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„Aspirin ausverkauft!“

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Doris Uhl, Chefredakteurin der DAZ

„Lieferengpässe bei Bayer: Aspirin ausverkauft!“ So titelte am 17. März 2018 der „Berliner Kurier“ und schürte bewusst oder unbewusst die Angst in der Bevölkerung, dass ein wichtiges Schmerzmittel nicht mehr zur Verfügung steht. Erst später war zu lesen, dass es sich um intravenös zu verabreichende Acetylsalicylsäure handelt, die als Notfallmedikament bei akutem Koronarsyndrom eingesetzt wird. Sie wird schon länger kontingentiert, was Klinik- und klinikversorgende Apotheker gleichermaßen immer wieder aufs Neue herausfordert. Lieferengpässe unter anderem von Krebstherapeutika, Antibiotika oder Narkotika, aber auch von Notfallmedikamenten gehören inzwischen zum Klinikalltag. Eine optimale Therapie – einschließlich die von lebensbedrohlichen Erkrankungen – ist immer wieder nicht mehr zu gewährleisten (s. Artikel "Kein Ende in Sicht").

Doch auch in der Offizin kämpfen die Kollegen täglich gegen unzählige Engpässe. Dabei hat man sich vor Jahren nicht träumen lassen, dass tatsächlich einfache Fieber- und Schmerzmittel knapp werden könnten. Die langsam abflachende Grippewelle hat uns eines Besseren bzw. Schlechteren belehrt. Kostendruck auf der einen und Gewinnmaximierung auf der anderen Seite haben ganze Arbeit geleistet!

Zwar wurden in den vergangenen Jahren unzählige Konferenzen zur Behebung dieser Problematik abgehalten, Maßnahmen geplant, Forderungen aufgestellt – leider ohne Erfolg. Sicher: „Die“ Ursache gibt es nicht! Rabattverträge können ebenso verantwortlich sein wie das Abfließen von Ware in lukrativere Märkte. Doch von Anfang an war klar: Eines der größten Probleme ist die Oligo- und Monopolisierung. Immer wieder gibt es nur noch einen einzigen Wirkstoffhersteller, der den Bedarf für alle Anbieter sicherstellen muss. Kommt es dann zu Produktionsproblemen, seien sie technischer Natur oder weil die Überwachungsbehörden einschreiten müssen, kann der Ausfall nicht mehr kompensiert werden. Da nutzt es auch nichts, wenn bei Rabattverträgen darauf geachtet wird, dass mehrere Anbieter mit im Boot sitzen.

Zwar führt das BfArM inzwischen eine Lieferengpassliste, doch sie muss leider der Kategorie zahnloser Papiertiger zugeordnet werden. Denn die Meldung ist freiwillig, so dass dieses Instrument allenfalls zur Verwaltung des Mangels im Einzelfall geeignet ist. An die Wurzel des Übels kommt man damit nicht heran. Besser geeignete und immer wieder diskutierte Maßnahmen, wie eine gesetzliche Vorgabe zur Vorhaltung einer Nationalen Arzneimittelreserve für lebensnotwendige Medikamente von bis zu einem halben Jahr, werden zwar immer wieder ins Spiel gebracht, durch­gesetzt wurden sie bislang nicht.

Es ist zum Verzweifeln! Nach all den vielen Diskussionen und Schuldzuweisungen wünscht man sich nichts sehnlicher, als dass Politik und Gesetzgeber endlich ihrer Daseinsvorsorge-Pflicht nachkommen und zumindest erste wirksame Schritte in die Wege leiten. Das beginnt damit, transparent zu machen, welcher Hersteller welchen Wirkstoff von welchem Lohnhersteller bezieht. Doch wer die Lieferengpassproblematik ernsthaft lösen will, der muss wesentlich radikaler durchgreifen. Er muss mit gesetzlichen Vorgaben die Voraussetzungen für eine Produktion in Deutschland und Europa schaffen, die die Versorgung der europäischen Bevölkerung unabhängig von Drittstaaten sicherstellt. Zugegeben, das ist ein dickes Brett, das es zu bohren gilt. Doch das ist die Aufgabe der Politik und nicht zuletzt unseres neuen Bundesgesundheitsministers. Es besteht dringender Handlungsbedarf!

Dr. Doris Uhl


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