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Beratung

Tiefenentspannt

Mit Wärmepflastern Schmerzen lindern

Wärmepflaster werden häufig in der Selbstmedikation von Muskel- und Gelenkbeschwerden eingesetzt. Die Evidenz ist für die meisten Anwendungsgebiete jedoch begrenzt. Die Studienlage spricht für eine kurzfristige Wirksamkeit bei akuten und subakuten Kreuzschmerzen. Doch auch bei chronischen Schmerzen muss von Wärmepflastern aufgrund der guten Verträglichkeit nicht abgeraten werden. Kontraindikationen sind insbesondere akute Entzündungen, Traumen und Infektionen. Am besten wirken Wärmepflaster in Kombination mit Bewegung. | Von Sarah Katzemich

Laut Umfragen litten 85% der deutschen Bevölkerung schon mindestens einmal in ihrem Leben an Rückenschmerzen. In der Selbstmedikation dieses Leidens erfreuen sich Wärmepflaster großer Beliebtheit, denn sie sind praktisch in der Anwendung und versprechen schnelle Besserung. Auch bei anderen Muskel- und Gelenkbeschwerden wie Rheuma, Zerrungen und Regelschmerzen werden sie häufig angewendet. Doch wie wirken Wärmepflaster und für wen sind sie zu empfehlen?

Wie lindern Wärmepflaster Schmerzen?

Thermotherapie ist eines der ältesten bekannten Verfahren zur Schmerzlinderung. Definiert wird sie als gezielte, zeitlich begrenzte lokale Temperaturerhöhung oberflächlicher und tiefer gelegener Gewebe und Organe. Bei Wärmepflastern lässt sich diese Wirkung durch Einsatz von Capsaicin oder dem synthetischen Analogon Nonivamid erreichen. Ein weiteres Prinzip ist die exotherme Reaktion zwischen Eisenpulver und Sauerstoff, katalysiert durch Aktivkohle.

Wie der analgetische Effekt von Wärme zustande kommt, ist nicht komplett geklärt. Es wird vermutet, dass thermoresponsive Rezeptoren wie der Ionenkanal TRPV1 (auch Capsaicin-Rezeptor genannt) eine Schlüsselrolle spielen. TRPV1 wird z. B. bei Temperaturen oberhalb der Schmerzgrenze (42 bis 43° C) aktiviert und durch Entzündungsfaktoren über den Phoshoplipase-C-Pfad sensibilisiert. Nach längerer Capsaicin-Exposition kommt es jedoch zu einer Desensibilisierung des TRPV1 und vermutlich auch zu einer zentralen schmerzmodulierenden Antwort des Nervensystems.

Zudem sind auch die Signalgenerierung in den Muskelspindeln, die den Dehnungszustand der Skelettmuskulatur erfassen, und die viskoelastischen Eigenschaften von Sehnen und Bändern temperaturabhängig. Moderate Wärme (unter der Schmerzgrenze) senkt den Muskeltonus, reduziert Steifigkeit und Muskelspasmen und verbessert die Bewegungskoordination. Ähnliche Effekte kennt man von Athleten, die sich vor dem Training „aufwärmen“. Die lokale Wärmezufuhr sorgt durch Vasodilatation für eine arterielle Hyperämie, eine gesteigerte Durchblutung der Haut und des darunterliegenden Gewebes. Diese führt zusammen mit einer erhöhten Kapillarpermeabilität zu einer besseren Versorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen und einem erhöhten Gewebestoffwechsel. Zudem wurden Hinweise auf eine verbesserte Immunreaktion, wie gesteigerte Makrophagenfunktion und NK-Zellaktivität, gefunden.

Tabelle: Produktbeispiele für Wärmepflaster in der Selbstmedikation [Quelle: Lauer-Taxe, Stand 05.11.2018]
Gruppe
Handelsname
Hersteller
Wirkstoff(e) und Stärke
Anwendungsgebiete
medizinische Pflaster mit Capsaicin
ABC® Lokale Schmerz-Therapie Wärme-Pflaster Capsicum 11 mg Hansaplast med
Beiersdorf
Cayennepfeffer-Extrakt, ­entspr. 11 mg Capsaicin
äußerliche Behandlung zur Linderung von Muskelschmerzen, z. B. Schmerzen im unteren Rückenbereich
ABC® Lokale Schmerz-Therapie Wärme-Pflaster 4,8 mg Hansaplast med
Beiersdorf
Cayennepfeffer-Extrakt, ­entspr. 4,8 mg Capsaicin
äußerliche Behandlung zur Linderung von Muskelschmerzen, z. B. Schmerzen im unteren Rückenbereich
Rheumaplast® 4,8 mg wirkstoffhaltiges Pflaster
Beiersdorf
Cayennepfeffer-Dickextrakt, entspr. 4,8 mg Capsaicin
äußerliche Anwendung zur Linderung von Muskelschmerzen, z. B. Schmerzen im unteren Rückenbereich
medizinische Pflaster mit Nonivamid
ABC® Lokale Schmerz-Therapie Wärme-Pflaster mit Sensitiv-Vlies 9,85 mg Hansaplast med
Beiersdorf
9,85 mg Nonivamid
äußerliche symptomatische Behandlung von Schmerzen der Muskeln im Bereich der Lendenwirbelsäule und der Nackenmuskulatur
Capsi-med® Wärmepflaster
Gothaplast
2,43 mg Nonivamid
Lokalbehandlung zur Linderung von Muskelschmerzen im Bereich der Wirbelsäule (Zervikal- / Thorakal- und Lumbalregion)
Medizin-produkte
doc® Therma Wärme-Auflage bei Nackenschmerzen
Hermes Arzneimittel
Eisenpulver
Medizinische Kohle
Linderung von Muskel- und Gelenkschmerzen und -beschwerden
Kade® Wärmepflaster
Dr. Kade Pharma
Eisenpulver
Medizinische Kohle
Linderung von Schmerzen, bei denen Wärme eine wohltuende Wirkung erzielt, z. B. Muskelschmerzen, Muskelverspannungen, Gelenkschmerzen oder Schmerzen während der Menstruation
Musculind Wärme-Pflaster
Klosterfrau
Minzöl
Eukalyptusöl
symptomatische Linderung von chronischen Muskelschmerzen
SOS® Wärme-Pflaster
Districon
Eisenpulver
Medizinische Kohle
Linderung von Schmerzen, Entspannung von verkrampfter und strapazierter Muskulatur
Thermacare® (diverse)
Pfizer
Eisenpulver
Medizinische Kohle
Linderung von Muskel- und Gelenkschmerzen infolge von Muskelverspannungen, Arthrose, Überanstrengungen, Zerrungen oder Verstauchungen;
Linderung von Regelschmerzen
Gelenk-Aktiv Wärme-Pflaster
Salus
Eisenpulver
Medizinische Kohle
Natriumpolyacrylat
Natriumchlorid
bei Muskelverspannungen, Muskelkater, Muskelkrämpfen, Muskelermüdung, Arthritis- und Periodenschmerzen
Kosmetika
Capsicolle Wärmepflaster
DE-ELG
Capsaicin
Weihrauch
Kampfer
Menthol
Asant
Cinnamomum
Rehmannia
Belladonna
unterstützende Behandlung schmerzhafter Symptome von Muskel- und Gelenkrheumatismus, Ischias, Hexenschuss
Wärmepflaster mit Teufelskralle
Groß
Arnikablüten-Extrakt
D-Campher
Teufelskrallenwurzel-Extrakt
Silberweidenrinde-Extrakt
Lavendelöl
kann hilfreich sein bei: Muskel- und Gelenkschmerzen, rheumatischen Beschwerden, Muskelbeschwerden, Sportverletzungen, Sporttraumata und Überlastungsverletzungen, Schiefhals, Rückenschmerzen

Wärmepflaster für wen?

Trotz der seit Langem verbreiteten Anwendung fehlen randomisierte kontrollierte Studien für die meisten Indikationen der Wärmetherapie. Ein Anwendungsgebiet mit moderater Evidenz sind akute und subakute Schmerzen im unteren Rücken bei Erwachsenen. Ein Cochrane Review aus dem Jahr 2006 kam zu dem Schluss, dass oberflächliche Wärme kurzfristig Schmerzen besser lindert als Placebo. Dieser Effekt wird verstärkt, wenn die Wärmeanwendung mit körperlicher Aktivität kombiniert wird. Diese Kombination reduzierte in den untersuchten Studien die Rückenschmerzen nach sieben Tagen stärker als nur Wärme oder nur Be­wegung. Daher sollte Kunden, die wegen Rückenschmerzen nach Wärmepflastern fragen, zusätz­liche moderate Bewegung empfohlen werden. Wärme­pflaster bieten hier gegenüber vielen anderen Wärmeanwendungen den Vorteil, dass sie die Bewegungsfreiheit kaum einschränken. Für die Anwendung bei chronischen Nacken- und Kreuzschmerzen fehlt die Evidenz. Allerdings muss von der Anwendung aufgrund der geringen Nebenwirkungen und des Beitrags zum Wohlbefinden nicht abgeraten werden. Wärme kann begleitend zur Standardtherapie zur allgemeinen Entspannung eingesetzt werden und bei Anwendung vor oder nach der Behandlung physikalische Maßnahmen, wie Massage oder Krankengymnastik, unterstützen. Weiterhin wird Wärmetherapie positiv bewertet zur Unterstützung bei Fibromyalgie und bei chronischen Zuständen degenerativer Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen, wenn keine akut entzündlichen Vorgänge vorliegen. Zudem kann Wärme die Regeneration bei Sehnenerkrankungen infolge von Sportverletzungen fördern und Muskelkater lindern.

Was ist zu beachten?

Länger anhaltende Schmerzen bedürfen grundsätzlich einer ärztlichen Behandlung und die Selbstmedikation kann hier nur unterstützen. Vor Anwendung eines Wärmepflasters sollte die Akuität des Krankheitszustandes eingeschätzt werden. Sollten sich die Schmerzen bei der Anwendung verstärken, ist die Diagnose zu überprüfen. Es könnten u. a. Entzündungen oder Tumorerkrankungen dahinter stecken. Wärmeanwendungen sind bei akut entzündlichen Vorgängen, wie akuter Arthritis, Arthritis urica oder aktivierten Arthrosen kontraindiziert. Das Gleiche gilt für Fieberzustände, floride Infektionen und akute Zustände nach Traumen. Die erhöhte Durchblutung verstärkt akute Blutungen. Auch wenn thrombotische Erkrankungen vorliegen, sollten Wärmepflaster nicht angewendet werden. Körperregionen und Gewebe mit mangelnder Stoffwechselversorgung (z. B. bei der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit) sollten nicht mit Wärme behandelt werden. Auch bei Patienten mit Herzinsuffizienz oder respiratorischer Insuffizienz wird von einer Wärmetherapie abgeraten. Wärmepflaster dürfen nur auf intakter Haut und wegen der Gefahr der Linsentrübung nicht im Bereich der Augen angewendet werden. Zudem sollte eine Erwärmung der Keimdrüsen oder bei Schwangeren des Fötus vermieden werden. Es ist wichtig, dass der Patient das Pflaster rechtzeitig entfernt, wenn es zu warm wird. Körperregionen mit Sensibilitätsstörungen sollten daher nicht behandelt werden. Da das Risiko von Verbrennungen mit dem Alter zunimmt, sollten Patienten über 55 Jahre Wärmepflaster zu Beginn nur tagsüber anwenden, die Haut im Stundentakt überprüfen und das Pflaster bei unangenehmem Wärmegefühl sofort entfernen. Zusätzliche Wärmezufuhr (z. B. durch Sonne) oder körperliche Aktivität kann die Wirkung verstärken. Bei Überempfindlichkeit gegenüber Capsaicin können Medizinprodukte mit Eisen empfohlen werden.

Beratungstipps zur Anwendung von Wärmepflastern

  • Wenden Sie das Wärmepflaster nur auf unverletzter und trockener Haut direkt über dem Schmerzgebiet an.
  • Ziehen Sie das Abdeckpapier ab und bringen Sie das Pflaster mit der klebenden Seite auf. Waschen Sie anschließend ihre Hände.
  • Das Pflaster darf nicht zerschnitten werden.
  • Entfernen Sie das Pflaster nach der empfohlenen Anwendungsdauer wieder von der Haut, damit es nicht zu Hautirritationen oder Verbrennungen kommt. Entsorgen Sie das Pflaster mit dem normalen Hausmüll.
  • Der Wirkstoff in dem Pflaster führt zu einer verstärkten lokalen Durchblutung, die eine deutliche Hautrötung und ein Wärmegefühl zur Folge hat. Das ist ganz normal. In der Regel gehen diese Erscheinungen innerhalb kurzer Zeit nach Entfernen des Pflasters wieder zurück.
  • Falls während der ersten Behandlungstage ein zu starkes Wärmegefühl oder ein Juckreiz auftritt, sollte das Pflaster entfernt und die Behandlung abgebrochen werden.
  • Die Behandlung mit Wärmepflastern kann mehrere Tage fortgesetzt werden. Bei anhaltenden Beschwerden suchen Sie bitte einen Arzt auf.
  • Wärmepflaster dürfen nicht zusammen mit anderen an gleicher Stelle aufgebrachten topischen Arzneimitteln angewendet werden. Es kann sonst zu Hautschäden oder zur Wirkungsveränderung der aufgetragenen Creme / Salbe / Lotion kommen.
  • Wenn Sie die Wärme als zu intensiv empfinden, können Sie das Wärmepflaster auch über der Kleidung, z. B. einem T-Shirt, tragen.

Fazit

Wenn die oben genannten Hinweise beachtet werden, können Wärmepflaster eine gut verträgliche und wirksame Ergänzung zur Therapie von Muskel-, Sehnen- und Gelenkschmerzen sein. Gerade bei Chronikern kann sich positiv auswirken, dass sie selbstständig etwas gegen die Schmerzen unternehmen können. Nicht zu unterschätzen sind die allgemeinen Entspannungseffekte durch Wärme wie Senkung der Muskelspannung und des Blutdrucks. Bewegung leistet ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Schmerzlinderung und erzielt in Kombination mit Wärmeanwendungen eine bessere Wirkung als beide Maßnahmen allein. Dabei ist es vorteilhaft, dass Wärmepflaster die normale körperliche Aktivität kaum einschränken. |

Quellen

Kosaka M, Sugahara T, Schmidt KL, Simon E. Thermotherapy for Neoplasia, Inflammation, and Pain, ­Springer Verlag 2001

Schewior-Popp S, Sitzmann F, Ullrich L. Thiemes Pflege, 13. Auflage, Thieme 2017

Diener H-C, Maier C. Die Schmerztherapie: Interdisziplinäre Diagnose- und Behandlungsstrategien, 4. Auflage, Elsevier 2011

Hildebrandt J, Pfingsten M. Rückenschmerz und Lendenwirbelsäule, 2. Auflage, Elsevier 2011

Malanga GA et al. Mechanisms and efficacy of heat and cold therapies for ­musculoskeletal injury, Postgraduate Medicine 2014;127(1):1-9

French SD et al. A Cochrane review of superficial heat or cold for low back pain, Spine 2006;31(9):998-1006

Autorin

Apothekerin Sarah Katzemich Pharmaziestudium an der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, seit 2015 beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Bereich „Informationssystem Arzneimittel“ tätig

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