Interpharm 2018 – ApothekenRechtTag

Herausforderung Heimversorgung - ein Update

Was ist erlaubt, was ist verboten?

hb | Der Grat zwischen zulässigen, problematischen und angreifbaren Vertragsklauseln in Heimversorgungsverträgen ist schmal. Insbesondere bei kostenlosen Zusatzangeboten von Apotheken gegenüber Heimträgern ist Vorsicht geboten. In einer Tour d‘horizon gab Professor Hilko J. Meyer, Frankfurt University of Applied Sciences, einen Überblick zum Recht rund um die Heimversorgung. Sein Resümee: Vieles kann zwischen Apotheke und Heimverwaltung vertraglich vereinbart werden, aber nicht alles darf von der Apotheke unentgeltlich angeboten werden.

Seit die Heimversorgung durch Apotheken in Deutschland vor fünfzehn Jahren auch apothekenrechtlich geregelt wurde, sind die Anforderungen an diese besondere Service-Leistung und der Kostendruck bei den Heimträgern enorm gestiegen. In seinem Vortrag charakterisierte der Referent den Heimversorgungsmarkt als Nachfragermarkt, wobei die Heimträger mehr und mehr Zusatzleistungen der versorgenden Apotheken einfordern. Diese Zusatzleistungen bewegen sich jedoch in einem engen rechtlichen Rahmen, wie etwa der freien Apothekenwahl der Heimbewohner, des Rechts der Pflege- und Krankenversicherung, des Arzneimittel-, Apotheken- und Berufsrechts sowie bestehender werbe- und wettbewerbsrechtlicher Vorgaben. Eine weitere Herausforderung ist das verschärfte Antikorruptionsrecht mit den neuen Straftatbeständen der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen.

Vorsicht bei kostenlosen Zusatzleistungen

Meyer beleuchtete die Zulässigkeit und Fallstricke von typischen Zusatzleistungen einer heimversorgenden Apotheke an verschiedenen Beispielen: den zusätzlichen Schulungsangeboten für Heimmitarbeiter und Pflegefachkräfte, dem Medikationsmanagement, dem „Rezeptmanagement“ sowie dem Patientenindividuellen Verblistern (Tab. 1).

Besonders beim „Rezeptmanagement“ gebe es einiges zu beachten. Es sei zwar als Zusatzleistung vertraglich regelbar, verlange jedoch eine klare Abgrenzung zur Rezeptzuweisung. Außerdem müsse der Arztkontakt Aufgabe des Heims bleiben. Kritisch wird es außerdem, wenn Zusatzleistungen kostenlos erbracht werden sollen, da diese mit dem geltenden Antikorruptionsrecht in Berührung kommen können. Um hierbei keine Probleme zu bekommen, empfahl Meyer dringend, Zusatzdienstleistungen als gesonderte Vereinbarung zum Heimversorgungsvertrag ausdrücklich zu vereinbaren, die Leistung transparent zu beschreiben, die Verantwortung klar zu regeln und für plausible Entgeltregelungen zu sorgen.

Tab. 1: Zusatzleistungen heimversorgender Apotheken und ihre Zulässigkeit
Zusätzliche Schulungen für die Pflegefach­kräfte
Medikations­management
Rezeptmanagement
Patientenindividuelle Verblisterung von Fertigarzneimitteln
Zulässigkeit?
Leistung aus dem Pflichtkatalog des § 12a ApoG
pharmazeutische Tätigkeit gem. § 1a Abs. 3 Nr. 6 ApBetrO
Reichweitenkontrolle: ja, Botendienste: fraglich, Arztkontakte, Vorab-Fax: strittig
Fremd- und Eigenver­blistern zulässig (§ 21 Abs. 2 AMG, § 34 ApBetrO)
Zusätzliche Leistung?
Frage der Häufigkeit (vgl. Heimgesetze der Länder)
Ja, keine generelle Verpflichtung, aber: Pflichten bei Bedenken, Information und Beratung
Ja, keine originären Pflichten der Apotheke
Ja, aufwendige Herstellung, zusätzlicher Koordinierungsaufwand
Unmittelbarer Adressat/Nutznießer
Personal des Heims
Heimbewohner/Versorgungsqualität
Heimträger, ggf. Arzt
Heimbewohner/Erleichterung der Einnahme­treue, Portionierung, Einnahmeplanung/Arzneimittelsicherheit
Mittelbarer Adressat/Nutznießer
Heimbewohner/Versorgungsqualität
Heimbewohner/kontinuierliche Anschluss­medikation
Heimträger/Entlastung Pflegefachkräfte
Vorteil für Heimträger
Qualifizierung der Mitarbeiter ist Pflicht des Heimträgers/Versorgungsqualität als Wettbewerbsparameter
Keine originäre Aufgabe des Heims; mittelbar: Versorgungsqualität als Wettbewerbsparameter
Originäre Aufgaben des Heims, ersparte Aufwendungen
Arzneivorbereitung originäre Aufgabe des Heims, ersparte Aufwendungen

Vereinfachtes Prüfungsschema nach Prof. Hilko J. Meyer

BGH-Urteil schafft neue Situation

Eine geänderte Situation für die Heimversorgung hat sich im Übrigen auch durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 2016 ergeben. In seiner Entscheidung hatte der BGH den Rechtscharakter des Heimversorgungsvertrags und die Bedeutung des Ausschließlichkeitsverbots neu bestimmt.

Der BGH befand, dass es sich bei einem Heimversorgungsvertrag regelmäßig um einen zweiseitigen Vertrag zwischen öffentlicher Apotheke und Heimträger handelt. Dabei gewährleistet die Apotheke die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung und übernimmt Informations- und Beratungspflichten und erhält für diesen zusätzlichen Aufwand einen geldwerten Ausgleich – und zwar durch den privilegierten Zugang zu (potenziellen) Kunden. § 12a ApoG bezweckt danach nicht allein den Schutz der Heimbewohner und -träger, sondern hat vielmehr auch die Interessen des beteiligten Apothekers im Blick.

Neuer Mustervertrag soll bald kommen

Und noch einen interessanten Hinweis gab der Referent: Der Bundesverband klinik- und heimversorgender Apotheker e. V. (BVKA) bietet für die Heimversorgung einen Mustervertrag an, der über den Deutschen Apotheker Verlag bezogen werden kann. Dieser Vertrag wird zurzeit im Lichte der neueren rechtlichen Entwicklung überarbeitet. Diese Über­arbeitung ist bereits weitgehend abgeschlossen. Die neue Fassung, so Meyer, soll auf der BVKA-Jahrestagung am 7. und 8. Juni 2018 in Mainz vorgestellt werden. |

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