Arzneimittel und Therapie

Nierensteine nach Antibiotikatherapie

Fünf Wirkstoffklassen mit erhöhtem Risiko assoziiert

In den letzten 30 Jahren hat die Prävalenz von Nierensteinen um 70% zugenommen. Besonders Kinder und junge Frauen sind vermehrt betroffen. Störungen des Mikrobioms im Darm- und Harntrakt sind mit der Entstehung von Nierensteinen in Zusammenhang gebracht worden. Unklar war bisher, inwieweit Antibiotika die Entstehung von Nierensteinen fördern.

Um den Effekt von Antibiotika auf die Entstehung von Nierensteinen näher zu untersuchen, wurde eine große, bevölkerungsbasierte Fall-Kontroll-Studie durchgeführt. Dazu wurden Daten von mehr als 13 Millionen Erwachsenen und Kindern, die zwischen 1994 und 2015 im Vereinigten Königreich erhoben wurden, herangezogen. Nahezu 26.000 Patienten mit Nierensteinen wurden mit rund 260.000 Kontroll­personen verglichen.

Ein verändertes Darm- oder Harnmilieu infolge einer Antibiotikatherapie könnte die Entstehung von Nierensteinen begünstigen. Antibiotika sind in der Lage, die Quantität und Zusammensetzung des Mikrobioms zu verändern – und das Monate über eine Therapie hinaus. Nierensteine bilden sich hingegen innerhalb von Wochen bis Monaten. Als Primärexposition wurde in der Studie deshalb die ambulante Verordnung eines oralen Antibiotikums drei bis zwölf Monate vor einer Nierensteindiagnose definiert. Zusätzlich wurden weitere Zeiträume (bis zu fünf Jahre) analysiert. Zwölf Antibiotikaklassen gingen in die Analyse ein: Cephalosporine, Fluorchinolone, Lincosamide, Makrolide, Metronidazol, Nitrofurantoin/Methenamin, Penicilline, Breitspektrum-Penicilline, Sulfonamide, Tetracycline und antimykobakterielle Mittel. Helicobacter pylori-Therapien wurden ebenfalls berücksichtigt. Ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Nierensteinen wurde für Sulfonamide, Cephalosporine, Fluorchinolone, Nitrofurantoin/Methenamin und Breitspektrum-Penicilline gefunden.

Foto: airborne77 – stock.adobe.com
Kleinere Nierensteine gehen meist von selbst ab, größere Steine (> 10 mm) müssen in der Regel zertrümmert oder durch einen Eingriff entfernt werden.

Kinder besonders gefährdet

Dieser Effekt war umso stärker ausgeprägt, je jünger die Patienten bei der Verordnung der Antibiotika waren. Innerhalb der ersten drei bis sechs Monate nach Einnahme des Antibiotikums war die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung von Nierensteinen am größten. Danach nahm die Stärke der Assoziation kontinuierlich ab. Das Risiko einer Nierensteindiagnose blieb jedoch (außer für Breitband-Penicilline) bis zu fünf Jahre nach der Therapie erhöht. Dass die Assoziation in den ersten drei bis sechs Monaten am deutlichsten war, werten die Autoren als Hinweis auf eine temporäre Veränderung des Harnmilieus durch die Antibiotikatherapie. Simulationsexperimente haben gezeigt, dass eine kurzzeitige Änderung des Harnmilieus eine schnelle Kristallisierung induzieren kann. Folglich könnte durch solch eine Veränderung die Steinbildung bzw. das Steinwachstum bei dafür anfälligen Personen gefördert werden.

Bei Patienten mit Nierensteinen ist aber auch über eine veränderte Zusammensetzung des Darmmikrobioms berichtet worden. Es ist möglich, dass das erhöhte Risiko zur Nierensteinbildung nicht nur auf die Störung einzelner Bakterienstämme zurückzuführen ist. Verschiedene Darmmikroben existieren abhängig voneinander als Gemeinschaft und unterstützen als solche das Immunsystem. Ein verändertes Mikrobiom ist auch mit der Entstehung anderer Krankheiten z. B. entzündlicher Darmerkrankungen und Asthma in Verbindung gebracht worden.

Ein erhöhtes Risiko für die Entstehung von Nierensteinen konnte nicht für alle Antibiotika gezeigt werden. Die Ergebnisse der Studie stärken jedoch die Hypothese, dass der zunehmende Einsatz von Antibiotika in den vergangenen Jahren zu einem vermehrten Auftreten von Nierensteinleiden – insbesondere bei jüngeren Patienten – beigetragen hat. Damit stellt die Einnahme bestimmter Antibiotika, insbesondere bei Kindern, einen neuen Risikofaktor dar und sollte kritisch hinterfragt werden. |

Quelle

Tasian, GE et al. Oral antibiotic exposure and kidney stone disease. J Am Soc Nephrol 2018;29(6):1731-1740

Apothekerin Dr. Daniela Leopoldt

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