Aus den Ländern

Zwischen Aufruhr und Pflicht

Die Vertreterversammlung der LAK Baden-Württemberg hat getagt

STUTTGART (du) | Die Honorardiskussion und der Umgang der ABDA mit den 2HM-Gutachten sorgten auf der Vertreterversammlung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg am 4. Juli in Stuttgart ebenso wie die unerwartete Digitalisierungs­offensive der ABDA für Diskussionsstoff. Besonders turbulent wurde es jedoch, als es um die Nachweispflicht der Fort­bildung ging.

Der Präsident der Landesapothekerkammer, Dr. Günther Hanke, ließ es sich auch bei der Vertreterversammlung nicht nehmen, wieder deutliche Kritik an der ABDA zu äußern, ohne dabei nach eigenen Angaben ABDA-Bashing betreiben zu wollen. Das Schweigen zum 2HM-Gutachten ist für ihn absolut unverständlich. Schon vor Monaten hatte Hanke die ABDA aufgefordert: „Bitte gebt uns baldmöglichst eine Bewertung des Papiers. Mit einer Vogel-Strauß-Politik ist niemandem geholfen!“ Auf die offizielle Bewertung wartet Hanke noch immer.

Während die ABDA sich in Schweigen hüllt, wird das 2HM-Gutachten nicht nur auf breiter Ebene diskutiert. Gegner würden das Gutachten als „erstmals belastbare Datengrundlage“ nutzen, so Hanke. „Dass diese falsch ist, wissen nur wir im stillen Kämmerlein!“ Zwar sei die Verankerung des Rx-Versandverbots im Koalitionsvertrag ein Signal der Politik, die Apotheken vor Ort zu stärken. Doch Hanke nimmt auch zur Kenntnis, dass der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn kein Anhänger des Rx-Versandverbots ist und dass er das Honorar reformieren will. Zudem ist Hanke davon überzeugt, dass ein Gesundheitsminister ein Gutachten, das aus dem Wirtschaftsministerium komme, nicht vollständig ignorieren könne. Auch vor diesem Hintergrund ist für Hanke die Nichtbeachtung des Gutachtens durch die ABDA völlig unverständlich! Zudem unterstrich Hanke noch einmal die wirtschaftlichen Folgen des von Boni und Rabatten begünstigten Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln. Man könne zwar behaupten, ein Anteil von 1% sei wenig, so Hanke: „Aber 1% von über 30 Milliarden Euro sind auch schon viel Geld, das dem Gesamtbudget der Apotheken vor Ort verloren geht!“

Verdächtige Allianzen

In Richtung Gesetzliche Krankenkassen verwies Hanke darauf, dass 50% der Patienten ohne Rezept in die Apotheken vor Ort kämen, weil sie dort Rat suchten. Dieser Rat koste momentan nichts. Wenn er aber wegfalle, käme das die Kassen langfristig teuer zu stehen. Hanke kritisierte, dass Patienten derzeit bei Bezug von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln über den Versandhandel mit Rabatten belohnt werden, die eigentlich der Solidargemeinschaft zustehen. Das hätten auch die Krankenkassen erkannt: Hanke sieht eine gefährliche Allianz zwischen der GKV und den Rx-Versendern in Sachen Abschluss von Selektivverträgen. Würde es dazu kommen, dann gehöre der Rabatt wieder der Krankenkasse. Doch dabei werde es nicht bleiben. Hanke ist überzeugt: „Dann wird es in jedem Ort schlaue Apotheker geben, die zum Beispiel allen TK- oder AOK-Versicherten Rabatte auf den Gesamtkuchen gewähren. Die Großen werden größer werden, die Kleinen verschwinden!“ Mit dem Argument, dem zunehmenden Kundenbedürfnis nach kanalübergreifenden Einkaufsmöglichkeiten Rechnung zu tragen, würden so durch Krankenkassen und Versender wichtige Strukturen zerstört – letztlich immer alles zulasten der Patienten.

Hanke wehrt sich nicht gegen eine vernünftige Arzneimittelpreisverordnung. Sollte diese aber auf Kosten der Apotheker weiterentwickelt werden, dann so Hanke, „schaffen wir es vielleicht ja, mal wieder zu streiken“.

Foto: Moebius/LAK-BW
Präsident und Vizepräsidentin: Dr. Günther Hanke und Silke Laubscher

GERDA: die E-Rezept-Antwort

Auch wenn der Kammerpräsident das Wort digital schon nicht mehr hören kann, sich fragt, was daran digital ist, wenn der Postbote Päckchen irgendwohin schmeißt, sieht er es vor dem Hintergrund des Fernbehandlungsbeschlusses auf dem Deutschen Ärztetag für dringend erforderlich an, dass die Apotheker bei der Entwicklung des E-Rezepts eine führende Rolle übernehmen. Auch die ABDA scheint dies erkannt zu haben. Denn der ABDA-Präsident Friedemann Schmidt hat für viele überraschend verkündet, dass die ABDA in einem eigenen E-Rezept-Projekt die inhaltliche Führerschaft übernehmen will. Hanke beobachtet diese Vorgänge mit verhaltener Skepsis. Ihm geht das alles viel zu langsam. Baden-Württemberg ist hier schon einen Schritt weiter.

Das machte Dr. Karsten Diers, Geschäftsführer der LAK Baden-Württemberg in seinem Bericht deutlich. Er konnte mit GERDA auch schon auf ein Projekt der LAK und des LAV Baden-Württemberg verweisen, mit dem man vorankommen könne. GERDA steht für „Gesicherter E-Rezept-Dienst der Apotheken“. Diers betonte, dass Fernbehandlung in eine Handlung münden müsse, und das sei zwangsläufig die Ausstellung eines Rezepts. Im Rahmen von GERDA definiert der LAV die Anforderungen an das E-Rezept, das von den Anbietern telemedizinischer Behandlungen wie DocDirekt über das KV-SafeNet über einen im Auftrag der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg betriebenen Server an die Apotheke weitergeleitet wird. Die Apotheke kann dann nach Legitimation über das N-Ident-Verfahren und Signatur durch den Heilberufeausweis auf das E-Rezept zugreifen. Für die Abwicklung der Abrechnung mit den Krankenkassen definiert der LAV dann wiederum das Format und schließt entsprechende Verträge.

Foto: Moebius/LAK-BW
Delegierte der LAK Baden-Württemberg: Einigkeit bei der Annahme von Anträgen, Diskussionsbedarf bei Fragen zum Nachweis der Pflichtfortbildung.

Pflichtfortbildung spaltet Versammlung

Besonders turbulent wurde es auf der Vertreterversammlung, als Top 6 „Überprüfung der Fortbildungspflicht gemäß § 4 der Berufsordnung“ aufgerufen wurde. Für den Fortbildungsausschuss der LAK Baden-Württemberg plädierten Dr. Dietmar Roth und Prof. Dr. Dietmar Trenk für eine Nachweispflicht der Pflichtfortbildung. Sie wollten Argumente wie fehlende Zeit nicht gelten lassen und demonstrierten, wie die in drei Jahren geforderten 150 Fortbildungspunkte nahezu ohne zusätzliche Kosten und großen Aufwand durch Selbststudium und Teilnahme an Webinaren zu erwerben sein können. Ein Ziel soll sein, die Beratungsqualität in den Apotheken zu verbessern. In der Diskussion wurden allerdings große Zweifel laut, ob dies so gelingen kann, denn die Protagonisten hätten ja mit ihren Vorschlägen zur Durchführbarkeit schon gleich aufgezeigt, wie man relativ bequem der Nachweispflicht nachkommen könne, ohne sich ernsthaft fortzubilden. Dass der Vorstand der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg sich erst einmal nur ein Stimmungsbild verschaffen wollte, die Frage der Sanktionierung ausgeklammert und keinen Antrag zur Abstimmung vorgelegt hatte, schien nicht ganz klar gewesen zu sein. Angeprangert wurden potenzielle Interessenkonflikte der Kammer, die zum einen die Regularien der Pflichtfortbildung vorschreibt, diese zertifiziert, selbst als Anbieter entsprechender Fortbildungen auftritt und den fehlenden Nachweis dann auch noch sanktioniert. Insgesamt zeigte sich die Vertreterversammlung im Hinblick auf die Nachweispflicht der Pflichtfortbildung gespalten. Am Ende der Diskussion wurde darüber abgestimmt, ob die Landesapothekerkammer den Auftrag erhält, sich mit der Überprüfung der Nachweispflicht der Fortbildung zu beschäftigen und mögliche Konzepte zu entwickeln. Im Mittelpunkt soll das Ziel stehen, die Beratung zu verbessern. Dafür stimmten 36 Delegierte, dagegen 22; Enthaltungen: 3 (siehe hierzu auch S. 22).

Fakt ist: in Baden-Württemberg ver­fügen nur 6,8% aller Mitglieder über ein gültiges Fortbildungszertifikat, in Westfalen-Lippe sind es über 30%. Möglicherweise schlummern in vielen Schubladen nicht eingereichte Fortbildungspunkte, weil der Aufwand nicht im Verhältnis zum Nutzen steht. Eine einfachere Erfassung könnte hier Abhilfe schaffen. Vor diesem Hintergrund stellte der Geschäftsführer der LAK Baden-Württemberg schon einmal ein vereinfachtes Nachweisverfahren zur Zertifikatserwerbung über ein in Planung befindliches persönliches Mitgliederkonto auf der Website der LAK in Aussicht. |

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