Aus den Ländern

Wie die Arzneimittelanwendung effizienter werden kann

Diskussionsveranstaltung des Vereins zur Förderung der Arzneimittelanwendungsforschung

Die Anforderungen an eine rationale Arzneimitteltherapie haben sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Wie dem begegnet werden kann, wer welche Rolle spielen kann und welche Instrumente sinnvoll wie eingesetzt werden können, wurde bei einer Veranstaltung des Vereins zur Förderung der Arzneimittelanwendungsforschung e. V. am 17. Mai 2018 in der Berliner Vertretung der Robert-Bosch-Stiftung diskutiert. Vertreter der Apothekerschaft nahmen daran nicht teil.

Durch den demografischen Wandel steigt die Zahl multimorbider Menschen, die immer mehr Arzneimittel benötigen. Damit werden Arzneimitteltherapien komplexer. Patienten wie auch den Heilberuflern fällt es zunehmend schwerer, die Therapieregime zu überblicken und gegebenenfalls die richtigen Dosierungsänderungen vorzunehmen bzw. Arzneimittel rechtzeitig ab- oder anzusetzen. Eine Zunahme an unerwünschten Arzneimittelwirkungen kann die Folge sein. Dass sich die Anforderungen an eine rationale Arzneimittel therapie in den letzten 40 Jahren verändert haben, darin waren sich die Diskutanten der Veranstaltung des Vereins zur Förderung der Arzneimittelanwendungsforschung e. V. mit ihrer Vorsitzenden Lieselotte von Ferber einig. Gesucht wird ein Koordinator, der bei komplexen Therapieregimen den Überblick behält. Er muss mit allen an der Arzneitherapie Beteiligten auf der Basis umfassenden klinischen und pharmakologischen Wissens kommunizieren und Maßnahmen koordinieren.

Dr. med Klaus Reinhard, Vorsitzender des Hartmannbundes, sowie Ulrich Weigeld, Vorsitzender des Hausärzteverbandes, sahen hier die Hausärzte in der Verantwortung. Nur sie könnten den Überblick behalten und mit anderen Fachärzten sowie gegebenenfalls im Bereich der Selbstmedikation mit Apothekern kommunizieren.

Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa), sieht bei pharmazeutischen Unternehmern Möglichkeiten, die Arzneimittelanwendung zusammen mit der Industrie positiv zu gestalten. Einzelne Unternehmen am Aufbau von Registern zur Dokumentation von Therapien und Auswertung der Erfolge der eingesetzten Arzneimittel zu beteiligen sei ein guter Weg. So wurde beispielsweise für Patienten mit rheumatoider Arthritis in Deutschland ein Risikoscore für Infektionen entwickelt, der auf den Daten von 5000 Patienten des Deutschen Registers zur Beobachtung der Biologika-Therapie bei rheumatoider Arthritis (RABBIT) beruht.

Martin Litsch vom AOK-Bundesverband verwies auf die statistischen Auswertungen der Krankenkassen, die erst die Grundlage für wissenschaftliche Forschung und Beratung der Ärzte möglich gemacht hätten. Der jährlich erscheinende Arzneiverordnungsreport und die den Krankenkassen und Kassenärztlichen Vereinigungen zur Verfügung stehende Software PharmPro® zur Beratung der Ärzte sieht er als „Benchmarks“ zur wissenschaftlichen Bewertung der Arzneimitteltherapien.

Apotheker müssen mit ins Boot

Prof. Dr. med. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, mahnte bessere wissenschaftlich fundierte Informationen für Ärzte an. Die frühe Nutzenbewertung sei ein wichtiger Schritt gewesen. Vor dem Hintergrund steigender beschleunigter Zulassungen würde jetzt aber auch eine „späte Nutzenbewertung“ gebraucht, vor allem in der Onkologie. Einerseits seien öffentlich geförderte, kontrollierte randomisierte klinische Studien notwendig, um ausreichend Evidenz für den Einsatz der Arzneimittel zu erhalten. Andererseits müsse die Pharmakovigilanz bei den Heilberufen gestärkt werden, um rechtzeitig Risiken zu erkennen und gegebenenfalls vonseiten der Zulassungsbehörden nachsteuern zu können. Wesentlich sei aber auch die Einbindung von ausreichend qualifizierten Apothekern in komplexe Arzneiregime. Denn Ärzte könnten hier auf Dauer nicht mehr allein den Überblick behalten, insbesondere bei älteren multimorbiden Patienten. Die Erfahrungen in Krankenhäusern hätten gezeigt, dass die Einbindung von gut geschulten Apothekern sehr hilfreich sei, dem Patienten nutze und Kosten reduziere. Nun komme es darauf an, diese Berufsgruppe mit dem notwendigen klinisch pharmakologischen Wissen auszustatten, um sie auch im ambulanten Bereich verstärkt einzusetzen.

Medikationsplan nicht nur in Papierform

In der anschließenden Podiumsdiskussion setzten sich auch Martina Stamm-Fibich (SPD) und Michael Hennrich (CDU) für eine stärkere Kooperation der Ärzte untereinander aber auch mit Apothekern und anderen Berufen des Gesundheitswesens ein. Der derzeit zur Verfügung ste­hende Medikationsplan in Papierform sei nicht ausreichend und müsse durch ein elektronisches Format ersetzt werden, wobei es dem Patienten überlassen bleiben sollte, wer den Medikationsplan als erster erstellt.

Dr. med. Jürgen Bausch, Ehrenvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, verwies in seinem Schlusswort auf die Notwendigkeit, die Arzneimittelanwendungsforschung weiter zu verbessern. Lasse man die letzten 40 Jahre Revue passieren, habe sich aufgrund der Basisforschung von Lieselotte von Ferber und ihres Mannes, Prof. Dr. Christian von Ferber, sowie mit logistischer und finanzieller Unterstützung von Krankenkassen eine feste Grundlage ent­wickelt, auf der nun allerdings weiter aufgebaut werden müsse. Die 2013 veröffentlichte Leitlinie Multimedikation der Hausärzte – übrigens unter Moderation der Apothekerin Ingrid Schubert entwickelt – sei ein Meilenstein gewesen und letztlich nur durch die Vorarbeiten der Anwendungsforschung möglich geworden. Der Ausbau von Kommunikation und Kooperation sei der Schlüssel für eine rationalere Pharmakotherapie und notwendig, um die zukünftigen Herausforderungen, insbesondere bei der Multimedikation, zu bewältigen. |

Udo Puteanus, Münster

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