Deutscher Apothekertag 2018

Botendienst und Binnensicht

Ein Kommentar von Peter Ditzel

Peter Ditzel, Heraus­geber der Deutschen Apotheker Zeitung

Das Rx-Versandverbot löst sich gerade in Luft auf. Die Päckchen­packer im Arzneiversandhandel bringen‘s bis an die Haustür, Amazon setzt alles dran, einen Weg zu finden, seine Kunden noch am selben Tag („same day delivery“) oder zumindest am Folgetag zu beliefern. Und die Apothekenbetriebsordnung klammert sich an „die Zustellung durch Boten der Apotheke im Einzelfall“. Ok, was heißt schon Einzelfall? Ehrlicherweise und realiter ist die Sache mit dem Einzelfall heute eh kaum noch anzutreffen – der „Einzelfall“ wird bereits als Wettbewerbsinstrument eingesetzt, wenn etwa Apotheken auf ihren Lieferautos oder -fahrrädern mit der Aufschrift „Ihre Apotheke bringt’s“ oder ähnlich für ihren ­Zustelldienst werben. Die Kunden erwarten es, dass die Apotheke liefert, wenn ein Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist. Und mal für uns selbstkritisch angemerkt: Unsere Kunden dürfen dies erwarten. Es ist nicht ihre Schuld, dass ein Arzneimittel nicht vorrätig ist, es liegt oft auch an den schmalen Arzneimittellagern, mit denen so manche Apotheke aus Kosten- oder anderen Gründen bewusst arbeitet. Also, warum nicht endlich Flagge zeigen und den apothekenrechtlichen Apothekenbotendienst im Einzelfall zu einem Botendienst als Regelversorgung im lokalen Umfeld der Vor-Ort-Apotheke zulassen? Die Sache mit der Beratung durch pharmazeutisches Personal – sofern notwendig und geboten – kann dabei sehr wohl geregelt werden: entweder bei der Abgabe des Rezepts in der Apotheke oder spätestens bei der Auslieferung. Außerdem könnte man im Jahre 2018 ersatzweise die telefonische Beratung erlauben. Letztlich ist es längst an der Zeit, auch über eine telepharmazeutische Beratung (z. B. Videoberatung oder Beratung à la Skype u. ä.) nachzudenken. Wir sollten da rasch eine Lösung finden, vor allem, da das E-Rezept vor der Tür steht! Wir werden z. B. eine Lösung brauchen für folgendes Szenario: Der Kunde schickt sein E-Rezept zur Vor-Ort-Apotheke (und zum Glück nicht zum holländischen Versender!) und erwartet, dass die Apotheke seine Arzneimittel nach Hause bringt. Wann und wo wird dann beraten? Die Telepharmazie, das Telefongespräch drängen sich geradezu auf. Die Apothekerkammer Nordrhein brachte auf dem Apothekertag dazu vorausschauend einen Antrag ein. Sie schlug vor, den Botendienst als Regelversorgung zuzulassen und die persönliche Beratung durch ein Telefongespräch oder mittels Videoschaltung vornehmen zu dürfen. Ein Antrag mit Weitsicht – den die Kammer allerdings zurückzog. Das kann man nur bedauern, da wurde eine Chance vertan!

Die Kammer forderte zusätzlich, dass der Botendienst durch den Patienten oder die Versichertengemeinschaft honoriert werden sollte. Das kann man zwar fordern, ist aber wohl ein wenig blauäugig, zumal eine Honorierung des Botendienstes wohl eher dem Wettbewerb unterliegt und die Versichertengemeinschaft sicher nicht dafür aufkommen wird.

Übrigens, auch die Landesapothekerkammer Thüringen versuchte sich mit einem Antrag, der in Richtung bezahlter Botendienst ging: Ärzte sollten die Möglichkeit haben, auf Verschreibungen die Auslieferung der verordneten Arzneimittel per Apothekenboten zu veranlassen; die Apotheke sollte die Zustellung dann mit der Krankenkasse abrechnen dürfen. Gut gemeint, aber in Zeiten von Versandhandel und E-Rezept mit Sicherheit nicht machbar. Die Kassen würden ihre Patienten an Versandapotheken verweisen, die Rezeptbestellungen kostenlos ausliefern. Der Antrag landete in einem Ausschuss, Schicksal ungewiss.

Was diese Anträge allerdings zeigten: Wir brauchen dringend eine ­Lösung zum Thema Botendienst. Keine Lösung dürfte dagegen die wenige Tage vor dem Apothekertag verabschiedete Resolution der Pharmazieräte sein: Sie versuchten einen Unterschied herauszuarbeiten zwischen einer Kundenbestellung beispielsweise per Telefon oder E-Mail und einer Bestellung im Web­shop der Apotheke. In beiden Fällen erwartet der Kunde eine Lieferung nach Hause. Im ersten Fall darf die Apotheke umgehend einen Boten schicken (Zustellung am gleichen Tag), im zweiten Fall muss sie einen externen Lieferdienst (DHL o. a.) ­beauftragen, Zustellung frühestens wohl am übernächsten Tag. Rein rechtlich sind diese Unterschiede, abhängig vom Bestellweg, heute so gegeben. Aber, ist das auch noch zeitgemäß? Kann das der Kunde verstehen? Oder ist das unsere Binnensicht, die hier an solchen Unterschieden festhält? Sollte man nicht lieber fordern, dass eine Bestellung bei einer Vor-Ort-Apotheke, sei es im Webshop, telefonisch, per App, per E-Mail oder wie auch immer, in jedem Fall durch den Botendienst ausgeführt werden darf?

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