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Rosinen und Frikandellen

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Die deutsch-niederländischen Beziehungen gelten als hervorragend – sieht man von Themen wie Fußball oder Arzneimittelversandhandel ab. Während die Rivalitäten beim Rasensport in den nächsten Wochen zur Nebensache werden, da die Weltmeisterschaft diesmal ohne den deutschen Nachbarn stattfindet, spitzt sich der Versandhandelskonflikt immer weiter zu. Gesundheitsminister Jens Spahn könnte man in dem Zusammenhang vorwerfen, dass er mit anderen Themen versucht, vom Koalitionsvertrag und dem darin festgeschriebenen Rx-Versandverbot abzulenken. Überhaupt wäre es angebracht, dass sich sein Ministerium endlich öffentlich zu Themen wie Arzneimittelpreisbindung, Versandhandel und Apothekenhonorar äußern würde, bevor sich das EuGH-Urteil zum zweiten Mal jährt. Spahn kümmert sich derweil um das Mammutprojekt Pflege, das sicher nicht in einer Legislaturperiode abzuhandeln ist, oder setzt kleinere Projekte um, wie beispielsweise die nicht unumstrittenen HIV-Schnelltests. Ob das alles Nebelkerzen oder die wahren Herzensangelegenheiten des Ministers sind, bleibt noch im Verborgenen.

In Sachen Rx-Versandverbot lässt sich seit letzter Woche eine neue Dynamik beobachten: Wie bekannt wurde, trafen sich Außenminister Heiko Maas und sein niederländischer Amtskollege Stef Blok, um über die Arzneimittelversender und deren Ausrichtung auf den deutschen Markt zu sprechen. Konkrete Inhalte des Treffens sind bisher nicht veröffentlicht worden. Dabei wäre es interessant zu erfahren, wie Maas den Versandhandelskonflikt bewertet. Hat sich die Meinung des SPD-Ministers nach den Gesprächen mit Blok verändert? Vielleicht wird er nun seine Parteikollegen von den tatsächlichen „europarechtlichen Bedenken“ überzeugen müssen. Diese könnten nämlich aufkommen, wenn man realisiert, dass die Versender aus Venlo und Heerlen zwischen den Rechtskreisen beider Staaten lavieren und sowohl gegen das eine als auch gegen das andere Recht verstoßen.

Prof. Harald Schweim geht in seinem aktuellen DAZ-Beitrag sogar noch einen Schritt weiter und hinterfragt, ob die von den ­EuGH-Richtern unterstellte europäische Warenverkehrsfreiheit überhaupt berührt wird (S. 17). Neben der ­Länderliste des Gesundheitsministeriums und dem Arzneimittel-Rahmenvertrag präsentiert Schweim eine weitere Möglichkeit, wie die ABDA im Interesse der Apotheker rechtlich aktiv werden könnte: Die Niederländer haben nämlich Regeln für sogenannte Grenzapotheken eingeführt. DocMorris und Co. müssten demnach eine Bescheinigung der zuständigen Behörde desjenigen EU-Mitgliedstaates vorlegen, in das sie Arzneimittel versenden. Schweim bezweifelt, ob das bisher geschehen ist und inwiefern sich das realisieren lässt, wenn die Versender permanent gegen deutsches Apotheken- und Arzneimittelrecht verstoßen.

Während die Bundesregierung beim Thema Rx-Versandverbot nach wie vor zurückhaltend ist, wird der niederländische Außenminister seine bekannten Argumente vorgetragen haben: Es geht um 1100 Arbeitsplätze und einen Umsatz von 350 Millionen Euro. Im Land der köstlichen Frikandellen weiß man mittlerweile auch die süßen Rosinen des deutschen Gesundheitssystems zu schätzen.

Armin Edalat

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