DAZ aktuell

Valsartan: Welche Ansprüche haben die Patienten?

Die Gefährdungshaftung nach dem Arzneimittelgesetz und die Tücken der Beweislast

BERLIN (ks) | Nach wie vor beunruhigen die Valsartan-Rückrufe Patienten und ihre Angehörigen. Auch wenn weiterhin nicht klar ist, in welchem Maße die einzelnen Präparate mit NDMA kontaminiert sind und wie groß die Gefahr für die Betroffenen tatsächlich ist: Schon dass NDMA als „wahrscheinlich krebserregend beim Menschen“ eingestuft wird, lässt die Sorge um die Gesundheit wachsen. Viele fragen sich nun, welche Rechte sie haben. Können sie juristisch gegen die Hersteller ihrer Arzneimittel vorgehen? DAZ.online hat beim Freiburger Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht Heiko Melcher nachgefragt.
Foto: Schnepper und Melcher
Heiko Melcher

Vergangene Woche hatten Melcher und seine Kollegin Ricarda Thewes von der Kanzlei Schnepper und Melcher Betroffene und Interessierte zu einer Valsartan-Information in ihre Kanzleiräume geladen. Das Interesse war groß – die Teilnehmerzahl angesichts der räumlichen Möglichkeiten aber auf 30 beschränkt. Melcher zufolge wollten Patienten und Angehörige vor allem wissen, wie sicher nun ihre neuen Valsartan-Arzneimittel sind, die nicht vom Rückruf betroffen sind. „Das waren pharmakologische Fragen, die wir als Juristen natürlich nicht beantworten konnten.“

Am Anfang stehen Auskunftsansprüche

Doch Melcher und seine Kollegin stellten die juristischen Möglichkeiten vor. In Betracht kommen vor allem Haftungs- und Auskunftsansprüche nach dem Arzneimittelgesetz. Am Anfang stehe in der Regel die Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gemäß § 84 a Arzneimittelgesetz (AMG) gegenüber pharmazeutischen Unternehmen und Behörden, erklärt Melcher. Sie müssen über Verdachtsfälle, Neben- und Wechselwirkungen des Medikaments Auskunft geben.

Sodann ist die wichtigste Regelung die Gefährdungshaftung nach § 84 AMG. Der Anspruch kann gegenüber dem pharmazeutischen Unternehmer geltend gemacht werden: Hat er ein Arzneimittel in den Verkehr gebracht, wodurch ein Mensch getötet oder nicht unerheblich in seiner Gesundheit verletzt wurde – bei bestimmungsgemäßem Gebrauch –, ist er zum Ersatz des hierdurch entstandenen Schadens verpflichtet. Liegen die Voraussetzungen der Norm vor, können auch Schmerzensgeldansprüche geltend gemacht werden. Das Schmerzensgeld bemisst sich dabei nach dem Grad der Beeinträchtigung der Patienten bei einer Erkrankung. Für die Gefährdungshaftung ist es nicht von Belang, ob er von der Verunreinigung wusste, betont Melcher. „Der Anspruch besteht davon unabhängig.“ Allerdings prüft der Anwalt gerade, ob nicht auch ein Vorwurf insoweit an die pharmazeutischen Unternehmer zu erheben ist, dass sie die Hersteller in den Drittländern nicht ausreichend überwacht haben.

Beweislast-Ping-Pong

Melcher räumt ein, dass der Anspruch aus dem Arzneimittelgesetz auch seine Tücken hat. Zwar sieht § 84 AMG eigentlich eine Beweiserleichterung zugunsten des Patienten vor: Ist das Arzneimittel im Einzelfall geeignet, den Schaden zu verursachen, so wird vermutet, dass der Schaden auch hierdurch verursacht wurde. „Weiß man also, dass NDMA in bestimmten Valsartan-haltigen Arzneimitteln beispielsweise zu Nierenkrebs führen kann und liegt ein solcher Tumor auch vor, wird zunächst vermutet, dass NDMA ursächlich hierfür war“, erläutert Melcher. Aber: Die Vermutung gilt nicht, wenn ein anderer Umstand ebenfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen. „Haben wir es zum Beispiel mit einem starken Raucher zu tun, wird es schwierig“, so der Anwalt. „Dann müsste der Patient wiederum darlegen, warum das nicht die Ursache der Erkrankung sein kann. Es kommt damit zu einem Ping-Pong-Spiel der Beweislast. Das macht die Angelegenheit schwierig.“ Hinzu komme, dass solche Verfahren sich über Jahre hinziehen können. Fünf bis zehn Jahre können durchaus vergehen, ehe ein rechtskräftiges Urteil vorliegt.

Dennoch rät Melcher Betroffenen, sich auf einen solchen Prozess einzulassen – jedenfalls, wenn sie eine Rechtschutzversicherung haben. Denn natürlich gebe es auch Risiken. Übertriebene Eile ist aber nicht nötig. Die Patientenansprüche verjähren in drei Jahren – und diese Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Schaden eingetreten ist. |

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