DAZ aktuell

Das Gutachten in der Schublade

Verfassungsrechtler di Fabio hat sich mit dem Rx-Versandverbot beschäftigt – im Auftrag der ABDA

bro | Mehr als zwei Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichts­hofes (EuGH) zur deutschen Arzneimittelpreisbindung soll am 11. Dezember die politische Reaktion des Gesetzgebers bekanntgegeben werden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will den Apothekern bei der ABDA-Mitgliederversammlung seine Pläne persönlich mit­teilen. Ein Freund des Rx-Versandverbots ist er bekanntlich nicht, obwohl dieses aus juristischer und ökonomischer Sicht geboten ist. Wie nun bekannt wurde, schlummert in einer Schublade bei der ABDA ein Gutachten, das es in sich hat. Der ehemalige Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio spricht sich darin gegen den Versandhandel und für die bessere Wertschätzung der Vor-Ort-Apotheken aus.

Länger als zwei Jahre wirbt die ABDA inzwischen für das Rx-Versandverbot: Schon wenige Tage nach dem EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung war ABDA-intern klar, dass das Verbot die Königsforderung ist. Andere Themen gingen in der politischen Debatte mit der Standesvertretung der Apotheker in den vergangenen Monaten unter. Immer wieder betonen seitdem auch die 34 Kammer- und Verbandschefs, dass nur das Verbot den Zustand vor dem EuGH-Urteil wieder herstellen und die Gleichpreisigkeit retten könne. Flankiert wurden diese Forderungen der Apo­theker auch von außen: Der Deutsche Apotheker Verlag und die Noweda beispielsweise hatten beim Gesundheitsökonomen Professor Dr. Uwe May, der Politikwissenschaftlerin Cosima Bauer und dem Juristen Dr. Heinz-Uwe Dettling ein wettbewerbsökonomisches Gutachten in Auftrag gegeben. Auch diese drei Experten sahen nur einen Ausweg, um tausende Solitärapotheken zu retten: das Rx-Versandverbot. Zuletzt war es um das Verbot allerdings etwas ruhiger geworden. Denn seitdem Jens Spahn (CDU) Bundesgesundheitsminister ist, glaubt selbst die ABDA nicht mehr an ihre Maximalforderung. Auf mehreren Kammerversammlungen erklärte Präsident Friedemann Schmidt, dass das Verbot andere Forderungen verbaue und dass die Apotheker durch das Verbot auch nicht mehr Geld in die Apotheke bekämen.

Gutachten unter Verschluss

Umso erstaunlicher ist es, dass die ABDA quasi kurz vor Torschluss doch noch ein politisches Pfund auf den Tisch legen will, um das Bundesgesundheitsministerium vom Verbot zu überzeugen. Offenbar liegt der ABDA ein verfassungsrechtliches Gutachten des ehemaligen Verfassungsrichters Udo di Fabio vor. Die Standesvertretung hält das Papier strikt unter Verschluss, der Inhalt ist außerhalb der ABDA nur in Grundzügen bekannt. Demnach soll sich di Fabio unter anderem mit den Vorwürfen rund um die Einschränkung der Berufsfreiheit beschäftigt haben.

Foto: imago/Jürgen Heinrich
„Die lokale Apotheke wird als Hindernis eines totalen Binnenmarktes wahrgenommen“ – ehemaliger Verfassungsrichter Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio

Zur Erklärung: Insbesondere die deutschen Versender haben verfassungsrechtliche Bedenken beim Rx-Versandverbot, weil sie durch ein eventuelles Verbot ihre Berufsausübungsfreiheit eingeschränkt sehen. Di Fabio soll in seinem Gutachten den ersten Infor­mationen nach klar zu dem Schluss kommen, dass es diesbezüglich – aufgrund des höher gestellten Gesundheitsschutzes – keine verfassungsrechtlichen Bedenken gäbe.

Dass di Fabio sich mit dem Thema befasst und sich für ein Rx-Versandverbot ausspricht, überrascht nicht. Schon im Mai dieses Jahres war der ehemalige Verfassungsrichter als Redner beim Fortbildungskongress Pharmacon in Meran aufgetreten und hatte eine überraschend deutliche Rede pro Verbot gehalten. „Als Verfassungsrechtler hätte ich damit kein Problem, den Rx-Versandhandel zu verbieten“, sagte di Fabio damals. Die Apotheke als Institution diene dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und verdiene daher ihrerseits rechtlichen Schutz. Außerdem sei die organisierte Beratung von zunehmender Bedeutung, weil die Menschen immer älter werden.

„Als Verfassungsrechtler hätte ich kein Problem mit dem Rx-Versandverbot.“

Prof. Dr. Dr. Udo di Fabio

Doch damit nicht genug: Aus seiner Sicht erhalten Institutionen wie die Apotheke zu wenig Wertschätzung. Dies hänge unter anderem mit der aktuellen Europapolitik zusammen, die von westlichen Zielvorstellungen geprägt sei. „Die lokale und inhabergeführte Apotheke wird als Hindernis eines totalen Binnenmarktes wahr­genommen“, schlussfolgerte di Fabio beim Pharmacon. Aus seiner Sicht hat die Europäische Union an der einen oder anderen Stelle die Schraube der Supranationalität überdreht. „Es geht um eine Politik der Balance“, sagte di Fabio. Dies bedeute, auch mal einen Schritt bei der Liberalisierung zurückzurudern. Die Rede di Fabios sorgte in der ABDA für ein ordentliches Nachbeben: Man war so begeistert, dass man den Juristen mit einem Gutachten beauftragte.

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Hat die ABDA noch ein Pfund in der Hinterhand? Unklar ist, wie sie mit dem verfassungsrechtlichen Gutachten umgehen wird und wann sie es einsetzt.

Was plant die ABDA nun?

Nun ist allerdings die große Frage: Wie lange will die ABDA noch warten, bis das Gutachten veröffentlicht werden soll? Im Bundesgesundheitsministerium sitzen die Arzneimittel-Experten womöglich schon an konkreten Gesetzesformulierungen, die wahrscheinlich wenig mit einem eventuellen Rx-Versandverbot zu tun haben. Doch die ABDA deutet auf Nachfrage an, dass das Papier schon in der Sitzung der ABDA-Mitgliederversammlung vorgestellt werden könnte, bei der auch Spahn anwesend ist. Dass es das di Fabio-Gutachten gibt, will die ABDA nicht bestätigen, aber auch nicht dementieren: Man teile mit, dass die ABDA „unterschiedliche Gutachten in Auftrag gegeben“ habe. Und weiter: „Über deren Ergebnisse werden wir zunächst intern der Mitgliederversammlung der ABDA am 11. Dezember berichten. Wir bitten um Verständnis darum, dass wir der ABDA-internen Vorstellung der Gutachten und deren Diskussion nicht vorgreifen wollen, weil dies nicht im Interesse des Berufsstandes sein kann.“ |

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