Leserbriefe

Gelbwurz: Curcumin-Hype beenden

Zum Beitrag „Gelbwurz und Weihrauch – was steckt dahinter?“ in DAZ 2018, Nr. 26, S. 32

Sehr geehrte Kollegin Jenett-Siems,

mit Interesse habe ich Ihren Artikel zu Gelbwurz und Weihrauch gelesen und Ihre Einlassungen zu Curcumin. Curcumin kann in jeglichem Assay als Positiv-Kontrolle benutzt werden, denn es reagiert unselektiv aufgrund seines doppelten Michaelsystems mit allen SH-Gruppen, die ein Protein präsentiert. Insofern wundern mich die von Ihnen genannten positiven Enzyminhibitionen nicht. Allein, es mangelt an Selektivität. Michael Walters hat das im letzten Jahr im Journal of Medicinal Chemistry wunderbar zusammengefasst.

Warum können wir ohne Nebenwirkungen Curry essen, das nachweislich Curcumin enthält? Curcumin ist nicht wasserlöslich und wird vom Körper gar nicht resorbiert (The Essential Medicinal Chemistry of Curcumin. Nelson KM, Dahlin JL, Bisson J, Graham J, Pauli GF, Walters MA. J Med Chem. 2017 Mar 9;60(5):1620-1637)!

Ich freue mich, dass Sie die Anwendung von Curcumin nur sehr vorsichtig protegiert haben. Vielleicht Sind Sie vor dem Hintergrund dieser Untersuchungen noch vorsichtiger und helfen mit, diesen unsinnigen Curcumin-Hype zu beenden!

Ulrike Holzgrabe, Lehrstuhl für Pharmazeutische und Medizinische Chemie der Universität Würzburg

Antwort der Autorin

Vielen Dank für ihren kritischen Kommentar zum Thema Curcumin. Die Ausführungen von Michael Walters zu dieser Thematik sind mir durchaus bekannt, und ich teile viele der von ihm angesprochenen Kritikpunkte bezüglich der Anwendung von Curcumin als Arzneistoff. In der Tat handelt es sich um eine äußerst unselektiv wirkende Substanz, was allerdings bei vielen Erkrankungen, die ebenfalls multifaktoriell bedingt sein können, nicht unbedingt ein Nachteil sein muss. Ich halte mangelnde Selektivität nicht für ein prinzipielles Ausschlusskriterium, was klinische Untersuchungen betrifft, denn eine unselektive Wirkung ist ja nicht mit wirkungslos gleichzusetzen. Ein größeres Problem ist sicherlich die häufig thematisierte mangelnde Bioverfügbarkeit. In diesem Zusammenhang sind ja in den letzten Jahren viele Anstrengungen unternommen worden, hier sollte man, was eine endgültige Bewertung betrifft, vielleicht noch etwas abwarten. Allerdings stellt sich dann mög­licherweise auch die Frage nach der Sicherheit des Curcumins neu. Bisher geht man ja von einer guten Verträglichkeit aus, ob das allerdings auch bei messbaren Plasmakonzentrationen dieser unselektiv wirkenden Substanz weiterhin der Fall ist, muss sicherlich noch einmal genau analysiert werden.

Ein weiterer interessanter Aspekt in der derzeitigen Curcumin-Forschung ist meines Erachtens auch der von einigen Arbeitsgruppen ins Spiel gebrachte Einfluss auf das Mikrobiom (siehe z. B. Adrian L Lopresti: The Problem of Curcumin and Its Bioavailability: Could Its Gastrointestinal Influence Contribute to Its Overall Health-Enhancing Effects? Adv Nutr 2018; 9: 41–50). Dieses Forschungsfeld verdient in meinen Augen in der Zukunft weitere Aufmerksamkeit.

Insofern stimme ich mit Ihnen darin überein, dass ein Curcumin-Hype in Anbetracht der eher dürftigen, wenn auch nicht komplett negativ ausge­fallenen klinischen Untersuchungen sicherlich nicht angebracht erscheint. Dennoch sind meines Erachtens durchaus noch interessante Fragen offen, die eine weitere Forschung rechtfertigen.

Priv.-Doz. Dr. K. Jenett-Siems

Antwort auf die Stellungnahme von Frau Jenett-Siems

Auch wenn ich mit dem meisten, was von Kollegin Jenett-Siems gesagt wurde, übereinstimme, so möchte ich doch zur Selektivität noch eine Klarstellung formulieren. Es ist richtig, dass wir in den letzten Jahren gelernt haben, dass es vorteilhaft sein kann, wenn ein Arzneistoff an mehrere Zielstrukturen angreift. Ja, es werden in neuester Zeit sogar neue Arzneistoffe designt, die genau das tun. Man nennt diesen Ansatz auch häufig Polypharmakologie. Allerdings ist dies eine Herausforderung, denn die Dosis und Pharmakokinetik muss für jede Zielstruktur bzw. Indikation stimmen! Zudem gibt es natürlich auch Arzneistoffe, wie die Kinaseinhibitoren, z. B. Sorafinib, bei denen man erst später festgestellt hat, dass sie gar nicht so selektiv nur eine adressierte Kinase inhibieren, wie man anfänglich geglaubt hat.

Dies trifft aber alles auf Curcumin nicht zu. Curcumin ist ein Naturstoff, der für keine Zielstruktur von der Natur designt wurde, und deshalb kann er mit allen Proteinen im Sinne einer Michael-Reaktion reagieren, die SH-Gruppen aufweisen. Eine solche Unselektivität ist gefährlich, denn sie führt unweigerlich zur Toxizität, wenn Curcumin bioverfügbar gemacht wird. Solange man dem Curcuminmolekül kein „Targeting“ angedeihen lässt, sei es durch eine strukturelle Veränderung, die Curcumin zu einer spezifischen Zielstruktur hinleitet und zu anderen nicht, oder durch eine geschickte technologische Formulierung, die es nur am Wirkort freisetzt, kann man die Unselektivität und damit Toxizität durch nichts in den Griff bekommen.

Ulrike Holzgrabe, Universität Würzburg

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