinesischen Wirkstoffhersteller bezogen hatten, frohlockten der Original- und die wenig verbliebenen Generikahersteller. Sie hatten auf andere Bezugsquellen zurückgegriffen und schienen auf der sicheren Seite, so auch die Mylan dura GmbH. Doch die intensive Spurensuche verbunden mit der Hypothese, dass die NDMA-Kontamination eng verknüpft ist mit der Synthese des Tetrazolrings nicht nur in Valsartan, sondern in allen weiteren Sartanen mit dieser Struktur, brachte eine weitere Verunreinigung ans Licht: N-Nitrosodiethylamin (NDEA). Sie wurde unter anderem in Losartan und Irbesartan gefunden und führte zu Chargenrückrufen von Irbesartan-Präparaten der Hersteller Hormosan, Aurobindo und zuletzt auch von Heumann.

Letzte Woche gab die EMA bekannt, dass Valsartan, hergestellt von Mylan Laboratories Limited im indischen Hyderabad, wegen NDEA-Verunreinigungen nicht mehr in der EU vertrieben werden darf. Diese EMA-Meldung datiert auf den 19. November 2018 machte blitzartig die Runde, auch in der Laienpresse. Verunsicherte und verärgerte Patienten verlangten Aufklärung. In den Apotheken bestand große Unsicherheit, ob die entsprechenden Präparate noch abgegeben werden durften. Denn ein offizieller Rückruf war bis dahin nicht erfolgt. Darauf mussten die Apotheker bis zum 23. November warten. Erst zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Mylan alle Chargen von Valsartan dura und Valsartan/HCT-Mylan aus dem Verkehr zieht.

Wer gehofft hatte, dass aus dem RückrufChaos des letzten Sommers schon Lehren gezogen wurden, der wurde enttäuscht. Immer noch gelingt es nicht, den Informationsfluss so zu leiten, dass Ärzte und Apotheker vor den Patienten informiert werden. Immer noch ist nicht geklärt, wer denn jetzt die Kosten für die Umstellung übernimmt, die für manch einen Patienten in kurzer Zeit schon die zweite ist. Und immer noch ist kaum zu vermitteln, warum mit potenziellen Kanzerogenen verunreinigte Präparate nicht auf Patientenebene zurückgerufen werden.

Nun sind die Behörden nicht gänzlich untätig geblieben. Die EMA hat alle In­verkehrbringer von Tetrazolring-haltigen Sartanen, also auch von Irbesartan, Losartan, Olmesartan und Candesartan, aufgefordert, ihre Analysen auf die potenziellen Kanzerogene NDMA und NDEA aus­zuweiten und die Ergebnisse vorzulegen. Parallel dazu haben die Landesüber­wachungsbehörden ihre Kontrollen verschärft und sind zuletzt im Falle von Irbesartan Heumann fündig geworden. Doch Stichproben werden das Problem nicht lösen können. Das zeigt einmal mehr die Entwarnung des Zentrallabors deutscher Apotheker (ZL), das nach dem Rückruf im Sommer stichprobenweise weitere Sartan-haltige Präparate untersucht und keine NDMA-/NDEA-Kontaminationen gefunden hatte. Es gilt die pharmazeutische Binsenweisheit: Qualität lässt sich nicht in ein Produkt hineinkontrollieren.

Was wir dringend benötigen, sind vertrauenswürdige Produktionsstätten. Da scheint vieles im Argen zu liegen, so dass wir auf effiziente Kontrollen angewiesen sind. Die sind aber angesichts der zahlreichen Produktionsstandorte in Indien und China nur schwer durchzuführen. Bleibt noch der Wunsch nach konzertierten Abstimmungen und Aktionen der Behörden, wenn denn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Zumindest hier sollte doch kurzfristig etwas zu bewegen sein.

Doris Uhl

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