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Kassen holen sich Millionen zurück

Betrug im Gesundheitswesen wird öfter aufgedeckt – Bayern will Schlagkraft der Polizei stärken

ks | Viele Krankenkassen haben eigene Ermittlergruppen, die Betrügereien im Gesundheitswesen nachgehen. Vergangene Woche vermeldeten die AOK Nordwest und die AOK Niedersachsen die jüngsten Erfolge ihrer Ermittler. In Bayern kündigte indessen die Landesregierung an, ihren Beitrag im Kampf gegen Betrug im Gesundheitswesen verstärken zu wollen.

Jahr für Jahr berichten Kassen von Millionenschäden durch Betrügereien im Gesundheitswesen. Aktuell meldet die AOK Niedersachsen, dass ihre Ermittler 2016/2017 insgesamt 1675 Falsch­abrechnungen aufgedeckt haben. Die Rückforderungen beliefen sich der Kasse zufolge auf 7,7 Millionen Euro – mehr als doppelt so viel als in den Jahren 2014/2015. „Diese extreme Steigerung überrascht. Sie ist aber auch ein Ergebnis von gesetzlichen Neuregelungen, die Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und die Solidargemeinschaft besser vor kriminellen Handlungen schützen“, erklärt AOK-Chef, Dr. Jürgen Peter. Es sind also nicht unbedingt mehr Betrüger unterwegs, sondern das Dunkelfeld wird zunehmend erhellt.

Rund 44 Prozent der Betrugsfälle (738) sind bei der AOK Niedersachsen auf Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen gefallen. Eine Auskunft zum Bereich der Apotheken gab die Kasse nicht.

Auch der „Stabsbereich Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen“ der AOK Nordwest hat vergangene Woche seinen Tätigkeitsbericht 2016/2017 vorgestellt. Demnach holte sich die Kasse in den vergangenen zwei Jahren über 3,5 Millionen betrügerisch erlangte Euro zurück. Den höchsten Rückfluss verzeichnete die Kasse im Bereich der ärztlichen Behandlung (1,11 Mio. Euro), gefolgt von der Krankenhausbehandlung (874.000 Euro), der häuslichen Krankenpflege (638.000 Euro), Arznei- und Verbandsmitteln (510.000 Euro) und Heilmitteln (106.000 Euro). Ob und in welchem Maße gegen Apotheker ermittelt wurde, erklärte die AOK Nordwest ebenfalls nicht. Doch es gibt Beispiele aus dem ärztlichen Bereich. Einmal ging es um Impfstoffe: In zwei Fällen hätten Ärzte erheblich mehr abgerechnet, als ihnen überhaupt Impfstoffe zur Verfügung standen. Zudem fiel den AOK-Ermittlern ein insulinpflichtiger Patient auf: Er hatte sich bei mehreren Ärzten deutlich zu viele Zusatzmaterialien für seine Insulinpumpe verschreiben lassen.

Schwerpunktstaatsanwalt­schaften als Lösung?

Derzeit verfolgt das Ermittlungsteam der AOK Nordwest 1110 Fälle aus allen Bereichen des Gesundheitswesens. Um den Betrugsfällen intensiver nachgehen zu können, fordert die Krankenkasse die Einführung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften, die sich ausschließlich mit Wirtschaftskriminalität im Gesundheitswesen befassen.

In Bayern ist man weiter. Hier gibt es bereits Schwerpunktstaatsanwaltschaften in München, Nürnberg und Hof. Doch die Landesregierung will mehr. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Justizminister Prof. Dr. Winfried Bausback (beide CSU) kündigten ein spezielles Wirtschaftskommissariat in allen Polizeipräsidien des Freistaats an. „Wir setzen alles daran, den skrupellosen Betrügern das Handwerk zu legen“, erklärte Herrmann. Bausback begrüßte die Zuständigkeitskonzentration seitens der Polizei: „Hierdurch werden fachliche Kompetenz, Erfahrung und technisches Know-how in schlagkräftigen Einheiten gebündelt.“

Die AOK Bayern begrüßte den Vorstoß: „Bayern nimmt damit eine wichtige und bedeutende bundesweite Vorreiterrolle ein.“ Tatsächlich sind Schwerpunktstaatsanwaltschaften für das Gesundheitswesen nicht die Regel – wenngleich sie etwa in Frankfurt/M. erfolgreich arbeiten. Die deutschen Landesjustizminister hatten sich Ende 2016 dennoch gegen die flächendeckende Einführung solcher Schwerpunktstaatsanwaltschaften ausgesprochen – sie sei nicht „zielführend“. |

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