Die Seite 3

Das NDMA-Rätsel

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Vor genau einer Woche haben wir an dieser Stelle das Problem der potenziell mit N-Nitrosodimethylamin (NDMA) kontaminierten Valsartan-haltigen Arzneimittel aufgegriffen und dabei eine Reihe von drängenden und unbeantworteten Fragen aufgeworfen. So zum Beispiel, wie das als wahrscheinlich kanzerogen eingestufte NDMA in den vom chinesischen Hersteller Zhejiang Huahai Pharmaceutical produzierten Wirkstoff gelangen konnte. Heute, am 17. Juli 2018, gibt es darauf immer noch keine eindeutige Antwort. Ist tatsächlich eine Syntheseänderung im Jahr 2012 für die Kontamination verantwortlich, sind so lange schon belastete Arzneimittel im Markt? Darüber hinaus wissen wir immer noch nicht, mit welchen NDMA-Konzentra­tionen denn in den Arzneimitteln zu rechnen ist. Statt Antworten auf solche Fragen zu geben, werden wir von Be­hördenseite vertröstet, die Analytik sei komplex.

Mittlerweile scheint zumindest die Rückrufaktion weitestgehend abgeschlossen zu sein. Allerdings erfolgte dieser Rückruf nicht auf Patienten­ebene. Ein Vorgehen, das verunsicherte Betroffene überhaupt nicht verstehen können. Im Lebensmittelhandel bedeutet Rückruf die Rücknahme der Ware gegen Kostenerstattung durch den Händler. Die Empörung ist groß, dass das jetzt bei den von den Patienten in Eigenregie identifizierten Arzneimitteln nicht der Fall sein soll.

Stattdessen wird ihnen geraten, die Arzneimittel keinesfalls abzusetzen und sich auf ein nicht vom Rückruf betroffenes Arzneimittel umstellen zu lassen. In Sachen Kosten sind sie auf die Kulanz ihrer Krankenkasse angewiesen.

Während also alle auf die Antworten der zuständigen Behörden warten, haben sich die pharmazeutische Chemikerin Prof. Dr. Ulrike Holzgrabe und der Chemiker Dr. Helmut Buschmann auf Spurensuche begeben und Synthesewege und vom Europäischen Arzneibuch gelistete Verunreinigungen angeschaut. Dabei sind sie auf ein 2014 von Zhejiang Huahai Pharmaceutical veröffentlichtes Patent gestoßen, das einen entscheidenden Hinweis auf die Quelle der NDMA-Verunreinigung geben könnte. Hier wurde ein wichtiger Schritt der Valsartan-Synthese optimiert, bei dem es unter Verwendung des Lösungsmittels N,N-Dimethylformamid (DMF) und unter Anwesenheit von NaNO2 zur NDMA-Bildung kommen kann (s. S. 22).

Nun sind Änderungen der Synthese durchaus üblich. Sie müssen jedoch angezeigt und für den europäischen Markt durch das EDQM (European Directorate for the Quality of Medicines) zertifiziert werden. Dabei ist nachzuweisen, dass der Prozess Valsartan in einer Qualität liefert, die der Spezifikation des europäischen Arzneibuchs entspricht. Im Rahmen dieses Prozesses, da sind sich unsere Autoren einig, hätte auffallen müssen, dass die Analytik nicht mehr der des Europäischen Arzneibuches entsprechen kann, dass mit anderen Verunreinigungen wie NDMA zu rechnen ist. Warum wurde die Analytik dann aber nicht angepasst? Zudem fordern unsere Autoren, auch andere AT1-Antagonisten unter die Lupe zu nehmen. Denn auch sie könnten betroffen sein, sollte NDMA tatsächlich auf dem in der Patentschrift beschriebenen Syntheseweg entstanden sein.

Warum wir also am 17. Juli 2018 immer noch so im Dunkeln tappen, nichts Offizielles über die Ursache und das Ausmaß der Verunreinigungen wissen, das verstehen auch unsere Autoren nicht. An der komplizierten Analytik kann es ihrer Meinung nach nicht liegen. NDMA sei einfach mittels Gaschromatografie und Massenspektroskopie nachzuweisen. Warum aber müssen dann verunsicherte Patienten, Ärzte und Apotheker so lange auf Aufklärung warten?

Doris Uhl

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