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Hennrichs Vorschlag sorgt für Diskussion

Hält die Union am Rx-Versandverbot fest?

bro | Die Stimmung zwischen den Apothekern und der CDU bleibt angespannt. Nachdem der Arzneimittelexperte Michael Hennrich im Interview mit DAZ.online vor­geschlagen hatte, am Rx-Versandverbot nicht länger festzuhalten und die Einsparungen aus Verträgen zwischen Kassen und EU-Versendern an die Apotheken abzu­leiten, musste er sich beim DAV-Wirtschafts­forum erklären.
Foto: imago – Christian Ditsch
Michael Hennrich (CDU)

„Wir haben uns jetzt anderthalb Jahre abgekämpft. Und mit großem Respekt vor Herrn Gröhe muss ich sagen, dass auch ich sehr froh war über das Verbot im Koalitionsvertrag. Aber aufgrund der neuen Personalkonstellation in der GroKo besteht nun die berechtigte Sorge, dass dieses Verbot politisch nicht machbar ist.“ Seinen Kurswechsel verteidigte der CDU-Politiker Hennrich in der Diskussionsrunde beim Wirtschaftsforum des Deutschen Apothekerverbandes vorsichtig.

Apotheker aus dem Publikum sowie DAV-Chef Fritz Becker und BAK-Präsident Andreas Kiefer warfen ihm vor, seine Versprechen zu brechen, und betonten, wie gefährlich sein Vorschlag für die Apotheken vor Ort sein würde. Auch die Grünen-Arzneimittelexpertin Kordula Schulz-Asche sowie der FDP-Gesundheitspolitiker Wieland Schinnenburg nahmen an der Diskussion teil.

In der ersten Stunde musste Hennrich also herbe Kritik einstecken. Moderator Ralph Erdenberger wollte zunächst herausfinden, wie die Standesvertreter Becker und Kiefer auf das Interview reagiert hätten. Becker, der auch in seiner Heimat Baden-Württemberg viel mit Hennrich zu tun hat, erklärte: „Ich habe meinen Augen nicht getraut und habe mir vorgenommen, Michael Hennrich heute den Kopf zu waschen.“

Kiefer sagte, er sei „schockiert“ gewesen und halte Hennrichs Alternativ-Vorschlag für „keine machbare Lösung“. Die Grünen-Politikerin Schulz-Asche berichtete, sie habe freudig reagiert, weil sie nun nicht mehr die „Hauptfeindin“ der Apotheker sei. Sie warf Hennrich aber auch vor, nicht zu seinen Aussagen im Wahlkampf zu stehen – was bei den Apothekern für großen Applaus sorgte.

„Juristisch nicht durchdacht“

Auch inhaltlich wurde Hennrichs Vorschlag sowohl von den Diskussionsteilnehmern als auch vom Publikum kritisiert. FDP-Politiker Schinnenburg sagte, er habe den Eindruck, dass der Vorschlag nicht ordentlich „juristisch durchdacht“ sei. Schulz-Asche warnte davor, dass eine „doppelte Gewinnsituation“ bestehe, wenn EU-Versender und Kassen Verträge abschließen würden – schließlich hätten die holländischen Versender ganz andere Werbemöglichkeiten als die Apotheke vor Ort. Martin Weiser, Chef des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller (BAH) und Apotheker, ergriff das Wort und warnte davor, die Rx-Preisbindung aufzugeben: „Mittelfristig würden zwei verschiedene Preise dazu führen, dass Krankenkassen selektieren und lenken. Schon so ein Feldversuch ist nicht erlaubt!“

Grüne wollen umverteilen

Aber Hennrich verteidigte seinen Vorschlag. Man müsse gesetzgeberisch festlegen, dass solche Verträge nicht beworben werden dürfen, und einen „Run“ auf die EU-Versender verhindern. „Die Idee ist, dass die Packungen, die über den EU-Versand abgegeben werden, gezählt werden. Wenn DocMorris beispielsweise 3 Euro Rabatt ­gewährt und pro Jahr 10 Millionen ­ackungen abgibt, müssten die Kassen 30 Millionen Euro in den Apothekenmarkt ableiten.“ Er gab zu, seinen Vorschlag nicht „in allen Facetten“ juristisch geprüft zu haben. Letztlich sei es ihm aber auch darum gegangen, den „Druck im Kessel zu erhöhen“. Denn eines stellte der CDU-Politiker klar: Auch aus seiner Sicht könne es nicht sein, dass Chroniker, die ohnehin schon sehr von der Solidargemeinschaft profitierten, sich auch noch persönlich in Form von Rx-Boni bereicherten. Und auch das Rx-Versandverbot ließ der Arzneimittelexperte der Union nicht ganz aus dem Auge: „Wenn mein Vorschlag scheitert, ist ja der Druck vielleicht noch etwas höher, das Verbot umzusetzen. Ich bin jedenfalls nach wie vor davon überzeugt, dass das Verbot juristisch machbar wäre.“ Die Grünen-Politikerin Schulz-Asche warb erneut dafür, die Aussagen aus dem Honorargutachten des Bundeswirtschaftsministeriums zu beachten. „Laut Gutachten sind etwa 50 Prozent der Apotheken ohnehin schon gefährdet. Wir müssen aber rausfinden, welche dieser Apotheken wirklich versorgungsrelevant sind und diese gezielt unterstützen“, so Schulz-Asche. Erneut forderte sie auch einen Umverteilungsmechanismus beim Apothekenhonorar, mit dessen Hilfe Apotheken mit hohem Umsatz „kleinere“ Apotheken unterstützen könnten. BAK-Präsident Kiefer hielt dagegen: „Das geht alles in Richtung Bedarfsplanung. Und genau das wollen wir nicht und es ist auch höchstrichterlich verboten.“ Auch Becker will solche Lösungen nicht zulassen: „Jede Apotheke braucht Planungssicherheit und eine gesunde wirtschaft­liche Basis! Wir hängen beim Honorar schon wieder vier Jahre zurück.“

Der FDP-Politiker Schinnenburg machte sich in der Diskussion mehrfach für eine beratungsorientierte Vergütung der Pharmazeuten stark. Auch vom „Abraten“ sollten Apotheker wirtschaftlich profitieren.

Maag und Huml stehen zum Rx-Versandverbot

Doch wie ist es um die Meinung der anderen Spitzen-Gesundheitspolitiker in der Union bestellt? Hennrichs „Chefin“ Karin Maag, die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion im Bundestag, hatte wenige Wochen zuvor erklärt, dass das Rx-Versandverbot eines ihrer wichtigsten Projekte werden soll. Und Maag bleibt dabei. Auf die Frage, ob sie ihren Kurs jetzt auch überdenken werde, antwortete Maag: „Wir haben einen Koalitionsvertrag, in dem vorgesehen ist, dass wir uns für das Rx-Versandverbot einsetzen wollen. Dazu stehe ich nach wie vor.“ Maag, die selbst Juristin ist, erklärte: „Ich finde, dass man aus Angst vor dem Bundesverfassungsgericht nicht darauf verzichten sollte, es zumindest einmal zu probieren mit dem Verbot.“ Hennrichs Kurswechsel kommentierte Maag nur so: „Sollten wir mit dem Gesetz zu einem Rx-Versandverbot scheitern, können wir auf die Hennrich’sche Lösung zurückgreifen.“

Auch Melanie Huml, stellvertretende CSU-Parteivorsitzende und bayerische Gesundheitsministerin, äußert sich positiv zum geplanten Rx-Versandverbot: „Ich gehe davon aus, dass die Koalitionspartner den Koalitionsvertrag umsetzen werden.“ |


Lesen Sie hierzu auch den Kommentar "Nur eine Bierdeckel-Skizze" von Dr. Armin Edalat.

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