Kongresse

Gemeinsam für eine sichere Schmerztherapie

Erfolgreiches Arzt-Apotheker-Symposium

MANNHEIM (ck) | Im Rahmen des Deutschen Schmerzkongresses fand am 18. Oktober 2018 auch in diesem Jahr ein Arzt-Apotheker-Symposium statt. Im Mittelpunkt standen unter anderem die Vor -und Nach­teile von Schmerzmitteln wie Metamizol sowie der Kopfschmerz durch Medikamenten-Übergebrauch.

Metamizol ist ein in Deutschland häufig eingesetztes Analgetikum, das sehr selten eine lebensgefährliche Agranulozytose auslösen kann. Die Verordnungszahlen sind nach wie vor hoch, wie Prof. Dr. med. ­Ulrike Stamer von der Universität Bern berichtete. Dies sei umso bemerkenswerter, da es seit Langem Bestrebungen gibt, den Verbrauch von Metamizol zu reduzieren. Wegen des Risikos einer immunologisch bedingten Agranulozytose wurden Metamizol-haltige Präparate in den 1970er-Jahren in vielen Ländern vom Markt genommen. Wegen der unerwünschten Wirkungen, gastrointestinalen und kardiovaskulären Risiken ist der Einsatz von Analgetika wie NSAR oder Coxiben gerade bei älteren Patienten problematisch. Da Metamizol nicht mit einer höheren Morbidität und Mortalität assoziiert ist als NSAR, sieht Stamer den Wirkstoff nach wie vor als eine wichtige Ergänzung der Schmerzmittelpalette.

Foto: DAZ/ck
Erfolgreiche Kooperation Deutsche Schmerzgesellschaft, Deutsche ­Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft und Landesapothekerkammer Baden-Württemberg veranstalteten gemeinsam ein Symposium. Im Bild Silke Laubscher von der LAK und die Referenten Prof. Dr. Gerd Mikus, Dr. Nicola Hackmann-Schlichter und Dr. Torsten Kraya (v. l.).

Achtung Agranulozytose!

Laut Fachinformation soll bei einer längeren Behandlung mit Metamizol regelmäßig das Differenzialblutbild kontrolliert werden. Aber eine Agranulozytose kann in einem sehr variablen Zeitintervall auftreten, am ersten Behandlungstag oder erst Monate nach Therapiebeginn. Es kann keine evidenzbasierte Empfehlung für den Zeitpunkt von Blutbildkontrollen getroffen werden. Das Auftreten klinischer Symptome sollte Anlass für eine Blutbildkontrolle sein, um durch eine frühzeitige Diagnose Komplikationen zu vermeiden. Wichtig für eine sinnvolle Komplikationsprävention ist es, Patienten, Angehörige und Pflegepersonal über die Symptome einer Agranulozytose aufzuklären, ­betonte Stamer. Neben allgemeinen Symptomen wie Fieber, Halsschmerzen, Abgeschlagenheit und Muskelschmerzen sind Schleimhautulzerationen, eine Angina und systemische Infektionen bis zur Sepsis typisch (siehe Kasten). In Verdachtsfällen müssen unverzüglich alle Arzneimittel abgesetzt werden, die eine Agranulozytose auslösen können. Wenn eine Agranulozytose rechtzeitig erkannt wird, ist die Prognose gut.

Typische Symptomtrias einer Agranulozytose

  • Fieber (eventuell als einziges Symptom!)
  • Halsschmerzen, Angina tonsillaris
  • entzündliche Schleimhautläsionen

Kopfschmerz durch Medikamenten-Übergebrauch

Dr. med. Torsten Kraya, Facharzt für Neurologie von der Ambulanz für Kopf- und Gesichtsschmerzen der Poliklinik für Neurologie der Universität Halle-Wittenberg, beschrieb den Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz (Medication Overuse Headache, MOH) als eine typische sekundäre Kopfschmerzart. Bei primären Kopfschmerzen (Migräne) ist der Kopfschmerz die Erkrankung. Sekundäre Kopfschmerzen treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit einer anderen Erkrankung auf, die als Ursache von Kopfschmerzen angesehen wird. Ein Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz entwickelt sich aber nur, wenn eine primäre Kopfschmerz­erkrankung vorlag. Bekommt z. B. ein Patient mit einer primären Kopfschmerzerkrankung Rückenschmerzen und erhält dagegen über einen längeren Zeitraum Analgetika, so kann sich ein Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz entwickeln. Hat der Patient aber nur Rückenschmerzen (ohne primäre Kopfschmerzerkrankung) entwickelt er diesen nicht, auch wenn er lange Schmerzmittel einnimmt. Prinzipiell kann jeder Wirkstoff, der in der Akuttherapie primärer Kopfschmerzen wirksam ist, bei falscher Anwendung selbst Kopfschmerzen erzeugen. Es werden sowohl Schmerzmittel- als auch Ergotamin- bzw. Triptan-induzierte Kopfschmerzen unterschieden. Entscheidend sei das Einnahmeverhalten, so Kraya. Patienten, die an mehr als 15 Tagen im Monat über drei Monate ein einfaches Schmerzmittel (z. B. Acetylsalicylsäure, Ibuprofen, Paracetamol) oder an mehr als zehn Tagen ein Triptan, ein Opiat oder ein Kombinationspräparat (z. B. mit ASS, Paracetamol und Coffein) einnehmen, können einen MOH entwickeln, egal welche Dosis verwendet wird. Ein Medikamenten-Übergebrauch-Kopfschmerz entwickelt sich meist erst, wenn die Schmerzmittel über Monate oder gar Jahre häufig eingenommen werden. In der Behandlung steht an erster Stelle die Beratung, damit Patienten überhaupt erkennen, dass es einen Zusammenhang geben kann zwischen der zu häufigen Einnahme der Medikation und den Kopfschmerzen. Ziel ist die Reduktion der Einnahme auf unter 15 Tage pro Monat für Analgetika und unter zehn Tage für Triptane. Da gezeigt werden konnte, dass Patienten, die mit der Akuttherapie einer Kopfschmerz­attacke nicht zufrieden waren, ein zweifach erhöhtes Risiko für einen MOH hatten, sollte immer gefragt werden, wie erfolgreich denn die Akuttherapie ist. Es sollte auch erklärt werden, dass kein Medikamentenentzug bevorsteht, denn es liegt keine Abhängigkeit im herkömmlichen Sinne vor, sondern ein Übergebrauch. Ziel ist kein Entzug, sondern eine Medikamentenpause. Das bedeutet, dass der Patient nach der Pause mit einer gewissen Latenz wieder seine Arzneimittel einnehmen kann. Mit sehr erfolgreichen stationären Programmen kann zwar die Arzneimittelmenge effektiv reduziert werden, so Kraya, aber es gibt viel zu wenige Angebote. Je schneller und besser die Attackenfrequenz reduziert werde und die Intensität der Kopfschmerzen abnimmt, um so weniger treten Depressionen und Angsterscheinungen auf. Edukation sei das Entscheidende, betonte Kraya, an zweiter Stelle stehen die medikamentöse und nicht-medikamentöse Prophylaxe. Dabei wird ein multimodaler Ansatz verfolgt. Zum Therapieerfolg tragen Entspannungsübungen ebenso bei, wie regelmäßiger Ausdauer­sport. Damit können ähnliche Effekte wie mit einer medikamentösen Prophylaxe erreicht werden. Es gilt, die Patienten zu motivieren, selbst aktiv zu werden, um die Kopfschmerzen selbst positiv zu beeinflussen.

Beratung mit viel Fingerspitzengefühl

Wie wichtig eine frühe Ansprache und Aufklärung in der Apotheke ist, zeigte Apothekerin Dr. Nicola Hackmann-Schlichter aus Wiesloch. Schnell falle hier auf, wenn Kunden häufiger Schmerzmittel in der Selbstmedikation kaufen. Doch ob und wie dieses heikle Thema angesprochen wird, ist nicht einfach. Hierzu sei zum einen eine klare Positionierung in der Apotheke erforderlich, in der die heilberuflichen Aspekte über den monetären stehen sollten. Zum anderen sei viel Fingerspitzengefühl notwendig, Kunden anzusprechen, betonte Hackmann-Schlichter. Es sei notwendig, sachlich darzustellen, dass ein kritischer Konsum oder schädlicher Gebrauch eines Arzneimittels aufgefallen ist. Ohne Ironie, Vorwürfe oder Angstmacherei in einen Dialog mit dem Patienten zu treten, das ist die große Kunst. Das Wort Missbrauch sollte vermieden werden, da es mit negativen Assoziationen verbunden ist und jeder sofort versuche, ein Gespräch zu vermeiden. Man sollte in der Beratung auch nicht gleich eine böse Absicht unterstellen. Oft glauben die Patienten, dass nicht verschreibungspflich­tige Arzneimittel unbedenklich eingenommen werden können. Hier kann es sehr hilfreich sein, zu erklären, dass das eben nicht der Fall ist. Die Wirkstoffe sind unter bestimmten Voraussetzungen aus der Verschreibungspflicht entlassen worden und es macht Sinn, dass diese Arzneimittel nur in geringen Mengen über einen kurzen Zeitraum bei Schmerzen eingenommen werden sollten. Ein konstruktiver Dialog mit den Patienten sollte den Anlass der Arzneimittelanwendung sowie Art und Dauer des Gebrauchs beinhalten. |

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