Die Seite 3

Im Zeitalter der Filialisten

Foto: DAZ/Kahrmann
Dr. Armin Edalat, Chefredakteur der DAZ

Stellen Sie sich vor, Sie betreten eine Apotheke irgendwo in Deutschland. Woran erkennen Sie, ob es sich um eine Einzel-, Haupt- oder Filialapotheke handelt?

Vielleicht an der Größe der Offizin? An der Auswahl und Verfügbarkeit von Arzneimitteln? Ob Ausgangsstoffe geprüft und Rezepturen patientenindividuell hergestellt werden? Ob Nacht- und Notdienste geleistet werden? Oder ob eine persönliche Beratung durch pharmazeutisches Personal erfolgt?

Für die vielen Millionen Menschen, die täglich in Deutschlands Apotheken versorgt werden, sind zwischen einer Einzel-, Haupt- und Filialapotheke keine Unterschiede erkennbar. Und auch jemand „vom Fach“ wird das nicht ohne Weiteres feststellen können. Nur die gezielte Nachfrage und ein Blick in die Betriebserlaubnis ­offenbaren, ob die jeweilige Apotheke Teil eines Filialverbundes ist oder nicht.

Warum auch sollte es für die Kunden und Patienten einen Unterschied machen, ob sie sich nun in einer Einzel-, Haupt- oder Filialapotheke befinden? Wenn sich Apotheken je nach Betriebsform im Angebot und Versorgungsauftrag unterscheiden würden, wären die einen Patienten zwangs­läufig bevorzugt und die anderen benachteiligt.

Kühlpflichtige Arzneimittel oder Betäubungsmittel: Nur verfügbar in der Zentrale? Patientenindividuelle Rezepturen: Können nur in externen Räumlichkeiten hergestellt werden? Beratung und Betreuung rund um die Uhr: Leider nur in der Hauptapotheke? Ein Szenario, das man sich nicht ausmalen möchte.

Seit fast 15 Jahren existieren im deutschen Gesundheitssystem Einzelapotheken und Filialverbünde nebeneinander, ohne dass es Apotheken erster oder zweiter Klasse gibt und Patienten unter Umständen in unterschiedliche Versorgungssituationen geraten.

Mit der teilweisen Abschaffung des Mehrbesitzverbots gibt es seit 2004 neben den selbstständigen Apothekern auch Angestellte in der Position von Apothekenleitern – die Filialleiter. Längst ist dieser Beruf keine Randerscheinung mehr: Rund ein Viertel der Apotheken in Deutschland stehen in der Verantwortung von Filialleitern. Ist damit die Versorgungssituation besser oder schlechter geworden? Führen die Filialleiter ihre Apotheken unabhängig von wirtschaftlichen Interessen oder befinden sie sich gerade aufgrund des Angestelltenverhältnisses in einer Abhängigkeit? Wird die Filialisierung zunehmen und es zukünftig immer weniger selbstständige Apothekenleiter geben?

Empirisch wurden diese Fragen bisher nur unzureichend ermittelt. Den Kritikern der freien Heilberufe bieten sie Zündstoff für weitere Liberalisierungspläne im deutschen Apothekenmarkt.

Doch es ist gerade das filigrane Zusammenspiel von Einzel-, Haupt- und Filialapotheken im Gesundheitssystem, das die Versorgung der Bevölkerung auf hohem Niveau garantiert. Es ist die Tatsache, dass nach wie vor hinter allen Apotheken persönlich haftende Arzneimittelexperten stehen und keine Kapitalgesellschaften, die blindlings nach mehr Umsatz und Rendite streben. Der (junge) Berufsstand der Apothekenfilialleiter – wir nehmen ihn in den Fokus auf der diesjährigen Interpharm und im Schwerpunkt der aktuellen DAZ.

Armin Edalat

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