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Beratung

„Breast is best“

Wie Muttermilch vor Allergien schützt

Im Alltag ist das Thema „Allergien“ omnipräsent: Bei Kindergeburtstagen ist es mittlerweile normal, dass ein Gastkind bestimmte Lebensmittel nicht essen darf, beim Discounter gibt es glutenfreie Produkte, der Wetterbericht meldet den Pollenflug gleich mit. Die KIGGS-Studie (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) kommt zu dem Schluss, dass Allergien – bei steigender Tendenz – die häufigste Erkrankung im Kindesalter sind. Entsprechend groß ist die Sorge junger oder werdender Eltern, dass ihr Kind eine Allergie entwickeln könnte. In der Beratung junger Familien sollten Apotheken Ängste nehmen, über die einzelnen Allergien aufklären, vor allem jedoch zu einer sinnvollen Allergieprophylaxe beraten. | Von Sabine Werner

Von Bedeutung sind zum einen die Allergien des atopischen Formenkreises. Unter „Atopie“ wird allgemein die Neigung zur Entwicklung einer Allergie verstanden, die häufigsten Erscheinungsformen sind das atopische Ekzem (Neurodermitis, atopische Dermatitis), die allergische Rhinokonjunktivitis („Heuschnupfen“) und das allergische Asthma bronchiale. Atopie tritt familiär gehäuft auf, Kinder, bei denen ein oder beide Elternteile oder ein Geschwisterkind Atopiker sind, gelten als „Risiko-Kinder“. In der Regel tritt im Säuglings- oder Kleinkindalter zunächst eine Neurodermitis auf, die oft bis ins Grundschulalter wieder verschwindet. Das Risiko, später Heuschnupfen oder allergisches Asthma zu entwickeln, ist jedoch hoch. Etwa 30% der Kinder mit Neurodermitis entwickeln gleichzeitig auch noch andere Aller­gien, meist gegen Nahrungsmittel.

Unter den Nicht-Atopikern tritt nur bei etwa 2% bis 4% der Kinder eine echte Nahrungsmittelallergie auf. Dabei ist vielen Laien der Unterschied zwischen einer Allergie auf ein bestimmtes Nahrungsmittel und einer Nahrungsmittelintoleranz nicht bewusst. Während bei Allergien kleinste Mengen des Lebensmittels durch eine überschießende Immunreaktion eine heftige Unverträglichkeitsreaktion des Körpers auslösen können, liegen bei Intoleranzen Unverträglichkeiten aus anderen Gründen vor, z. B. ein Enzymdefekt der zu einer unvollständigen Verdauung führt. Hier werden kleine Mengen des betroffenen Nahrungsmittels vertragen, es gibt eine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung zwischen aufgenommenem Stoff und Reaktion des Körpers.

Typische Symptome einer Nahrungsmittelallergie sind gastrointestinale Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und Blähungen. Weiter können auch Jucken und Brennen auf der Mundschleimhaut, Hautreaktionen wie Rötungen oder Urtikaria, unspezifische Symptome wie Abgeschlagenheit oder Kopfschmerzen und lebensgefährliche Symptome wie ein Anschwellen der Bronchialschleimhaut bis hin zu einem anaphylaktischen Schock auftreten. Es wird zwischen Sofortreaktionen, die innerhalb der ersten zwei Stunden nach Verzehr auftreten, und Spät­reaktionen unterschieden. Letztere können noch 36 bis 48 Stunden nach dem Verzehr eines Allergens auftreten, so dass eine Zuordnung oft schwierig ist. Zu den Spätreaktionen zählt auch eine akute Verschlechterung eines atopischen Ekzems. Eine Sonderform ist das orale Allergie­syndrom. Hier liegt eine Kreuzallergie zwischen einem Inhalationsallergen, das Heuschnupfen verursacht (z. B. Hasel­pollen) und einem Lebensmittel vor (z. B. Haselnüsse). Die sekundäre Nahrungsmittel-Allergie äußert sich dann oft nur als Jucken oder pelziges Gefühl auf der Mundschleimhaut bei Verzehr.

Nahrungsmittel, die im Kindesalter häufig Allergien aus­lösen, sind Kuhmilch, Hühnereiweiß oder Weizenmehl. Die gute Nachricht für betroffene Familien ist, dass diese Allergien meist bis ins Grundschulalter wieder verschwinden, so dass eine Eliminationsdiät, die die ganze Familie belasten kann, meist nur für zwei oder drei Jahre durchgehalten werden muss. Anders verhält es sich mit den ebenfalls häufigen Allergien gegen Erdnüsse und verschiedene Baumnüsse: Sie persistieren meist, so dass auf die entsprechende Nuss in der Ernährung auch lebenslang verzichtet werden muss.

Ist eine Prävention möglich?

Ein wichtiges Thema in der Beratung Schwangerer und junger Mütter ist die Allergieprävention. Orientierung können hier z. B. die Leitlinie „Allergieprävention“ (bezogen auf atopische Erkrankungen) der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) oder die Handlungsempfehlungen „Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen“ von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“ geben. Dem Netzwerk „Gesund ins Leben“ gehören über 600 Fachgesellschaften, Institutionen und Verbände an. Seine Handreichungen sollen evidenzbasiert einheitliche Empfehlungen aller Akteure des Gesundheitswesens für junge Familien in Deutschland ermöglichen. Entgegen früherer Empfehlungen hat der Verzicht auf potenzielle Nahrungsmittelallergene in der Schwangerschaft keinen Einfluss auf das spätere Allergierisiko des Kindes. Die Ernährung sollte also uneingeschränkt vielseitig und ausgewogen sein. Ausdrücklich befürwortet wird der Verzehr von fettreichem Seefisch zweimal pro Woche, da hier ein allergieprotektiver Effekt beobachtet wurde. Aktive Allergieprävention für ihr Kind kann die werdende Mutter außerhalb der Ernährung betreiben: So sollte sie aktives und passives Rauchen sowie Schimmelpilze und andere Luftschadstoffe vermeiden und sich keine Katze anschaffen. Auch eine natürliche Geburt an­stelle eines Kaiserschnitts wird vor allem für familiär vor­belastete Kinder empfohlen.

Optimaler Start: Stillen

Nach der Geburt ist die wichtigste Maßnahme zur Allergieprävention, soweit möglich, das ausschließliche Stillen des Säuglings in den ersten vier bis sechs Lebensmonaten. Gegen die Proteine der Muttermilch kann keine Sensibilisierung erfolgen. Zusätzlich liefert sie Faktoren, die die Reifung des kindlichen Immunsystems sowie die Bildung einer gesunden Darmflora fördern, die bei Einführung von Beikost vor einer Sensibilisierung schützt. Gleichzeitig gehen allergene Lebensmittel in Spuren in die Muttermilch über, so dass sich der kindliche Körper daran gewöhnen kann. Die Mutter sollte also entgegen früherer Annahmen nicht auf klassische Nahrungsmittelallergene verzichten, sondern auch in der Stillzeit auf eine ausgewogene Ernährung achten. Für den regelmäßigen Konsum von fettreichem Meeresfisch wird ebenfalls ein allergieprotektiver Effekt beschrieben.

Säuglingsernährung

Können oder wollen Mütter nicht stillen, kann auf industriell hergestellte Säuglingsmilchnahrungen ausgewichen werden.

Säuglings-Anfangsnahrungen
Säuglings-Anfangsnahrungen eignen sich für die Ernährung ab der Geburt und während des gesamten ersten Lebensjahrs. Unterschieden werden nach dem Kohlenhydratanteil Pre- und 1er-Nahrung:

  • Pre-Nahrung ähnelt in der Zusammensetzung der Nährstoffe der Muttermilch am meisten. Sie enthält als Kohlenhydrat nur Milchzucker (Lactose) und ist dünnflüssig wie Muttermilch.
  • 1er-Nahrung enthält als zusätzliches Kohlenhydrat Stärke. Der Energiegehalt (in Kalorien) entspricht dem der Pre-Nahrung, sie ist aber von sämigerer Konsistenz.

Folgenahrung
Folgemilch (2er- oder 3er-Nahrungen) ist in ihrer Zusammensetzung weniger an die Muttermilch angenähert als Anfangsnahrung. Eine Einführung der Folgemilch ist frühestens ab dem fünften Monat neben der Beikost möglich, jedoch nicht notwendig.

HA-Säuglingsnahrung
Säuglingen mit erhöhtem Allergierisiko, die nicht gestillt werden, wird im ersten Lebenshalbjahr eine hypoallergene (HA) Säuglingsnahrung empfohlen (mindestens bis zum Beginn des fünften Monats). Sie enthält Proteinhydrolysate, die eine geringe Restallergenität besitzen und nicht als Therapienahrung bei einer Allergie gegen Kuhmilch geeignet ist.

Heilnahrungen (HN) enthalten leicht verfügbare Kohlenhydrate, geringe Protein-und Fettmengen, Vitamine und Mineralstoffe. Sie können eingesetzt werden, wenn Säuglinge an Durchfall leiden, haben aber keinen Bezug zur Allergieprävention.

Möchte oder darf die Mutter nicht stillen, sollte der Säugling über mindestens vier Monate ausschließlich mit industriell hergestellter Säuglings-Anfangsnahrung auf Kuhmilchbasis ernährt werden (s. Kasten „Säuglingsernährung“). Selbst hergestellte Zubereitungen aus Kuhmilch und anderen Zutaten sind aufgrund ihres hohen Proteinanteils und dem Fehlen zahlreicher Nährstoffe nicht für die Ernährung im ersten Lebensjahr geeignet. Anfangsmilchnahrungen zur alleinigen Ernährung sind unter der Bezeichnung „Pre“ oder „1“ von verschiedenen Herstellern im Handel. Beide Anfangsnahrungen sind von Geburt an geeignet. Pre-Nahrungen enthalten als einzigen Kohlenhydratbestandteil Lactose und ähneln damit mehr der Muttermilch, während den 1-Nahrungen bereits glutenfreie Stärke zugesetzt ist, die besser sättigt und die Anfangsmilch viskoser macht. Im Hinblick auf das Allergierisiko unterscheiden sich die beiden Milchtypen nicht. Mit Einführung von Beikost kann, muss aber nicht auf Folgenahrung („2“) umgestellt werden. Säuglinge mit familiärer Disposition für Allergien sollten „HA“-Nahrungen erhalten (hypoallergene Nahrungen), ebenfalls mit den Bezeichnungen „Pre“ oder „1“. Bei diesen Säuglingsnahrungen sind die Kuhmilchproteine bereits partiell aufgespalten, so dass die Gefahr, dass größere Proteine die noch sehr durchlässige Darmwand passieren und zu einer Sensibilisierung führen, geringer ist. Empfohlen werden hypoallergene Nahrungen, für die der allergieprotektive Effekt in kontrollierten klinischen Studien belegt wurde – tatsächlich treten hier große Unterschiede auf, da die schützende Wirkung nicht nur vom Grad der Zerkleinerung abhängt, sondern auch von der Art, also von den Proteasen, mit denen gespalten wurde. Problematisch ist, dass einige Säuglingsnahrungen mit belegtem protektiven Effekt (z. B. in der GINI-Studie = German Infant Nutrition Intervention Study) mittlerweile nicht mehr erhältlich sind und für neue Zubereitungen die Untersuchungen noch ausstehen. Für Diskussion sorgt eine 2016 publizierte Metaanalyse von Boyle et al., in der die Autoren keine gesicherte Evidenz einer Riskoreduktion für Allergien durch hydrolysierte Kuhmilchnahrung (HA-Nahrung) für gefährdete Säuglinge sehen. Die Ernährungskommission der DGKJ bewertet diese Ergebnisse kritisch und hält an der Empfehlung von HA-Nahrung fest. Sie geht davon aus, dass durch die bis 2021 in allen europäischen Staaten umzusetzende Gesetzesvorgabe eines Nachweises der Eignung zur beson­deren Ernährung von Säuglingen für jede einzelne hypoallergene Nahrung die Datenlage zur Allergieprävention entsprechend verbessert wird.

HA-Nahrungen: nur prophylaktisch

Nicht verwechselt werden dürfen die allergieprotektiven HA-Nahrungen mit den therapeutischen Spezialnahrungen, die bei diagnostizierter Kuhmilchallergie verordnungs- und erstattungsfähig sind. Bei Präparaten wie Aptamil® Proexpert Pepti, Aptamil® Proexpert Pregomin oder Althera® handelt es sich um eine extensive Hydrolysatnahrung (eHF), deren Protein-Anteil so stark aufgespalten ist, dass ein allergenes Potenzial so gut wie ausgeschlossen ist. Reagiert ein Säugling auch auf diese Spezialnahrung, kann der Kinderarzt auch komplett non-allergene Spezialnahrungen auf Aminosäurebasis (AAF) wie Alfamino®, Aptamil® Proexpert Pregomin AS, Neocate® oder Nutramigen® verordnen.

Strikt abzuraten ist vom Versuch, die Muttermilch statt mit Kuhmilchlysaten durch Zubereitungen aus Ziegen-, Schaf- oder Stutenmilch zu ersetzen. Bei diesen Milcharten tritt häufig eine Kreuzallergie mit Kuhmilch auf, eine allergievorbeugende Wirkung konnte nie gezeigt werden, zudem ist ihre Zusammensetzung nicht für menschliche Säuglinge geeignet. Sogenannte „Sojamilch“ ist ebenfalls für die Ernährung im ersten Lebensjahr ungeeignet, vor allem führt Soja in vielen Fällen selbst zur Sensibilisierung. Vielen Säuglingsnahrungen sind mittlerweile Probiotika (meist Bifido-Bakterien) und Prebiotika, unverdauliche Oligosaccharide, die die kindliche Darmflora stärken, zugesetzt. Die Leitlinie spricht hierfür keine Empfehlung aus, da die allergieprotektive Wirkung bisher nur im Hinblick auf das atopische Ekzem untersucht wurde und die Studienlage noch nicht ausreichend ist. Es gibt jedoch auch keinen Anlass, davon abzuraten.

Allergene mit Beikost einführen

Die Empfehlungen zur Einführung von Beikost haben sich hinsichtlich der Prävention von Allergien in den letzten Jahren stark geändert. Heute geht man davon aus, dass ein Hinauszögern der Beikost über das Ende des vierten Lebensmonats hinaus keine Risikoreduktion für Allergien zur Folge hat, so dass mit der Beikost begonnen werden soll, sobald das Kind dazu bereit ist. Auch das Vermeiden von Nahrungsallergenen in der kindlichen Ernährung während des ersten Lebensjahres bringt keinen Vorteil. Alle Nahrungsmittel, auch potenziell allergene, werden nacheinander in den Speiseplan des Kindes eingeführt, solange die Mutter – dem „Ernährungsplan für das erste Lebensjahr“ des Forschungsinstitutes für Kinderernährung (FKE) entsprechend – zusätzlich zur Beikost noch stillt. Vor allem fettreicher Seefisch sollte schon im ersten Lebensjahr gefüttert werden, da trotz seines allergenen Potenzials bei regelmäßigem Verzehr ein vorbeugender Effekt auf atopische Erkrankungen fest­gestellt wurde. Auch Kuhmilch darf in kleinen Mengen zur Herstellung des Milch-Getreide-Breis gefüttert werden. Lediglich das Angebot von Kuhmilch als Getränk sollte aufgrund des hohen Protein-Gehalts erst nach dem Ende des ersten Lebensjahres erfolgen, auch dann sollte die tägliche Trinkmenge für Kuhmilch zunächst auf 200 bis 400 ml beschränkt und auf Roh- oder Vorzugsmilch verzichtet werden. Der Beginn der Beikost sollte auf keinen Fall über das Ende des sechsten Lebensmonats hinausgezögert werden. Grundsätzlich ist auch für das Kleinkind eine sogenannte mediterrane Kost, mit viel Gemüse und Obst sowie einem günstigen Verhältnis aus ω3- und ω6-Fettsäuren, anzustreben.

Hilfreich: Symptomtagebuch

Besteht der Verdacht, dass ein Kind ein bestimmtes Nahrungsmittel nicht vertragen könnte, empfiehlt es sich, zunächst über zwei bis vier Wochen ein Symptomtagebuch zu führen, in das neben den verzehrten Nahrungsmitteln und den beobachteten Symptomen auch Besonderheiten wie Infektionen, Arzneimittelgaben oder Restaurantbesuche eingetragen werden sollten. Der Arzt kann dann zusätzlich Hauttestungen, meist einen Prick-Test, oder Blutuntersuchungen auf IgE-Antikörper (RAST, Radio-Allergo-Sorbent-Test) durchführen. Dabei ist es wichtig die Eltern darauf hinzuweisen, dass ein positiver „Allergietest“ nur zeigt, dass der Körper gegen dieses Allergen sensibilisiert ist – von einer Allergie spricht man erst, wenn auch entsprechende Symptome auftreten. Viele Patienten reagieren zwar im Prick-Test positiv, haben aber in der Praxis die entsprechende Allergie gar nicht. Endgültige Gewissheit kann letztendlich nur eine diagnostische Eliminationsdiät, bei der die Symptome verschwinden und bei Wiedereinführung des entsprechenden Nahrungsmittels wieder auftauchen, oder ein Provokationstest liefern, bei dem das Kind ­unter ärztlicher Aufsicht dem vermuteten Allergen ausgesetzt wird.

Auslöser diagnostizierter Nahrungsmittelallergien im Kindesalter sind häufig Grundnahrungsmittel wie Milch oder Eier, die einen Grundpfeiler einer ausgewogenen Ernährung darstellen. Eine Eliminationsdiät, die dennoch unumgänglich ist, muss daher in enger Absprache mit einer Ernährungsberatung geschehen, um Mangelerscheinungen zu vermeiden. Je nach Ausprägung der Allergie werden die Nahrungsmittel manchmal in gekochtem bzw. gebackenem Zustand vertragen, weil die Haupt­allergene durch Hitze zerstört werden. Reine Lactose (z. B. als Tablettenhilfsstoff) oder reines Lecithin (als Emulgator) werden trotz Allergie meist vertragen. „Minus L“-Produkte dagegen sind nur Lactose-frei und nicht für Kuhmilch-Allergiker geeignet. Beim Einkauf von Fertigprodukten muss vor allem auf „versteckte“ Kuhmilch und Hühnereier geachtet werden. Tabelle 1 gibt einen Überblick über Zutaten hinter denen sich Kuhmilch bzw. Hühnerei verstecken. Bei schweren Verläufen kann sogar eine Kreuzallergie auf Rind- bzw. Hühnerfleisch bestehen. Da bei Hühnereiallergie oft, aber nicht immer eine Kreuzallergie zu Eiern anderer Vogelarten vorliegt, können diese als Alternative zumindest in Betracht gezogen werden. Schließlich sollte die Notwendigkeit der Diät etwa einmal jährlich vom Arzt überprüft werden, da es gerade bei diesen Allergien häufig zu einem Verschwinden noch vor dem Schul­eintritt kommt.

Tab. 1: Vorsicht bei Fertigprodukten! Hier verbergen sich Milch und Eier:
Kuhmilch
Hühnerei
mögliche Deklaration in Fertigprodukten
Milcheiweiß, Milchprotein
Molkeeiweiß, Molkeprotein
Kasein, Kaseinate
Laktalbumin, Laktoglobulin
Eiweißpulver
Volleipulver
Eiklar, Eigelb
Ovozym
Lysozym
kann enthalten sein in
Backwaren wie Milchbrötchen, Kuchen, Weißbrot
Fertig-Kartoffelpüree
Babygläschen
Soßen, Margarine, Mayonnaise
Fleisch- und Wurstwaren
Süßigkeiten wie Eis, Schokolade etc.
Backwaren wie Brot, Brötchen, Kuchen, Gebäck
Teigwaren
Fleisch- und Wurstwaren
Suppen, Soßen, Mayonnaise
Fertiggerichte
Babygläschen
Milchspeiseeis
Süßigkeiten wie Pralinen

Lactose-Intoleranz kann in ihren Symptomen zunächst einer Kuhmilchallergie ähneln. Sie entsteht durch einen angeborenen oder sekundären Lactase-Mangel im Dünndarm. Da im Dünndarm keine Spaltung des Disaccharids in Galactose und Glucose erfolgen kann, gelangt der Milchzucker unverdaut in den Dickdarm, wo er von Dickdarmbakterien zu Gasen und Säuren verstoffwechselt wird. Eine Diagnose ist über den H2-Atemtest möglich. Bei Lactose-Intoleranz muss jeder Patient seine eigene Toleranzgrenze finden; Von Fachgesellschaften wir darauf hingewiesen, dass die Einnahme von Laktase-Tabletten, wie sie in jeder Apotheke erhältlich sind, nur bei besonderen Gelegenheiten und nicht regelmäßig erfolgen sollte. Über „Minus-L“-Produkte, bei denen die Lactose bereits vom Hersteller durch Laktase-Zusatz gespalten wird, Butter und Hart­käsesorten kann in der Regel der Bedarf an Calcium und Milchprotein gedeckt werden. Für den seltenen Fall, dass eine Lactose-Intoleranz bereits im Säuglingsalter auftritt, stehen Lactose-freie Säuglingsnahrungen wie Humana SL oder Töpfer Lactopriv milchfreie Spezialnahrung zur Verfügung.

Bei Fruchtzucker-Unverträglichkeiten muss zwischen der hereditären, sehr seltenen, aber schwerwiegenden Fructose-Intoleranz, bei der aufgrund eines Defekts des Leberenzyms Aldolase B Fructose nicht vollständig metabolisiert werden kann und somit toxische Metaboliten kumulieren, und der meist vorliegenden Fructose-Malabsorption unterschieden werden. Bei letzterer liegt ein Funktionsdefizit des GLUT-5-Transporters vor, der dazu führt, dass Fructose nicht resorbiert, sondern weiter in den Dickdarm transportiert wird, wo sie ähnlich wie Lactose durch die Dickdarmbakterien ungünstig verstoffwechselt wird. Während bei Fructose-Intoleranz eine strikte Eliminationsdiät eingehalten werden muss, gilt es bei Fructose-Malabsorption die persönliche Toleranzgrenze zu finden.

Ebenfalls für den Laien nicht offensichtlich sind die verschiedenen Formen der Weizenunverträglichkeit. Bei der klassischen im Kindesalter auftretenden und selten persistierenden Weizenallergie liegt oft eine Kreuzallergie gegen Roggen und Gerste vor; die Allergie betrifft in erster Linie Produkte aus dem ganzen Korn, Mehle mit der Typenzahl 405 oder 550 werden meist vertragen. Davon abzugrenzen ist die Zöliakie (Sprue), bei der eine allergische Reaktion auf Gluten (Gliadin), das Klebereiweiß aus Weizen, Dinkel, Grünkern, Roggen, Gerste und Hafer dazu führt, dass durch eine chronische Entzündung der Darmschleimhaut die Zotten degenerieren. Resorptionsstörungen mit der Gefahr zahlreicher Mangelerscheinungen sind die Folge. Zöliakie bleibt ein Leben lang bestehen und bedarf einer strikten Eliminationsdiät, nicht einmal Spuren an Gluten (z. B. durch Benutzung des gleichen Brotmessers für normales und Gluten-freies Brot) dürfen in der Nahrung enthalten sein. Auch Gluten kann in zahlreichen Fertigprodukten in Bindemitteln, Trennmitteln oder Trägerstoffen enthalten sein. Während früher die Empfehlung galt, Gluten-haltige Getreidesorten erst im zweiten Lebensjahr in die Ernährung des Kindes einzuführen, weiß man heute, dass eine Gluten-­Exposition in kleinen Mengen noch während der Stillzeit im fünften oder sechsten Lebensmonat das Zöliakie-Risiko um bis zu 50% senken kann.

Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass der Unterschied zwischen Lebensmittelallergie und -intoleranz auch für die Abgabe jedes Arzneimittels in der Apotheke von Bedeutung ist: Während der Lactose-intolerante Kunde problemlos Milchzucker als Tablettenfüllstoff verträgt, muss beim Zöliakie-Patienten penibel darauf geachtet werden, dass keine Gluten-haltigen Hilfsstoffe in seiner Medikation enthalten sind. Hinweise dazu findet man in den Fachinformationen oder in den Fachkreisbereichen auf den Homepages der pharmazeutischen Hersteller. |

Literatur

Allergieprävention. S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ), Stand Juli 2014

Koletzko B et al. Ernährung und Bewegung von Säuglingen und stillenden Frauen. Aktualisierte Handlungsempfehlungen von „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“, eine Initiative von IN FORM; Monatsschr Kinderheilkd 2016;5(164):433-457, DOI 10.1007/s00112-016-0173-0

Milch für die Säuglingsernährung. Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, Stand 2018; www.dge.de/ernaehrungspraxis/bevoelkerungsgruppen/saeuglinge/milch-fuer-die-saeuglingsernaehrung/

Bührer C et al. Ernährung gesunder Säuglinge. Empfehlungen der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin. Monatsschrift Kinderheilkunde 2014;6

Boyle RJ et al. Hydrolysed formula and risk of allergic or autoimmune disease: systematic review and meta-analysis. BMJ 2016;352:i974, http://dx.doi.org/10.1136/bmj.i974

Säuglingsnahrungen auf Basis von Proteinhydrolysaten zur Risikoreduktion allergischer Manifestationen. Stellungnahme der Ernährungskommission der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ), Monatsschrift Kinderheilkunde, online publiziert 20. Juli 2018; https://doi.org/10.1007/s00112-018-0538-7

Pädiatrische Allergologie: In Klinik und Praxis. Sonderheft Nahrungsmittelallergie, Neuauflage 2012

Allergien vorbeugen, gesunde Entwicklung fördern. Empfehlungen zur Ernährung in den ersten 1000 Tagen. Deutsche Haut- und Allergiehilfe e.V., Broschüre für Eltern, 2017

weitere Literatur bei der Autorin

Autorin

Dr. Sabine Werner studierte Pharmazie in München und Berlin. Nach ihrer Promotion arbeitete sie in einer Krankenhausapotheke in Tansania, später in einer öffentlichen Apotheke in Deutschland. Seit 2010 unterrichtet sie an der Berufsfachschule für pharmazeutisch-technische Assistenten in München.

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