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Haarausfall individuell behandeln

Orale Basistherapie kann mit topischen Mitteln kombiniert werden

rs | Dass 70 bis 100 Kopfhaare pro Tag ausfallen ist normal, solange sie in gleicher Menge und Qualität nachwachsen. Das ist bei 80 Prozent der Männer und der Hälfte der Frauen nach der Menopause nicht der Fall. Sind systemische Erkrankungen als Ursache ausgeschlossen oder werden behandelt, ist Haar­ausfall ein dankbares Feld für die Selbstmedikation. Tipps zur Beratung und Fallbeispiele gab es bei der dermatologischen Fortbildungswoche in München.

Die häufigste Diagnose bei Frauen ist ein anlagebedingter Haarausfall mit periodisch akuter Aktivität bzw. gleichzeitig bestehendem diffusem Telogen-Effluvium (Haarausfall, der nicht zur völligen Kahlheit führt). Wie der Hautarzt Dr. Andreas Finner, Berlin, erläuterte, sollten ärztlicherseits mögliche Ursachen wie Eisenmangel, Infektionen sowie hormonelle Ein­flüsse ausgeschlossen werden. Initial empfiehlt er den meisten Frauen und Männern mit akutem diffusem Telogen-Effluvium stets die Basistherapie mit einer oralen Kombination von Medizinalhefe, B-Vitaminen, Cystin/Keratin und Calciumpantothenat (Pantovigar®). Diese bremst meist den Haarausfall, messbar beim Zupftest, ärztlicherseits auch durch die Tricho­skopie. Je nach Kopfhautbild kann ein Antischuppenshampoo hilfreich sein. Nach vier bis sechs Monaten wird der Erfolg kontrolliert, die Behandlung gegebenenfalls modifiziert.

Foto: Merz Pharmaceuticals

Geduld ist wichtig

Zur Basistherapie mit Pantovigar® rät Finner auch bei der aktiven androgenetischen Alopezie. Ursache ist hier die Aktivität der Steroid-5α-Reduktase in den Haarfollikeln bzw. eine Überempfindlichkeit der Follikel gegen das durch dieses Enzym gebildete Dihydro­testosteron (DHT). Die DHT-Aktivität kann bei Abfallen weiblicher Hormone in den Wechseljahren gegenüber Estrogenen dominieren und so den Haarausfall anstoßen. Hemmstoffe der 5α-Reduktase wie Alfatradiol wirken dem entgegen; zugelassen ist lokal appliziertes Alfatradiol zur Steigerung der verminderten Anagenhaarrate bei der leichten androgenetischen Alopezie. Die alkoholische Lösung (z. B. Pantostin®) kann kurzfristig etwas auf der Kopfhaut brennen, gilt ansonsten als sehr gut verträglich. Eine Besserung des Haarausfalls braucht Geduld, ist nie vor Ablauf eines Monat zu erwarten. Ist nach vier Monaten kein sichtbarer Erfolg zu verzeichnen, kann zusätzlich Minoxidil abends (Alfatradiol morgens) appliziert werden. Für Männer kommt auch Finasterid als 1-mg-Tablette infrage, wenngleich bei dem oralen 5α-Reduktasehemmer derzeit verstärkt unerwünschte Wirkungen diskutiert werden.

Bei nicht-aktiver androgenetischer Alopezie mit länger bestehendem Haarverlust können verschiedene Maßnahmen wie orale Basistherapie, Alfatra­diol, Minoxidil und orales Finasterid kombiniert werden. Der Behandlungsplan sollte vom Facharzt erstellt werden. Besteht weiterhin Behandlungs­bedarf, kann Mann/Frau über weitere Behandlungsmethoden informiert werden, die jedoch außerhalb der Selbstmedikation angesiedelt sind: Haartransplantation, Photobiostimulation oder die Anregung des Haarwachstums mit PRP („Plättchen-reiches Plasma“). Bei PRP handelt es sich um das konzentrierte, angereicherte Blutplasma des Patienten, das nach einer speziellen Aufarbeitung hohe Konzentrationen an Blutplättchen, Wachstumsfaktoren und Proteinen enthält.

Quelle

Mittagsseminar „Mögliche Herangehensweisen bei Haarausfall – Drei Experten berichten“, im Rahmen der 26. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie, München 26. Juli 2018; Merz Pharmaceuticals GmbH

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