Aus den Ländern

Leber: Drehscheibe des Stoffwechsels

Frühjahrskongress der Apothekerkammer Schleswig-Holstein

OSTSEEBAD DAMP (tmb) | Leber, Galle und Pankreas waren die Themen des Frühjahrskongresses der Apothekerkammer Schleswig-Holstein am 21. und 22. April im Ostseebad Damp. Dabei ging es sowohl um die Krankheiten dieser Organe als auch um die Leber als Lokalisation von Arzneimittelinteraktionen und -nebenwirkungen. Bei der Begrüßung betonte Kammerpräsident Gerd Ehmen die Bedeutung der Fortbildung. Aus den Anforderungen an den Beruf leitete er zugleich die Forderung nach einem zukunftssicheren Honorar ab.
Foto: DAZ/tmb
Hafen im Ostseebad Damp, das seit über 20 Jahren bewährter Tagungsort der Apothekerkammer Schleswig-Holstein ist.

Ehmen forderte, die Gesundheits­politik müsse sich zur Arzneimittelversorgung durch die öffentlichen Apotheken bekennen. Arzneimittelversorgung sei die Übernahme heilberuflicher Verantwortung im direkten Kontakt mit Patienten. Diese heilberufliche Leistung müsse angemessen und zukunftssicher vergütet werden. Nur dann biete sie jungen Kollegen eine interessante berufliche Perspek­tive. Zugleich erklärte Ehmen, er eröffne den Kongress zum letzten Mal. Denn er werde bei der Wahl des Kammerpräsidenten am 2. Mai nicht wieder kandidieren. Nachdem er seit etwa 30 Jahren berufspolitisch tätig sei, dankte Ehmen den Berufspolitikern und allen anderen Kollegen für die Zusammenarbeit.

Vorsicht Wechselwirkungen

Das Kongressprogramm wurde wieder von Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, organisiert und moderiert.

Prof. Dr. Walter E. Haefeli, Heidelberg, erläuterte die Mechanismen von Arzneimittelinteraktionen. Diese seien dann problematisch, wenn an einem „Tatort“, also bei einem Clearance-Mechanismus, zugleich ein verursachender Stoff („Täter“) und ein Stoff, dessen Konzentration relevant verändert wird („Opfer“), vorhanden sind. Ob dies klinisch relevant ist, hänge von der Exposition mit dem Arzneimittel ab, die nur aus der Dosis in Verbindung mit der Ausscheidung ermittelt werden kann. Auch die Krankheit selbst könne die Biotransformation verändern. So hemme IL-6 die Expression von CYP3A4. Wenn der Patient dann Antikörper gegen IL-6 erhält, ändere dies den Stoffwechsel erheblich. Effekte auf CYP3A4 sieht Haefeli als wichtigste Auslöser für Interaktionen in der Praxis, insbesondere beim Einsatz von Makroliden oder Azolantimykotika.

Viele Arzneistoffe gelangen über Transporter in Leberzellen hinein und aus ihnen wieder heraus, sodass diese Transporter wesentlich für die Wirksamkeit und Verstoffwechselung sind. Eine Übersicht über die zahlreichen Transporter gab Dr. Oliver Bruhn, Kiel. Die meist starke Überlappung des Substratspektrums sorge jedoch für Alternativen, sodass der Ausfall eines Transporters nicht immer klinisch relevant sei. Als viel beachtete Bei­spiele nannte Bruhn die genetischen Polymorphismen der Transporter OATP-1B1 und OCT1. Ersterer transportiert insbesondere Statine, während Letzterer die Aufnahme von Metformin in die Leberzellen steuert.

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Prof. Dr. Ralf Stahlmann

Leberschäden durch Arzneimittel

Neben der direkten Toxizität lösen einige Arzneistoffe bei wenigen Patienten ein nicht vorhersehbares, potenziell tödliches Leberversagen aus, wobei die Dosis-Wirkungs-Beziehung unklar sei, erklärte Prof. Dr. Ralf Stahlmann, Berlin. Da ein arzneimittelinduziertes Leberversagen nur etwa einen von 10.000 Patienten betrifft, könne es jeweils erst nach der Markteinführung erkannt werden und sei ein wesent­licher Grund für Marktrücknahmen. Als Auslöser seien auch immunologische Effekte zu beachten, die über T‑Zellen vermittelt werden.

Außerdem erinnerte Stahlmann an die dosisabhängige Leberschädigung durch Paracetamol, das als Modell­substanz bestens untersucht sei. Er wandte sich entschieden gegen Verkaufsangebote, die den Mehrgebrauch von Paracetamol fördern könnten.

Salus-Medaille für Prof. Dr. Bernd Clement und Prof. Dr. Walter Raasch

Bei der Eröffnung des Frühjahrskongresses der Apothekerkammer Schleswig-Holstein verlieh Kammerpräsident Gerd Ehmen zweimal die Salus-Medaille. Diese 1997 begründete Auszeichnung der Kammer für besonders verdiente Apotheker wurde bis dahin erst siebenmal vergeben. In Damp wurden nun auch Prof. Dr. Bernd Clement, Kiel, und Prof. Dr. Walter Raasch, Lübeck, mit der Medaille „Salus aegroti suprema lex“ ausgezeichnet. Damit verbinde die Kammer ihren Dank und ihre Anerkennung für die ehren­amtlichen Verdienste der beiden Professoren, erklärte Ehmen. Beide hätten immer wieder aufgezeigt, dass das Wissen um Arzneimittel ein unverzichtbares Fundament für die Arbeit der Apotheker ist. Bei allen ihren Anstrengungen in der Lehre und Forschung sei das Wohl des Patienten das bestimmende Motiv.

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Kammerpräsident Gerd Ehmen verlieh die Salus-Medaille an Prof. Dr. Walter Raasch (links) und Prof. Dr. Bernd Clement (rechts).

Clement war langjähriger Direktor des Pharmazeutischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität Kiel und ist seit 1992 Weiterbildungsbeauftragter der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. In seinem Dank erklärte Clement, er habe schon 1990 beim Beginn seiner Arbeit in Kiel gemerkt, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Institut und der Kammer dort optimal sei. Clement bekräftigte, dass die Breite der Pharmazie von der Chemie bis zum Patienten erhalten bleiben solle. Bei dem relativ kurzen Studium sei das nur möglich, wenn darauf Fort- und Weiterbildungen folgen.

Raasch lehrt in der Sektion Medizin der Universität Lübeck und verantwortet seit 1992 das Fortbildungsangebot der Apothekerkammer Schleswig-Holstein. Dabei organisiert und moderiert er insbesondere die Frühjahrskongresse in Damp. Raasch erklärte, eine mindestens ebenso große Auszeichnung wie die Medaille sei, dass die Fortbildung von den Apothekern akzeptiert werde. Dazu verwies er auf das wieder große Interesse am Kongress in Damp.

Bewegung gegen Fettleber

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Prof. Dr. Elke Roeb

Prof. Dr. Elke Roeb, Gießen, informierte über die alkoholische und die nichtalkoholische Leberentzündung, die zur Fibrose und Zirrhose und schließlich zum Leberkrebs oder zum Leberversagen führen können. Doch die meisten Patienten mit Leberentzündung würden schon vorher sterben, weil dabei die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigen. Grundlage der Therapie sei die Änderung des Lebensstils. Bewegungsmangel sei sogar ein eigenständiger Risikofaktor. Innerhalb von etwa drei Jahren seien zudem neue Arzneimittel als Therapieoptionen zu erwarten.

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Dr. Rainer Günther

Hepatitis B und E: neue Chancen und Herausforderungen

Viel größer ist die Bedeutung von Arzneimitteln bei den Virushepatitiden, die Dr. Rainer Günther, Kiel, darstellte. Da Hepatitis C nur chronifiziere, weil die Virusreplikation schneller als die Ausscheidung erfolge, reiche eine wirksame Vermehrungshemmung als Therapie aus. Mit den nun verfügbaren Arzneistoffkombinationen gelinge dies für alle Genotypen mit mindestens 95 Prozent Erfolgsquote praktisch ohne Nebenwirkungen. Die Eradikation von Hepatitis C bis 2030 in Deutschland sei daher realistisch.

Für Hepatitis B gelte dagegen bisher „einmal infiziert – immer infiziert“, aber Kombinationen neuer Arzneistoffe dürften in wenigen Jahren auch eine Heilung bei Hepatitis B ermöglichen. Ein großes Problem erwartet Günther bei Hepatitis E, die ebenfalls chroni­fizieren könne und für viele Fälle des akuten Leberversagens verantwortlich sei. Sie werde durch Nahrung und (nicht getestete) Blutkonserven übertragen und besonders in Nordeuropa durch nicht ausreichend gegartes Wildfleisch verbreitet. Zwar existiere ein Impfstoff gegen Hepatitis E, aber dieser sei in Europa nicht im Handel.

Günther mahnte, alle Impfungen gegen Hepatitis zu nutzen und chronische Leberentzündungen zu behandeln. Das häufigste Symptom aller ­Lebererkrankungen sei chronische Müdigkeit, denn „Müdigkeit ist der Schmerz der Leber“, erklärte Günther. Doch das größte klinische Problem ­seien spätere Leberschäden, wenn das Immunsystem durch Tumoren oder immunsuppressive Therapien geschwächt ist. Außerdem sollten Leberschäden durch Pflanzen beachtet werden. Dazu kündigte Günther ein Projekt mit dem NDR an, das demnächst auch zu Fragen in Apotheken führen dürfte.

Galle und Pankreas

Bei Erkrankungen der Gallenblase haben Arzneimittel einen eher geringen Stellenwert. Meist geht es dabei um Gallensteine, die durch Ultraschall zertrümmert oder chirurgisch entfernt werden, erklärte Prof. Dr. Gunther Weitz, Lübeck. Eine Ausnahme bildet die primäre biliäre Cholangitis. Diese wird mit Ursodesoxycholsäure behandelt, die den Gallensäurenpool zugunsten der wasserlöslichen Formen verschiebt.

Gallensteine sind auch die häufigste Ursache für eine akute Pankreatitis, die schon nach einigen Stunden zu ­irreversiblen Schäden führen kann. Über diese und andere Erkrankungen des exokrinen Pankreas berichtete Prof. Dr. Alexander Arlt, Kiel. Für die Prognose einer akuten Pankreatitis sei insbesondere die Nierenfunktion entscheidend. Zur Ernährung empfahl Arlt, diese möglichst bald enteral zu verabreichen.

Neue Perspektiven für Phytos

Prof. Dr. Martin Tegtmeier, Salzgitter, gab eine Übersicht über Phytopharmaka mit Indikationen rund um die Leber, insbesondere aus Mariendistel, Artischocke und Javanischer Gelbwurz. Letztere habe im Tierversuch sogar ­Effekte gegen eine Schädigung durch Aflatoxine gezeigt. Neue Perspektiven für OTC-Arzneimittel sieht Tegtmeier in der Anwendung von Mischextrakten. Nach dem bisherigen Trend zu Monopräparaten seien mittlerweile Modelle erarbeitet worden, die die Zulassung solcher Kombinationen nach heutigen Anforderungen ermöglichen.

Erfolgreiches Fortbildungskonzept

Am wissenschaftlichen Programm in Damp nahmen etwa 250 Apotheker teil. Daneben wurden Praxisfortbildungen für etwa 70 PTA und 50 PKA geboten. Der Galaabend im Kongress­zentrum bot einen unterhaltsamen Ausgleich zum fachlichen Programm. Für einige Apothekenteams ist die Fahrt zum Damper Kongress mit dem gemeinsamen Besuch der Abendveranstaltung inzwischen zu einer Institution geworden. |

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