Aus den Ländern

Stillstand in der Politik – Bewegung beim E-Rezept

Mitgliederversammlung des NARZ

HAMBURG (tmb) | Bei der Mitgliederversammlung des Norddeutschen Apothekenrechenzentrums (NARZ) am 23. Juni in Hamburg warnte der Vorstandsvorsitzende Dr. Jörn Graue vor vielen für die Apotheker bedrohlichen politischen Tendenzen. Dem Warten auf politische Vorschläge der Apotheker stellte er die schnelle Entwicklung beim elektronischen Rezept gegenüber, das offenbar viel früher eingeführt werden könnte, als viele erwarten.
Foto: DAZ/tmb
Dr. Jörn Graue, Vorstandsvorsitzender des NARZ

Mit Blick auf das im Koalitionsvertrag erwähnte Rx-Versandverbot erklärte Graue, Politik und Verlässlichkeit seien offensichtlich nicht zur Deckung zu bringen. Zum Stillschweigen der ABDA über die Gespräche mit Gesundheitsminister Spahn sagte Graue: „Der ministeriell verpasste Maulkorb lastet verständlicherweise schwer und behindert das von vielen eingeforderte Recht auf Information.“ Als „weiteren Super-GAU“ des Berichtsjahres bezeichnete Graue das Honorargutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums und die Reaktionen der „kranken Kassen“. Diese seien ein „klassisches Ablenkungsmanöver von eigenen Strukturproblemen“, denn: „das gesamte Vertragswesen gehört längst auf den Prüfstand, da es mit den geläufigen Gesetzeswerken nicht mehr kompatibel ist“.

Politische Vorschläge eilen

Sowohl zur Honorierung als auch zur Telematik-Infrastruktur mahnte Graue, es bleibe nicht mehr viel Zeit für die Apotheker, dem Ministerium eigene Vorschläge zu machen. Anderenfalls würden ihnen Lösungen „übergestülpt“. Außerdem sorgt sich Graue um den Nachwuchs für Apotheker und andere freie Berufe und erklärte: „Der Apothekensektor steht mit seinen limitierten wirtschaftlichen Möglichkeiten, einer von ungeklärten Rahmenbedingungen gekennzeichneten Zukunft und einem außergewöhnlich hohen Verantwortungslevel geradezu exemplarisch für die generelle Bedrohung der Freiberuflichkeit.“ Dagegen müssten die Vorteile der Freiberuflichkeit für die Gesellschaft betont werden: „schnelle Entscheidungen, Ortsnähe, Kundennähe, Flexibilität, flache Hierarchien, persönliche Kompetenz und Einsatzbereitschaft“.

Bereit fürs E-Rezept

Das zentrale berufspolitische Thema aus der Sicht eines Rechenzentrums ist die Digitalisierung. Probleme sieht Graue auf diesem Gebiet in der Planung der EU, das elektronische Rezept auf europäischer Ebene einzuführen, und in der teilweisen Öffnung der Ärzte für die Telemedizin. Daher erwartet Graue im nächsten E-Health-Gesetz Regelungen zum E-Rezept. Die Apotheker müssten der Politik dazu ein schlüssiges Konzept liefern, bei dem sowohl kodierte Papierrezepte als auch per Smartphone übermittelte Rezepte in der Vorort-Apotheke verbleiben, forderte Graue. Das vom NARZ entwickelte Verfahren erfülle diese Voraussetzung und sei zudem datenschutzrechtlich unkritisch. Bei anderen Modellen sei dagegen die Verschlüsselung unzureichend, erklärte Graue. Zugleich versicherte er, das NARZ sei finanziell und organisatorisch gut aufgestellt, um auch eine mögliche zeitnahe Umstellung auf das E-Rezept meistern zu können. Außerdem verwies er auf den neu gegründeten Bundesverband Deutscher Apothekenrechenzentren. Es sei sehr nötig, als Gruppe aufzutreten, um der ABDA und der Politik das Know-how der Rechenzentren verfügbar zu machen. Außer der VSA seien alle großen standeseigenen Rechenzentren beigetreten, erklärte Graue. Doch Graue warnte auch mit einem Zitat von John Wheeler vor den möglichen Folgen des Kulturwandels, der mit der Digitalisierung verbunden sei: „Der Mensch verliert im binären System die Herrschaft über die Maschinen und wird selbst zum Informationsvorgang“.

Erfolgreiche Arbeit beim NARZ

Für alle zur NARZ-Gruppe gehörenden Unternehmen vermeldete Graue ein „ausgezeichnetes wirtschaftliches Ergebnis“. NARZ-Geschäftsführer Hanno Helmker verwies insbesondere auf die hohen Eigenkapitalquoten von 95 Prozent beim NARZ, 87 Prozent bei der AVN und 96 Prozent bei der GfI. Im Bericht des Verwaltungsrates erklärte Katrin Hensen, dass die guten Ergebnisse durch Rationalisierungen und selbst entwickelte Software erzielt worden seien. Diese Software führe intern zu Einsparungen und biete zusätzliche Erträge. Auch Helmker warnte vor künftigen Herausforderungen. Wenn das elektronische Rezept auf der EU-Ebene eingeführt würde, könne dies zu einem Angriff auf nationale Zuständigkeiten werden. Weitere Gefahren sehe er durch technische Insellösungen, deren Koordinierung ungeklärt sei. |

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