Arzneimittel und Therapie

Kurzzeitlösung NSAID

Sicherheitsbedenken bei Risikopatienten infrage gestellt

Bei kardiovaskulären und renalen Risikopatienten sollten NSAID zurückhaltend eingesetzt werden – so die gängige Lehrmeinung. Doch gilt das auch für die Kurzzeittherapie? Dieser Frage wurde in einer retrospektiven Kohortenstudie nachgegangen.

Mit einer Vielzahl an Studien wurde in der Vergangenheit bewiesen, dass eine Einnahme von nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID) das Risiko für Nierenfunktions­störungen und Herz-Kreislauf-Komplikationen signifikant erhöht. Während jedoch zumeist eine Langzeitmedikation der NSAID untersucht wurde, befasste sich eine nun veröffentlichte retrospektive kanadische Kohortenstudie mit dem Verschreibungsverhalten der Ärzte und den Folgen der Kurz­zeittherapie. Dazu wurden rund 2,4 Millionen Hausarztbesuche in den Jahren 2012 bis 2016 heran­gezogen. Die Daten von mehr als 800.000 Patienten mit Muskel-Skelett-Erkrankungen (z. B. Rückenschmerzen, Frakturen, Arthritis), bei denen in der Vergangenheit eine Hypertonie, Herzinsuffizienz oder eine chronische Nierenerkrankung diagnostiziert worden war, wurden in der Analyse ausgewertet. Dabei wurden lediglich Patienten im Alter von 65 bis 105 Jahren und weniger als einem Arztbesuch pro Quartal (d. h. keine Langzeitpatienten) berücksichtigt. Als NSAID-Verschreibung, definiert als primärer Zielparameter, wurden die bis zu sieben Tage nach einem Arztbesuch auf Kosten der Krankenkasse abgegebenen NSAID registriert. Selbstmedikation, topische Formulierungen und Acetylsalicylsäure wurden nicht miteinbezogen. Als sekundärer Zielparameter wurden die von Tag 8 bis 37 aufgetretenen Kurzzeitkomplikationen (Herz- oder Nierenkomplikationen sowie Tod) erfasst. Die Ergebnisse der Studie offenbarten interessante Erkenntnisse: Nahezu jeder zehnte Arztbesuch resultierte bei den Risikopatienten in einer NSAID-Verschreibung. Dabei war die Tendenz, ein NSAID verschrieben zu be­kommen, höher, wenn zuvor eine Hypertonie diagnostiziert worden war und NSAID in der Vergangenheit eingenommen worden waren; dagegen niedriger bei Menschen mit Herzinsuffizienz in der Vor­geschichte, chronischen Nierenerkrankungen oder früherer Opioid-Einnahme. Zudem war das Verschreibungsverhalten der Allgemeinmediziner sehr heterogen. Neben einer früheren Einnahme von NSAID hatte die Arztwahl den größten Einfluss auf die Verschreibungswahrscheinlichkeit.

Bei dem Vergleich von Patienten mit und ohne NSAID-Verordnung konnte innerhalb des Beobachtungszeitraumes kein signifikanter Unterschied in Bezug auf Kurzzeitkomplikationen festgestellt werden. Daher kommen die Studienautoren zu dem Schluss, dass die Gabe von NSAID als kurzfristige Therapie – entgegen anderslautenden Empfehlungen – auch bei Risikopatienten eine Option darstellen könnte. Sicher ist, dass insbeson­dere in Anbetracht der Risiken einer Opioid-Therapie das zu schnelle Abraten von einer NSAID-Verschreibung zu hinterfragen ist. |

Quelle

Bouck Z et al. Frequency and Associations of Prescription Nonsteroidal Anti-inflammatory Drug Use Among Patients With a Musculoskeletal Disorder and Hypertension, Heart Failure, or Chronic Kidney Disease. JAMA Intern Med 2018;178(11):1516-1525

Apotheker Dr. Simko Sama

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