Foto: WoGi – stock.adobe.com

Schwerpunkt Filialapotheken

Zwischen Rechten und Pflichten

Was müssen Filialleiter bei Arbeitsschutzverpflichtungen beachten?

Es ist unwidersprochen, dass der Inhaber eines Filialverbundes bei der Einstellung eines Apothekers, der eine Filialapotheke leiten soll, einen ganzen Pflichtenkanon auf den Angestellten überträgt. | Von Iris Borrmann

Dabei geht es hier nicht um die pharmazeutischen Pflichten, die der Filialapotheker unabhängig und in eigener Verantwortung erfüllt, sondern um die „Nebenpflichten“, die mit der Leitung der Filiale einhergehen. Ein Pflichtenbereich, der hier immer wieder übersehen wird, stammt aus dem Bereich des öffentlichen Rechtes. Er betrifft die Verpflichtungen, die der Gesetzgeber jedem Arbeitgeber auferlegt, um Arbeitsschutz und Gesundheit zu gewährleisten.

Die vertragliche Verpflichtung zum Arbeitsschutz gegenüber seinen Mitarbeitern ergibt sich für jeden Arbeitgeber aus der Verpflichtung, die § 618 BGB normiert; er ist verpflichtet, Schutzmaßnahmen zu treffen. Diese Vorschrift ist nichts anderes als eine gesetzliche Ausformulierung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im Arbeitsverhältnis. Dies ist zunächst einmal sehr pauschal und regelt nur das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Verletzt der Arbeitgeber seine Pflicht und der Arbeitnehmer erleidet einen Schaden, so ist der Arbeitgeber zum Schadensersatz verpflichtet.

Aber nicht nur seinen Mitarbeitern, sondern auch gegenüber dem Staat oder den Berufsgenossenschaften (BG) besteht die Verpflichtung zum Arbeitsschutz.

Diese Pflichten obliegen nach § 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) originär ebenfalls dem Arbeitgeber.

Unterschiedlich ist hier nur, dass bei der Verpflichtung aus dem Arbeitsvertrag der Arbeitnehmer selbst seine Rechte einfordern muss; der öffentlich-rechtliche Arbeitsschutz wird von Aufsichtsbehörden überwacht und erforderlichenfalls durch behördliche Zwangsmaßnahmen durchgesetzt.

Um welche Pflichten handelt es sich?

Eine Aufzählung der Arbeitsschutzvorschriften würde den Rahmen sprengen. Es gibt eine zweistellige Zahl an Schutzgesetzen, eine dreistellige an Verordnungen und eine vierstellige an technischen Regelungen aus der sich noch mehr Pflichten ergeben.

Nahezu jede Apotheke macht inzwischen eine Gefährdungsbeurteilung, die die Grundlage einer jeden arbeitsschutzrechtlichen Beurteilung bildet.

Foto: rodimovpavel – stock.adobe.com
Eine aus der Wand hängende Steckdose sollte vom Arbeitgeber als Gefahrenquelle erkannt und möglichst zeitnah beseitigt werden.

Hierbei müssen auch psychische und physische Belastungen von Mitarbeitern etwa durch anstrengende Kunden oder durch zu langes Stehen berücksichtigt werden. Auch eine aus der Wand hängende Steckdose ist sofort als Gefahrenquelle einzustufen und zu beseitigen. Ist vielleicht nur ein Ersthelfer ausgebildet, der gerade erkrankt ist oder sich auf einer Urlaubsreise befindet, obwohl in Betrieben mit bis zu 20 Personen immer einer anwesend sein muss?

Wichtige, in Apotheken auf jeden Fall zu beachtende Vorschriften ergeben sich u. a. aus dem Arbeitsschutzgesetz, dem Arbeitssicherheitsgesetz, der Mutterschutzverordnung und den Unfallverhütungsvorschriften.

Was lässt sich alles delegieren?

Ausgehend von einem Filialapothekenverbund mit einer oder mehreren Filialapotheken, ist nach der Frage, welche Verpflichtungen den Inhaber im Bereich Arbeitssicherheit und Arbeitsschutz treffen, in einem zweiten Schritt zu entscheiden, welche Aufgaben abgegeben werden können.

Apotheken nutzen üblicherweise ein Qualitäts­management­system. Genauso lässt sich auch der Arbeits- und Gesundheitsschutz systematisch managen. Da jede Apotheke anders aufgebaut ist und Arbeitsschwerpunkte unterschiedlich sind, lassen sich keine generellen Pflichten aufzählen.

Wenn ein Unternehmen aus mehreren Betrieben (z. B. Filialen) besteht, kann der Unternehmer (Inhaber sämtlicher Betriebe) seine Verpflichtungen für den Arbeits- und Gesundheitsschutz möglicherweise nicht für alle dem Verbund angehörige Betriebe erfüllen (eine Ausnahme ist nur für Filialen denkbar, die aufgrund der räumlichen Nähe und der Organisation des Inhabers eine Gesamtbeurteilung zulassen). Die öffentlich-rechtliche Verpflichtung aus dem Arbeitschutzgesetz, dem Arbeitssicherheitsgesetz und der DGUV Vorschrift 2 muss üblicherweise jeweils für den einzelnen Betrieb, nicht für das Unternehmen als Ganzes, erfüllt werden. Insbesondere heißt das, dass die arbeitsschutzrechtliche und sicherheitstechnische Betreuung für jeden Betrieb einzeln gewährleistet werden muss.

Dies freilich prädestiniert die Filialapothekenleitung für die Übernahme dieser Verpflichtungen.

Der „Akt“ der Delegation

Tatsächlich hat der Inhaber nach § 13 ArbSchG die Möglichkeit, die ihm nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben an andere Personen zu delegieren.

Diese müssen einerseits fachkundig und andererseits zuverlässig sein. Unterstellt man zunächst einmal der Filialleitung die Zuverlässigkeit, muss man jedoch trotzdem noch fragen, ob diese auch im Hinblick auf den Arbeitsschutz fachkundig ist. Hier zumindest ist es dem Inhaber des Filialverbundes anzuraten, die entsprechenden Fortbildungen zu initiieren. Auch wenn Apotheker bereits während ihrer Ausbildung mit einigen Aspekten des Gefahrenschutzes in Kontakt gekommen sind, so lässt sich das gesamte Spektrum an Arbeitssicherheitsmaßnahmen schwer überblicken. Die Berufsgenossenschaften bieten hier nicht nur gute Hilfe­stellungen sondern auch zugeschnittene Fortbildungen an (www.bgw-online.de, Bereich Pharmazie).

Foto: anyaberkut – stock.adobe.com
Der Apothekeninhaber kann arbeitsschutzrechtliche und sicherheitstechnische Aufgaben in Filiale(n) an Mitarbeiter, wie zum Beispiel die Filialleiter, delegieren.

Schriftformerfordernis: Das Gesetz sieht allerdings vor, dass die Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz schriftlich übertragen werden müssen, wenn sie nicht ohnehin schon zu den „im Rahmen der Leitung eines Betriebes übertragenen Aufgaben“ gehören.

Da es sehr unterschiedlich ist, welche Aufgaben der Inhaber dem Filialleiter „im Rahmen der Filialleitung“ überträgt und häufig wichtige Führungsaufgaben ausgeschlossen werden (Personal, Wirtschaft, Warenlager), kann nicht angenommen werden, dass ihm auch die Arbeitsschutzmaßnahmen automatisch übertragen worden sind. Schließlich bestimmt der Arbeitgeber den Umfang und Geltungsbereich der Vertretung durch den Angestellten. Das bedeutet für die Filialleiter, dass sich keine konkrete Arbeitsschutzverpflichtung ergeben kann, wenn dies weder im Arbeitsvertrag festgehalten wurde noch eine schriftliche Beauftragung des Inhabers vorliegt.

Dies bedeutet allerdings nicht, dass sich der Filialapotheker zurücklehnen und warten sollte, wann es dem Inhaber wohl auffiele, dass selbst eine Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung fehlt. Auch wenn der Inhaber keinen Wert darauf legen sollte, ist es angezeigt, dass der Filialleiter aktiv wird und – zumindest in Textform – den Inhaber auffordert, für eine Gefährdungsbeurteilung Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen.

Die Delegationsregelungen gelten übrigens auch für die berufsgenossenschaftlichen Unfallverhütungsvorschriften, dort ergibt sich aus § 13 UVV eine Möglichkeit der Pflichtenübertragung bei der Prävention. Hier wird dem Schrift­formerfordernis schon genüge getan, wenn der Inhaber die von der Berufsgenossenschaft zur Verfügung gestellten Merkblätter ausfüllt, dem Filialleiter aushändigt und sie ­gegenzeichnen lässt.

Weisungsbefugnis: Eine für alle genannten Bereiche des Arbeitsschutzes fundamentale Voraussetzung ist, dass dem Filialapotheker auch die entsprechenden Weisungsbefugnisse übertragen werden. Schließlich hängt letztendlich alles davon ab, ob alle Mitarbeiter die entsprechenden Vorschriften beachten. Kann der Filialapotheker die Mitarbeiter nicht anweisen, die Schübe ordnungsgemäß zu schließen oder die Schutzkleidung zu tragen, sobald sie das Labor betreten, hilft auch die beste Gefährdungsbeurteilung nicht.

Da der Inhaber immer der erste Pflichtenadressat ist, muss er im Zweifel nachweisen, dass es der Filialleitung überhaupt möglich gewesen ist, die Schutzmaßnahmen durchzusetzen.

Im Rahmen der Aufsichtspflicht des Inhabers kann es dann sogar passieren, dass er neben der generellen Pflichtentragung („Sie sind für den Arbeitsschutz verantwortlich“) auch noch eine spezielle Pflichtenübertragung vornehmen muss, wenn er sieht, dass bestimmte Maßnahmen nicht erfolgt sind („Sie übernehmen die Durchführung und Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung nach §§ 5, 6 ArbSchG“).

Die drei wichtigsten Pflichten, die auch schriftlich ausformuliert werden sollten sind:

1. Durchführung und Dokumentation der Gefährdungs­beurteilung

2. Prüf- und Überwachungspflichten

3. Schulungs- und Unterweisungspflicht.

Bedeutung für das Haftungsrisiko – auch gegenüber der Behörde

Die für den Gesetzgeber und die öffentliche Hand wichtigste Auswirkung bei der Übertragung der Schutzverpflichtungen ist, dass behördliche Schutzmaßnahmen und Vollzugs­anordnungen auch direkt an die mit dem betrieblichen ­Arbeitsschutz befasste Person gerichtet werden können.

Staatliche Arbeitsschutzbehörden können bei Pflichtverletzungen somit nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern auch gegen die in § 13 Abs. 1 ArbSchG genannten verantwortlichen Personen vorgehen.

Das könnte bedeuten, dass Filialapotheker einer Verantwortlichkeit nach § 9 OWIG oder § 14 STGB ausgesetzt sind. Dabei entsteht eine unterschiedliche Haftung gegenüber dem Inhaber auf der einen und gegenüber staatlichen Stellen auf der anderen Seite.

Arbeitsrechtliche Haftung: Als Arbeitnehmer – im Innenverhältnis zu dem Inhaber – sind Filialleiter nur beschränkt haftbar, da im Arbeitsrecht die Arbeitnehmerhaftung nach den Grundsätzen der beschränkten Arbeitnehmerhaftung i. d. R. wie folgt eingeschränkt wird:

  • Bei Vorliegen einer leichten Fahrlässigkeit ist der entstandene Schaden vom Arbeitgeber zu tragen, d. h. es trifft den Schadensverursacher keine Haftung.
  • Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird unter Berücksichtigung der Einzelumstände der Ersatz des Schadens zwischen dem Schadensverursacher und dem Arbeitgeber aufgeteilt. Dabei werden u. a. Schadensumfang, Anteil des Verschuldens des Arbeitnehmers sowie die besondere Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit, die Möglichkeiten des Arbeitgebers zur Gefahrenvermeidung und Schadensvorsorge mit einbezogen.
  • Für grobe Fahrlässigkeit haftet der Schadensverursacher üblicherweise alleine. Steht das Schadensrisiko der auszuführenden Tätigkeit aber in einem besonderen Missverhältnis zum Verdienst des Arbeitnehmers, ist eine Schadensteilung oder die Begrenzung auf eine bestimmte Summe die Regel.
Foto: stockpics – stock.adobe.com
Filialleiter können als Chefvertreter oder Arbeitsschutzverantwortliche auch ­bestraft werden, wenn es zu Pflichtverletzungen oder einem Schaden gekommen ist.

Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht: Im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht hingegen gilt das Verursacherprinzip, wobei selbstverständlich auch Schäden durch Unterlassungen verursacht werden können (§ 8 OWiG, § 13 StGB). Voraussetzung für eine Strafbarkeit durch das Unterlassen vorgeschriebener Arbeitsschutzmaßnahmen ist das Bestehen einer Garantenpflicht, also einer rechtlichen Handlungspflicht. Für den Inhaber einer Apotheke ergibt sich eine Garantenpflicht aus der Schutzpflicht gegenüber seinen Beschäftigten.

Eine Garantenstellung im Arbeitsschutz kann sich allerdings auch ergeben aus:

  • einer Rechtsvorschrift, z. B. aus den gesetzlichen Arbeitsschutzvorschriften,
  • einer vertraglichen oder auf andere Weise übernommenen Aufgabe, z. B. bei Führungskräften oder beauftragten Personen,
  • einer vorausgegangenen gefährdenden Handlung, z. B. dem Schaffen einer Gefahrensituation.

Folglich gilt diese Pflicht auch für diejenigen Personen, die innerhalb des Unternehmens für Arbeitsschutzaufgaben und die Erfüllung der damit verbundenen Arbeitsschutzpflichten verantwortlich sind (vgl. § 13 ArbSchG). § 14 StGB und § 9 OWiG bilden hierfür die Anspruchsgrundlage und stellen klar, dass auch die Personen, die als Vertreter oder kraft Aufgabendelegation für den Unternehmer (z. B. im Arbeitsschutz) tätig werden, wie dieser selbst bestraft werden können.

Bei eingetretenem Schaden werden konkrete Pflichtverletzungen untersucht, die entweder dem Inhaber oder dem zuständigen Filialapotheker zugerechnet oder kumulativ beiden angelastet werden können. Gegen den Inhaber kann wegen Verletzung seiner Organisationspflicht und/oder Aufsichtspflicht ermittelt werden, gegen den betrieblichen Vorgesetzten i. d. R. wegen Verletzung einer „konkreten“ Pflicht aus einschlägigen Arbeitsschutzgesetzen, wie z. B. fehlende oder nicht ordnungsgemäße Betriebsanweisungen, fehlende oder nicht ordnungsgemäße Unterweisung der Mitarbeiter oder einfach eine Untätigkeit im Hinblick auf eine Gefahrenquelle (defekte Schübe, eine aus der Wand hängende Steckdose).

Da in diesem Bereich ein großes Haftungsrisiko – auch für den Filialleiter – besteht, sollte er in eigenem Interesse darauf achten, dass er die nötigen Instrumentarien erhält, um seine Verpflichtung auch erfüllen zu können.

Ohne die Möglichkeit, geeignete Maßnahmen ergreifen zu können, sind Filialapotheker nicht in der Lage, die Verantwortung sachgerecht wahrzunehmen. Wichtig ist es daher, den Arbeitgeber unverzüglich und nachweisbar zu informieren, wenn die Mittel zum Handeln, z. B. eine weitere befähigte Person, ein gewisses Budget oder schlicht die entsprechende Arbeitszeit fehlen. |

Autorin

Iris Borrmann, Studium der Rechtswissenschaften in Marburg und Referendariat am Hamburgischen Oberlandesgericht. 1993 Zulassung als Rechtsanwältin. Tätigkeit u. a. in einer arbeitsrechtlich ausgerichteten Anwaltskanzlei sowie in verschiedenen Funktionen für Adexa – Die Apothekengewerkschaft. Arbeitsschwerpunkte: Arbeitsvertragsrecht und kollektives Arbeitsrecht.

0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.