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App statt „Pille“

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

Eingriffe in die hormonellen Regelkreisläufe ziehen oft ungeahnte Folgen nach sich. Das zeigt einmal mehr das Beispiel des 5α-Reduk­tasehemmers Finasterid und das Postfinasterid-Syndrom, das unter anderem mit Depressionen und Suizidgedanken einhergeht (s. DAZ 2018, Nr. 16, S. 26). Erst spät ist klar geworden, dass hier ein ursächlicher Zusammenhang bestehen kann. Die Produktinformationen mussten entsprechend angepasst werden.

Ein weiteres Beispiel: hormonelle Kontrazeptiva. Auch hier standen die Auswirkungen auf die Psyche lange Zeit nicht im Fokus der unerwünschten Wirkungen. Doch in den letzten Jahren untermauerten vor allem Kohortenstudien den Verdacht, dass unter hormonellen Kontrazeptiva besonders bei heranwachsenden jungen Frauen das Depressions- und Suizidrisiko steigen kann (DAZ 2016, Nr. 41, S. 59; DAZ 2018, Nr. 2, S. 38).

Solche Befunde verunsichern. Hormonfreie Verhütungsmethoden sind gefragter denn je. Verhütungs-Apps haben trotz vieler Bedenken in Sachen Datensicherheit Hochkonjunktur (s. S. 44).

Über die Zuverlässigkeit wird allerdings heftig gestritten. Doch besonders dann, wenn neben der Temperatur auch noch die Beschaffenheit des Zervixschleims in die Berechnung der fruchtbaren Tage einfließt, soll diese eigentlich altbekannte symptothermale Verhütungsmethode mit App-Unterstützung sogar sicherer sein als Minipille oder Kondom.

Dabei ist – mit oder ohne App – eine gute Schulung gepaart mit viel Erfahrung unabdingbar für den Erfolg. Die Frauen müssen nicht nur zuverlässig die Aufwach- bzw. Basaltemperatur erfassen, sie müssen vor allem lernen, die Konsistenz des Zervixschleims und nach Möglichkeit auch noch die Beschaffenheit von Muttermund und Gebärmutterhals richtig zu beurteilen. Das Verfahren wird umso sicherer, je mehr Zyklen erfasst und ausgewertet worden sind. Das mag mit einer guten App sicher leichter gelingen als mit Papier und Bleistift. Ob allerdings der digitale Wandel so auch in großem Stil die Verhütung revolutionieren wird, mag angesichts der zugrundeliegenden altbekannten und fehleranfälligen Methodik bezweifelt werden.

Was jedoch offensichtlich ist: viele Frauen sind „pillenmüde“, erleben das Absetzen hormoneller Kontrazeptiva als Befreiungsschlag und sind nicht mehr gewillt, Thromboserisiken, Depressionen oder sonstige Begleitwirkungen in Kauf zu nehmen. Sie wünschen sich sicherere und nebenwirkungsfreie Methoden zur Familienplanung.

Vielleicht gelingt es in Zukunft ja, die für den Eisprung wichtigen Hormonveränderungen mithilfe von Sensoren kontinuierlich zu erfassen, wie dies jetzt schon für die Blutzuckermessung möglich ist. Das könnte dann tatsächlich den digitalen Wandel in der Ver­hütung und Familienplanung einleiten – vorausgesetzt, das Vertrauen in die Datensicherheit wird nicht erschüttert.


Doris Uhl


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