Wirtschaft

Fachlich oder politisch? 

Ein Kommentar von Dr. Thomas Müller-Bohn

Beim Pharmacon in Schladming hat sich die ABDA gegen eine Detail­diskussion zum Honorargutachten ausgesprochen. Wenn man sich mit einzelnen Vorschlägen auseinandersetze, sei man schon mitten in einer Diskussion, die die ABDA nicht führen wolle, erklärte ABDA-Präsident Friedemann Schmidt.

Offenbar sieht die ABDA eine fachliche Debatte als politisch problematisch oder zumindest diplomatisch ungeschickt an. Doch lässt sich das wirklich trennen? Können die Apotheker eine politische Arbeit gegen das Gutachten betreiben, ohne es fachlich zu entkräften?

Nein, meine ich – und dies aus drei Gründen. Erstens braucht auch der wohl­wollendste Politiker fachliche Argumente, um ein solches Gutachten zu „beerdigen“. In einer großen Koalition mit vielen widerstreitenden ­Interessen gilt das noch mehr als sonst. Doch wer soll die fachlichen Argumente liefern, wenn nicht die Apotheker selbst?!

Zweitens gibt es im Gesundheits-system viele Akteure, die den Apothekern nicht wohlwollend gegenüberstehen. Diese könnten sich in dem Gutachten über Jahre hinweg mit Argumenten bedienen, wenn es nicht „offiziell“ als ungeeignete Betrachtung verworfen wird. Ein kommentarloses Verschwindenlassen des Gutachtens würde dagegen nicht helfen. Denn es gibt genug Interessierte, die es immer wieder „ausgraben“ würden.

Apotheker sind keine „Schachtelverkäufer“

Drittens ist das Gutachten geradezu ein Paradebeispiel dafür, wie politische und fachliche Aspekte zusammenwirken. Das folgenreichste Problem im Rechenweg des Gutachtens ist die Kostenverrechnung anhand der Packungszahlen. Dies widerspricht dem etablierten Verursachungsprinzip und ist daher schon rein betriebswirtschaftlich unangebracht. Doch die fachliche Kontroverse um eine angemessene Kostenverrechnung ist auch ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Sicht auf die Apotheken. Wer Apotheker als „Schachtelverkäufer“ auf die Logistik reduziert, mag eine packungs­bezogene Verrechnung passend finden. Doch wer den ganzheitlichen Versorgungsauftrag sieht, muss auch die Apotheke als ganze Institution honorieren und ihre Kosten dementsprechend verrechnen. Dies ergibt sich aus pharmazeutischen und betriebswirtschaftlichen Betrachtungen, die bereits in der DAZ vorgestellt wurden, und lässt sich auch juristisch erklären, wie Heinz-Uwe Dettling in seiner jüngsten Stellungnahme zeigt.

Im Mittelpunkt steht dabei immer der gesetzliche Versorgungsauftrag, der alle Patienten, alle Arzneimittel und vielfältige Pflichten der Apo­theken umfasst. Diese Zusammenhänge müssen stärker verdeutlicht werden. Dann kann die jetzt nötige Debatte sogar helfen, den relevanten Akteuren weitere Positionen der Apotheker zu vermitteln.

Außerdem ist die Diskussion über die Zukunft der Apothekenhonorierung auch ohne das Gutachten fällig. Diese politische Diskussion bietet viele Chancen. Doch den fachlichen Unterbau dafür müssen die Apotheker liefern.

Dr. Thomas Müller-Bohn,
Apotheker und Dipl-Kaufmann,
Auswärtiges Mitglied der Redaktion der DAZ

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